Markus Ridder

Das Eisenzimmer


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      „Wir sollten nach einem Auto suchen. Dollar, kannst du das in die Wege leiten?“ Plossila wartete nicht auf eine Antwort des Kommissars. „Was ist das für ein Messer?“, fragte er. „Da ist ein Reichsadler drauf und eine SS-Rune.“

      „Das ist ein Schlüssel, ja“, sagte Dollerschell. „Offenbar ein SS-Ehrendolch, hab das eben schon mal im Netz nachgeschlagen.“ Wie zum Beweis hob er sein Smartphone in die Luft. „Könnte original sein, er sieht relativ abgegriffen aus. Ein solcher Dolch wurde nur an Mitglieder der SS verliehen und auch ausschließlich an höhere Ränge. Sieht nach einem rechten Hintergrund aus, wenn du mich fragst.“

      „Oder es will uns einer auf die falsche Fährte führen. Wissen wir, wer es ist?“

      „Wir kennen seinen Namen. Kenneth Middleman, offenbar ein Engländer.“ Dollerschell blickte sich über die Schulter, hinüber zu dem Mann mit Schnauzer, der nach wie vor mit seinem Schlüsselbund spielte. „Herr Griesemer, wollen Sie einmal zu uns kommen?“

      Das Schlüsselbundklirren verstummte augenblicklich, als der Mann auf die Beine sprang. Wortlos trat er zu den Polizisten heran, die um die Leiche gruppiert waren. „Oiso na, des koannst ja ned oschaugn.“, sagte er und fixierte dann wie zur Ablenkung den Klecks auf Plossilas Hemd.

      „Sie kennen den Mann?“, fragte Plossila

      „Jo mei, kenna... Der hod mein Lodn gmiet. Dreißg Joar hob I do herin Franzosn verkafft. Citroen, Renault, dann a Nissan. Mei, oba d Leit wolln ja heit nur no an deitschn Wogn foarn. Oder an Toyota.“ Er blickte auf und gegen die verhangenen Fenster. „Do schaugns, no dreißg, vierzg Meta d Straßn oabi is d Konkurrenz.“ Er zuckte mit den Schultern, fuhr sich in einer schnellen Bewegung mit dem Zeigefinger unter den Schnauzbart und strich diesen zweimal nach vorn. „Mei, friara, do woarn I und da Huaba Schorsch mit seine BMW aloa. Des is guat gloafa. Und jetz sans acht Monat, dass da Lodn zua is. Do hob ihn in d Zeitung doa. Vor am Monot hot se da Mittelmän gmöjlt. Zearst hätt ern bloß füa vier Wochn gwoillt. Aber unta drei Monat hob I n net heagebn. Des hot er dann scho eigseng. Aber wos er konkret vorghobt hot?“ Er zuckte wieder mit den Achseln. Dann senkte er den Blick wieder auf den Klecks. „Vier Wocha? Des wär doch a Schmarrn gwesn!“

      „Und er hat nicht gesagt, was das hier alles soll? Diese Vorhänge – hat er die angebracht?“

      „I denk scho. I seh die heit a zerst Moi.“ Wieder Schulterzucken.

      „Können Sie sich einen Reim drauf machen?“

      „Na.“ Er trat von einem Bein auf das andere, ließ den Schlüsselbund in seiner Hand klimpern. „Mei, des hob I scho a amoi gmocht. Wemma an nein Wogn gkriagt hom, hots do scho amoi a Show gebn. Oan Tag der offenen Tür. Mia hom a bissl dunkla gmocht, doss d Leit draußa nix seng. Mia hom jo koan Rolladn do herin. Oba sonst?“ Er zuckte mit den Schultern. „Und dea do?! Dea hot doch koane Wogn von da Insl mitbrocht.“

      „Haben Sie ihn hier auch gefunden?“

      „Jo, hob I. Die zwoa“, er zeigte mit dem Finger auf die beiden Männer in den Messe-T-Shirts, „hom mi ogruafa. Mei Adress is ja no da voan an der Tüan. Die woilltn d Strohla bringa, oba koina hot aufgmocht. Do bin I gschwindt kemma. I wohn drunt in Dießn, oba I woillt eh amoi nachschaugn ob ois passt. I hob aufgsperrt und do isser gleng da Mittelmän.“, er blickte auf den Toten zu ihren Füßen. „Na, des konnst ja wiakle ned oschaugn!“

      Er schüttelte den Kopf.

      Blitze trafen ihn, als er mit Jenny im Gefolge das Autohaus verließ. „Was zum Teufel ...?!“ Er hob die Hand, doch es war zwecklos. Er sah noch Sternchen, da schob sich bereits das Gesicht eines kleinen Blonden mit Grübchen in den Pausbacken in sein Blickfeld. „Lutz, vom Merkur. Herr Plossila, eine Leiche, haben wir gehört. Stimmt es, dass es sich um eine Messerstecherei handelt?“

      Das war das Letzte, was Plossila jetzt brauchte. Augenblicklich fühlte er wieder seine innere Betäubung. Die Welt schien hinter einer dicken, durchsichtigen, wabernden Gummiwand verborgen und auf seinen Schultern stapelten sich Getränkekisten. Noch halb blind von den Blitzen, die aus der Kamera eines weiter unten postierten Fotografen stammten, ruderte er mit den Armen, tastete sich vorwärts. Er bekam den jungen Mann zu fassen und schob ihn sachte aber bestimmt aus dem Weg.

      „Herr Plossila, die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, ob ihre Sicherheit bedroht ist.“

      Er sah den Mann an. Obwohl er eine Treppenstufe über Plossila stand, blickte Plossila auf ihn hinab, und das war ihm auch ganz recht so. „Sie scheinen doch schon alles genauestens recherchiert zu haben“, sagte er mürrisch und fragte sich, woher dieser Lutz von dem Mord wissen konnte? Er blickte zurück in den Eingangsbereich. Die gesamte Halle war mit schwarzen, lichtundurchlässigen Vorhängen abgedichtet und sah aus wie eine riesige dunkle Sargplatte. Außer seinem Team, Isenbarth und dem Erkennungsdienst war weder jemand rein noch raus gekommen. Dann sah er, wie einer der Messe-Bauer an den Ausgang trat. Er blickte erst zum Journalisten, dann zu Plossila. Als er den durchdringenden Blick des Kommissars bemerkte, ließ er sich zurück in die Dunkelheit des Autohauses fallen. Diese verfluchten ...! Was machen die auch die ganze Zeit da drinnen!

      „Haben Sie schon eine Vorstellung vom Täter?“, riss Lutz ihn aus den Gedanken.

      Plossila blähte die Backen, um sich zusammenzureißen. Er konnte jetzt nicht noch mehr Ärger gebrauchen. Und schon gar keine Beschwerde beim Staatsanwalt oder beim Landrat. Er würde nichts sagen, das aber gut verpacken, nahm er sich vor. Auch wenn er es hasste, mit Journalisten zu sprechen, einige Übung hatte er darin mittlerweile.

      „Jenny?“

      „Ja?“

      Er warf ihr den Schlüssel seines BMWs zu. „Kann gleich losgehen.“ Er wollte nach dem Gespräch mit dem Journalisten so schnell wie möglich hier verschwinden. Griesemer hatte ihnen gesagt, in welchem Hotel Middleman abgestiegen war. Das wollten sie so bald wie möglich überprüfen – und zwar ohne Begleitung von Klatschreportern.

      „Es ist besser, wenn ich mit meinem Auto fahre, sonst müssen wir nachher beide wieder hierher.“

      Er nickte, sie warf ihm den Schlüssel zurück und ging in Richtung des Fiestas.

      Plossila wandte sich wieder dem Journalisten zu. Er hatte ein Blöckchen in der Hand über dem ein blauer Kugelschreiber schwebte. Wenn Plossila das richtig sah, zitterte der Stift leicht. Auch die Miene des Reporters wirkte angespannt, seine Augen waren gerötet und die Haare schienen ungewaschen. Er war offenbar nicht der Einzige, der hier Probleme hatte, dachte Plossila.

      „Woher wissen Sie überhaupt, was hier los ist?“

      Lutz lächelte angestrengt, zeigte dabei seine Grübchen. „Das ist mein Job. Die Blaulichter kann man außerdem von der Augsburger Straße aus sehen.“

      „Und dann nehmen Sie die Monteure hier ins Kreuzverhör, ja?“

      „Meine Informanten gebe ich nicht preis!“

      Oh ja, die Informanten. Das hier ist Washington, Moskau, Tokio! Hier wird gegen das internationale Verbrechen angeschnüffelt! Die vierte Kraft im Staate und so weiter. Wie oft hatte er das schon gehört? War diesen Leuten eigentlich bewusst, dass alle anderen staatlichen Gewalten zumindest eine mittelbare demokratische Legitimation aufweisen konnten? Er würde nur zu gerne wissen, welcher Bürger Herrn Lutz hier gewählt hatte, um für ihn an der Scheiße zu schnuppern.

      Er zählte innerlich bis drei und sagte beherrscht: „Herr Lutz, ich kann zu diesem Zeitpunkt leider noch nichts sagen, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Die Informationen, die sie haben, kann ich weder bestätigen noch dementieren. Aber seien Sie sicher: Sollte sich hier ein Verbrechen ereignet haben, werden wir alles Menschenmögliche tun, um es aufzuklären.“

      „Es soll sich um einen britischen Staatsbürger handeln.“

      „Die Identität des Mordopfers ist noch nicht restlos geklärt.“

      „Also bestätigen Sie einen Mord!“

      „Ja, Herrgott