Velvett D. Black

Das Highheel-Project


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muss ich daran denken, mir ein Auto zu mieten, damit ich notfalls flüchten kann, um ein Geschenk für meine Schwester zu organisieren. Allein bei den vielen Gedanken schwirrt mir der Kopf, deshalb greife ich nach einem Zettel und schreibe.

      

       1. Ein Kleid finden, dass fast so beeindruckend ist wie Debbies Brautkleid

      

       2. Ein Geschenk kaufen, das ihr die Tränen der Dankbarkeit in die Augen

       treibt

      

       3. Einen Flug buchen

      

       4. Mietwagen organisieren

      

       5. Nochmal mit Mike reden und ihn anflehen mitzukommen

      Ich nicke zufrieden und grade, als ich mich dem wichtigsten Punkt auf der Liste widmen will, klingelt es an der Haustür. Ich seufze. Eine Sekunde lang denke ich darüber nach, den Störenfried einfach zu ignorieren, beschließe allerdings, dass das nicht sehr nett wäre. Immerhin wohne ich nicht alleine hier, was unter anderem bedeuten könnte, dass der Klingler gar nicht zu mir will.

      Seufzend lege ich die Liste zur Seite, hieve mich umständlich vom Esszimmerstuhl und durchquere den winzigen (rosafarbenen) Flur.

      Ich reiße die Tür auf. Vor mir steht eine unerhört hübsche Frau, ganz in Pink gekleidet, modisch, übertrieben und minimal extravagant. Zweifelnd betrachte ich den schrägen Schnitt ihres neuen Kleides und zwinge mich, den schrillen Hut weniger kritisch zu mustern. Ihrer Schönheit tut das Outfit allerdings keinen Abbruch. Dunkles Haar umrahmt den strahlenden Teint, als wäre es extra dazu gewachsen, jede außenrum geschehende farbliche Katastrophe zu neutralisieren. Ich erkenne die feinen Gesichtszüge, den ultraschlanken Modelkörper und die ebenmäßigste Haut, die ich jemals gesehen habe. Das ist Zasa, meine beste Freundin und Mitbewohnerin.

      Erleichtert schiebe ich die Tür weiter auf und frage mich, warum ich eigentlich so froh darüber bin, dass es »nur« Zasa ist, die mal wieder ihren Haustürschlüssel vergessen hat.

      Wer sonst sollte denn kommen wollen?

      »Salut, mon Amour!«, trällert Zasa und küsst mich rechts, links und wieder rechts.

      »Jaja, Tach«, murre ich und ernte einen fragenden Gesichtsausdruck, bestehend aus einer angespannten Steilfalte auf ihrer hübschen Stirn und leicht gekräuselten Mundwinkeln. In ihren Augen liegt der übliche leichte Tadel, den ich alleine in der Art, wie sie den Kopf dreht, erkennen könnte. Zasa hasst es, wenn ich deutsch spreche, und wenn es nur die unmelodische Grußformel aus meiner norddeutschen Heimat ist.

      »Was ist los, chérie?«, fragt sie und runzelt die Stirn ein wenig mehr. Es ärgert mich, dass Zasa selbst dann noch unglaublich gut aussieht, wenn sie Mienen zieht, die normale Menschen nahezu völlig entstellen. Und ganz besonders unfair daran ist, dass sie mir immer noch krampfhaft erzählt ich unscheinbares mittelblondes, mittelgroßes und sogar mittelblauäugiges Ding würde mindestens genauso gut aussehen wie sie.

      Ich zucke die Schultern und versuche nur halb so entnervt/schockiert/traurig auszusehen, wie ich mich fühle, bin jedoch sicher, dass es mir nicht gerade gut gelingt.

      »Meine kleine Schwester heiratet«, erkläre ich, weil ich weiß, dass es unmöglich ist, etwas vor Zasa geheim zu halten.

      Sie sieht mich aus ihren unglaublich bernsteinfarbenen Augen an und verzieht den leuchtend roten Mund. Ich warte darauf, dass sie mir um den Hals fällt, versucht mich zu trösten und mir sagt, dass es ganz schrecklich ist. Innerlich bereite ich mich darauf vor die Arme zur Seite zu nehmen, damit sie mich nicht einquetscht, denn Zasa ist, trotz, dass sie die Figur eines Pariser Supermodels besitzt (okay, sie hat nicht nur die Figur von einem, sie ist auch eins), wesentlich stärker als ich. Diese Vorsichtsmaßnahme allerdings hätte ich mir sparen können. Meine beste Freundin hat gar nicht vor mich zu trösten, nein. Sie bedenkt mich mit einem breiten Grinsen und bricht in schallendes Gelächter aus.

      »Ist es das, was dich so sehr bedrückt? Dass deine Schwester ihr Leben an einen Mann verschenkt, nur um einen Tag lang wie eine Prinzessin auszusehen?«, gluckst sie und ich warte seufzend darauf, dass sie sich beruhigt. Zasa und weiße Kleider sind keine besonders guten Freunde. Erst recht nicht, seit ihr Verlobter sie am Tag der Hochzeit versetzt hat, um sich samt seiner Sekräterin auf den Weg in die Karibik zu machen. Voll das Klischee!

      »Nein. Nicht die Tatsache, dass sie glaubt, sich binden zu müssen, sondern viel mehr die Nebensächlichkeit, dass ich da hinfahren muss.«

      Zasa wischt sich die Lachtränen aus den Augen, findet übernatürlich schnell ihre Fassung wieder und zieht fragend eine perfekt gezupfte Augenbraue hoch.

      »Und?« Ich zucke die Schultern. Wahrscheinlich ist das sowieso albern, dass es mich so sehr mitnimmt.

      »Dafür muss ich zurück nach Norddeutschland«, sage ich. Zu meiner Familie, ins Kaff, denke ich und bekomme bei dem Gedanken sofort das Gefühl eine feste, riesengroße Kugel im Magen zu haben. Kurz hoffe ich, dass das so bleibt, denn dann brauche ich mich wenigstens mit keiner Diät zu quälen, weil ich mangels Appetit ohnehin nichts essen mag.

      Das ist noch ein Punkt für die Liste: Zwei, drei Kilo loswerden. Ganz unbedingt!

      Ich kann nicht als dickes Mädchen aus Paris nach Hause kommen. Wenn unter meinem Kleid auch nur ein einziges angedeutetes Speckfältchen zu sehen ist, freut sich Debbie kringelig.

      »Freu dich doch auf deine Heimat«, versucht Zasa mich aufzumuntern, klingt aber selbst alles andere als glücklich. Sie streicht sich diese eine dunkelbraune Strähne hinter’s Ohr, die sie immer nur aus dem Gesicht entfernt, wenn das, was sie denkt, von dem abweicht, was sie sagt.

      Wunderbar, dann sind wir schon zwei!

      »Auf was davon soll ich mich denn bitte freuen? Auf Schafe? Den Metzgermeister um die Ecke, der mich schon kennt, seit ich im Kinderwagen durch das Nest chauffiert wurde? Oder auf die stillosen Frauen in ihren Kittelschürzen, für die es das größte Glück auf Erden ist, sich von einem Vollidioten heiraten und schwängern zu lassen?«, gifte ich. Zasa kichert.

      »Scheint fürchterlich idyllisch zu sein, dein Zuhause!«, bemerkt sie grinsend und ich verdrehe die Augen. Sie weiß genau, dass ich um nichts auf der Welt wieder da hin zurück möchte. Mein Blick gleitet an Zasa vorbei aus dem Fenster und ich versuche, mit Hilfe des sonst so entspannenden Anblicks auf den Jardin du Luxembourg ein bisschen von meiner brodelnden Wut abzubauen.

      Eigentlich weiß ich nicht mal, warum ich wütend bin!, versuche ich mir einzureden.

      »Chérie, wenn du weiter so böse guckst, bekommst du Falten!«, mahnt Zasa und tätschelt mir fürsorglich die Wange. Ich schnaube zur Antwort.

      Falten, pah!

      Das ist im Moment wohl das geringste Problem.

      »Dann fährst du eben ein paar Tage zu deiner Familie, tust so, als wäre alles wundervoll und gibst die kultivierte Pariserin, wie sie das erwarten. Und dann freust du dich, dass du wieder zu mir in die schönste Stadt der Welt zurückkommen darfst!«, sagt sie und macht eine theatralisch umschreibende Geste, die sowohl die gesamte Wohnung als auch das Fenster umfasst, durch das ich eben noch gestarrt habe.

      »Ist ja auch scheißegal, dann fahr ich eben hin«, grummele ich. »Trotzdem finde ich es schlimm, dass meine kleine Schwester heiratet und ich den kompletten Abend von jedem minderbemittelten Einwohner dieses Dorf bemitleidet werde«, meckere ich und verschränke dabei die Arme vor der Brust wie ein trotziges Kleinkind.

      »Mais Jette, Chérie, das stimmt nicht. Du wirst völlig außerirdisch wirken, so als würdest du gar nicht dort hingehören. Wie eine Erscheinung!« Sie