Velvett D. Black

Das Highheel-Project


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dass es dir nicht besser geht als den langweiligen Hinterwäldlern. Niemand wird auf die Idee kommen, dass du einsam oder unglücklich in Paris sein könntest. Dafür sorge ich!«, bestimmt sie, reißt zur Untermalung einen Arm nach oben wie Superman.

      Sie sieht mich an, was wohl bedeutet, dass sie auf meine Antwort wartet, und verharrt in der Heldenpose. Mein Blick gleitet von der Geste zu ihren pinkfarbenen Stilettos, dann zu ihrem perfekten Make-up und schließlich zu ihrer fragend hochgezogenen Augenbraue. Sie spitzt die Lippen und zieht eine Braue hoch, als wolle sie sagen: Glaubst du mir etwa nicht, dass ich Superwomen bin?

      Damit bringt sich mich endgültig zum Lachen. »Ich habe darüber nachgedacht mich ein wenig auszustellen«, gestehe ich, verzichte jedoch darauf mich der äußerst spektakulär lustig aussehenden Heldenpose meiner etwas abgedrehten besten Freundin anzuschließen.

      »Na also. Du brauchst ...«, setzt Zasa an und lässt endlich die Faust sinken. Ich falle ihr aufgeregt ins Wort.

      »Ich hab schon eine Liste gemacht«, erkläre ich stolz und deute auf das Stück Papier, das noch auf dem Tisch liegt. Schnell wie der Blitz gleitet Zasa an mir vorbei, runzelt die Stirn, wobei sie wahnsinnig süß aussieht, und betrachtet meine Notizen.

      »Da fehlt die Hälfte!«, schimpft Zasa energisch. Zur Antwort zucke ich mit den Schultern.

      »Das müsstest du als die französische Ministerin für Listenführung doch wissen!« Meine Erwiderung ändert sich nicht. Insbesondere deshalb nicht, weil Zasa übertreibt. So häufig stelle ich gar keine Listen auf, nur To-do-Listen, Checklisten, Einkaufslisten ... Das Übliche. Gelegentlich will man einfach sicherstellen, dass man den Überblick behält, und wenn man sich da mit Zettel und Stift behelfen kann, dann macht man das.

      Tun wir das nicht alle manchmal?

      Na egal auch, Zasa hält wenig von meinem Sinn für geordnete Dinge. Sie streicht sich erneut die Haare zurück und schenkt mir ein strahlendes Lächeln.

      »Reichst du mir gerade den Stift?«

      Beste Freundinnen machen das Leben nicht immer leichter

      Freitag, 18. Juli -

      2 Wochen bis Tag X

      Nachdem Zasa endlich die Finger von meiner Liste nimmt, sieht das Ding wie folgt aus:

       1. Ein Kleid finden, dass fast so beeindruckend ist wie Debbies Brautkleid

       2. Ein Geschenk kaufen, das ihr die Tränen der Dankbarkeit in die Augen treibt

       3. Einen Flug buchen

       4. Mietwagen organisieren

       5. Nochmal mit Mike reden und ihn anflehen mitzukommen

      Einen richtigen, viel cooleren Ersatz für Mike finden und

      nebenbei noch ein bisschen Spaß haben

       6. Einen echt guten Friseur suchen

       7. Ein überirdisches Paar Schuhe finden

       8. Dringend zum Kosmetiker gehen

      (sorry, Süße)

       9. Zwei Kilo verlieren

      (nochmal: Entschuldige)

       10. Etwas für das Selbstbewusstsein tun!!!!!

      Die vielen Ausrufezeichen sind so dick gezeichnet, dass ich mich frage, warum sie ausgerechnet diesen Punkt so sehr betonen musste.

      Das sie fünf gestrichen hat gefällt mir gar nicht. Ich will und kann mit niemand anderem als Mike hingehen, oder gar alleine. Sollte ich es also nicht schaffen in zwei Wochen einen Mann aufzutreiben, der bereit ist etliche Kilometer zurückzulegen, nur um sich die Hochzeit meiner Schwester anzutun, wird mich die Angst ohne Mann im Nest aufzutauchen, in die vertrauten Arme treiben. Vor allem wegen der dunklen Vorahnung, dass meine Schwester mir sonst einen ihrer sehr langweiligen, trotteligen Dorfsingles an die Backe hängt, damit ich den Abend über nicht vollkommen begleitungslos wirke.

      Nicht, dass ich mich nicht alleine als starke Powerfrau präsentieren könnte, aber meine Schwester hat etwas gegen Frauen, die ohne Mann auf Hochzeiten auftauchen. Denen will sie dann ganz dringend zum »Glück« verhelfen.

      Meiner Meinung nach ist dieser Grundsatz vollständig schwachsinnig, was wohl daraus resultiert, dass ein solcher Gedanke ganz wunderbar zu meiner herzerwärmend hohlen Schwester passt.

      Ach ja, wäre an der Stelle der Hinweis angebracht, dass meine Schwester Debbie eigentlich nur meine Halbschwester ist?

      Wir haben nur denselben Vater und das Temperament und sämtliche Hirnzellen scheinen sich leider im Erbgut meines Vaters rezessiv zu verhalten. Debbie zumindest hat gar nichts mit mir gemeinsam. Schon gar nicht, was das Fassungsvermögen unserer Köpfe betrifft.

      Ich lasse meine Augen ein weiteres Mal über die Liste gleiten und stelle fest, dass meine so genannte beste Freundin ein echtes Miststück sein kann, wenn sie es nur darauf anlegt. Seufzend lege ich die Liste bei Seite und starre schon wieder in Bernsteinaugen, die mich erwartungsvoll anblinzeln.

      »Und? Wo fangen wir an?« Ich zucke die Schultern und widerstehe dem Drang Zasa aus unserem Wohnzimmer zu scheuchen. Stattdessen schwinge ich mich vom weißen Kunstleder Küchenstuhl, betrachte den rosa Plüsch nicht, der die Lehne so hübsch in Szene setzt, und schwebe daran vorbei zum Kühlschrank. Dort greife ich treffsicher nach der Flasche unseres guten alten Proseccos für Notfälle und lege vorsorglich zwei weitere Schätze aus Zasas Vorrat nach.

      Das habe ich mir jetzt verdient, denn das hier ist definitiv ein Notfall!

      Mit dem Gedanken pflücke ich schwungvoll den Korken heraus. Und ernte sofort ein schrilles Freudekreischen von Zasa. Manchmal hasse ich sie wirklich, aber genau dafür liebe ich sie leider auch.

      »Also, trinken wir auf das Projekt Debbies Hochzeit!«, erklärt Zasa, sobald sie das Glas am silberfarbenen Designerstielchen hält. Das Kichern, das sich meine Kehle entlang schleicht, kann ich, trotz aller Anstrengung, nicht mehr runterschlucken.

      Wir stoßen an und ich lasse mich durch das Prickeln auf meiner Zunge ablenken. Es ist wiedermal an der Zeit, heilfroh darüber zu sein, dass Zasas Eltern stinkreich sind, wir uns deshalb keine Sorgen darum machen müssen, wie viel Geld diese noble Prickelbrause kostet.

      Aber wer seiner Tochter, mal schnell die eigene, vermietete Wohnung mitten an einem der teuersten Flecken von Paris freimachen kann, nur weil sie in diese Stadt will, wird sich wohl kaum Gedanken um den Preis einer Kiste Prosecco machen.

      Das denke ich zumindest, während ich das Glas in einem Zug leere und uns beiden nachgieße. Die Blubberbrause verbreitet sofort ein angenehm warmes Gefühl in meinem Bauch, sodass ich mich ein bisschen leichter, fühle und ein Teil meines überschäumenden Ärgers verfliegt.

      »Projekt Pimp My Jette!«, gebe ich zurück und kichere in meinen Prosecco.

      »Oder besser, wir taufen die Aktion, wie einen Hollywood-Actionfilm!«, setzt Zasa noch einen drauf und lacht so sehr, dass sie das, was sie unbedingt loswerden will kaum noch über die Lippen bringt.

      »Das High-Heel-Project!«, brüllen wir gleichzeitig, stoßen kichernd darauf an und schmieden Pläne für unsere Shoppingtour. Dabei leeren wir die erste Flasche Prosecco, schon ergibt ein Wort das andere und wir vernichten noch eine Flasche, zwei … drei.

      Vielleicht sogar etwas mehr, das weiß ich nicht mehr genau. Jedenfalls liegen wir plötzlich Schulter an Schulter – wie auch immer das passieren konnte, erschließt sich mir nicht – im pinken