Velvett D. Black

Das Highheel-Project


Скачать книгу

winkt grob ab.

      »Quatsch … Du kriegst je…«, ein winziger Schluckauf unterbricht sie mitten im Wort. »Jederzeit einen anderen, besseren Mann!«, führt sie ihren Satz zu Ende.

      »Einen viel Besseren!«

      Ich glaube das nicht, betrachte dabei die weiße Decke, an der sich die kunstvollen Ornamente gemächlich im Kreis drehen, und hebe mein Glas, um darauf anzustoßen, dass es zumindest die Hoffnung gibt, dass Zasa recht haben könnte.

      »Prost!«, nuschele ich, bereits den Glasrand an den Lippen.

      »Prost!«, donnert Zasa. Ich hebe den Stil nach oben, bemerke, wie das dünne Glas sich unter meinen Fingern etwas zu weit aufrichtet, und kippe mir die Hälfte vom Prosecco in den Ausschnitt.

      »So was von!«, murmelt Zasa.

      »Einen viiel bessssseren, gaanz best…stimmt!«, lalle ich und spüre noch, wie sich der Raum aus den Angeln hebt, während mir die Augen zufallen.

      Samstag 19. Juli-

      Noch 13 Tage bis zur Abreise

      Zasa drückt mir die dritte riesige Tasse in die Hand, über deren Rand schwarzer Kaffee auf die weiße Tischplatte schwappt. Allein beim Gedanken an noch mehr Koffein dreht sich mir der Magen um. Deshalb stelle ich die Tasse ab, stütze meinen Kopf in die Hände, was das Hämmern darin nicht unbedingt leiser macht und schließe die Augen, um zumindest das Licht auszusperren.

      »Hey Jette! Nicht schlafen, wir gehen shoppen!«, säuselt Zasa und ich hasse sie dafür, dass sie nicht halb so erledigt scheint wie ich. Insbesondere, weil ich meinen Zustand nicht mit einem »ich-bin-zu-alt-für-große-Besäufnisse-Spruch« abhaken kann, solange sie so superfit aussieht. Das gefällt mir überhaupt nicht und daran ist nur Zasa schuld.

      Vorsichtig blinzele ich gegen das Morgenlicht an und stelle fest, dass ich Vampire manchmal gut verstehen kann. Tageslicht und so. Bäh!

      »Na komm schon, gehen wir.« Zasa springt von ihrem Stuhl, zieht mich auf die Füße und streift sich gleichzeitig ihre wie aus dem Nichts herbeigezauberten High Heels über die Füße.

      Ihr Tempo ist, wie immer schwindelerregend, was sie trotz des Wissens beibehält, dass ich das heute nicht gebrauchen kann. Aber darauf nimmt jemand wie Zasa selten Rücksicht. Widerwillig schleppe ich mich zum Schuhschrank, greife nach meinen roten Turnschuhen und werde sofort von der beste-Freundinnen-Modepolizei verhaftet.

      »Das geht nicht! Du kannst unmöglich in Sportschuhen ein geniales Abendkleid kaufen gehen!« Ich seufze.

      »Warum denn nicht?« Sie sieht mich an, als hätte ich gerade erklärt, dass ich nackt auf die Straße gehen will und das ich absolut nicht verstehen könnte, wie man so etwas für peinlich halten kann.

      »Weil das nicht geht. Punkt!«, erwidert sie trotzig.

      »Kriege ich dann kein Foto von Heidi, oder wie?«, gifte ich und ernte einen weiteren verständnislosen Blick, der mir so gut gefällt, dass ich beschließe, sie nicht darüber aufzuklären, dass wir seit neustem Empfang für deutsches Fernsehen haben.

      »Ich trage Turnschuhe, die sind total in! Und wir gehen shoppen!«, setzte ich gespielt fröhlich an und lasse mich von der nun wieder stürmischen, ekelhaft gut gelaunten Zasa in die Metro schleifen. Die bringt uns auf direktem Weg in das Gewimmel der Rue Rivoli. Zasa scheucht mich mehrfach durch die halbe Einkaufsmeile, auf der ich regelmäßig beinahe über fotografierende Touristen stolpere, bis Zasa mich begeistert in einen überfüllten Laden zerrt, in dem sie Abendmode vermutet. Prompt werde ich mit einer riesigen Auswahl knallbunter Dinger in die Umkleide gesperrt.

      »Zasa!«, jammere ich und halte ein knallgelbes Tüllmonster hoch, dem nur noch das Plastikblümchen am Ausschnitt fehlt, um sich für den Award des »absolut hässlichsten Abendkleides ever« zu qualifizieren. Ein Teenager-Abschlussballtraum im Farbton »toter Kanarienvogel«. Ich greife das Ding vorsichtig an der Spitze vom Bügel, mit Daumen und Zeigefinger, hole Schwung und befördere es über den Vorhang der Kabine. Draußen schimpft Zasa durch den Stoff.

      »Du kannst doch so nicht mit den schönen Kleidern umgehen, Jette! Das hier ist doch ein Traum!«, erklärt sie offenbar dem Tüllmonster, als könnte es tatsächlich beleidigt sein, dass es mir nicht gefällt.

      Ich verdrehe die Augen und widme mich dem nächsten Kleid, diesmal grün oder auch liebevoll »überfahrener Frosch«, selbst vom Farbverlauf her erinnert das Design stark an kleine Tiere auf Autobahnen in der Froschwandersession. Da in der Mitte sieht sogar etwas ganz gelblich aus so wie ... Ich verdränge den Gedanken, weil sich mein Magen noch immer gegen allzu bildhaftes Denken wehrt.

      Jedenfalls lautet das Fazit zu diesem Kleid: Igitt!

      Dann folgt ein Barbietraumkleid, bei dem es immerhin dazu reicht, dass ich es anprobiere und mit entsetztem Gesicht und anklagenden Blick aus der Kabine trete. Ich schwöre: Hätte ich lange Hasenohren, würden sie mir augenblicklich bis über die Knie hängen.

      Da ich die aber nicht habe, muss ich versuchen Zasa mimisch klar zu machen, dass das Kleid ein Albtraum ist – ein sehr schlimmer, sehr langer mit sehr vielen haarigen Monstern gespickter Albtraum!

      Die Verkäuferin verschwingt sich sofort in Begeisterungsstürme. Vermutlich, weil ich mich zumindest in eins ihrer grässlichen Kleider hineingezwängt habe.

      »Das ist wunderschön!«, flötet sie.

      Die Augen meiner treuen Freundin allerdings ruhen glücklicherweise weder auf dem fluffigen Rock noch auf dem viel zu tiefen Ausschnitt.

      »Das finde ich schrecklich«, sagt sie, so überzeugt, dass ich glaube, sie spräche meine Gedanken aus, wofür ich ihr echt dankbar bin, als ich den Blick der Verkäuferin sehe.

      Um jegliche Diskussion zu vermeiden, verschwinde ich sofort wieder in der Kabine und steige in das nächste Ding. Ein feuerwehrrotes Schlauchkleid, dass es gerade so schafft, meinen Hintern zu bedecken.

      Ich verlasse die Kabine und wünsche mir, meine beiden Berater mit Blicken töten zu können.

      »Es ist ein Traum!«, behauptet die dunkle Schönheit, die offensichtlich auf Provision hässliche Fetzen an strohblöde Kundinnen verkauft.

      »Es ist grässlich. Wenn, dann mit einem fetten Alb davor!«, mäkelt Zasa und ich versuche, mich einzuklinken.

      »Also ich finde ...«, setze ich an, sowohl Zasa als auch die Verkäuferin winken ab.

      Anscheinend tut meine Meinung nichts zur Sache.

      Wunderbar!

      Was interessiert es mich auch, wie das Ding aussieht?

      Ich soll ja nur damit rumlaufen!

      Perfekt!

      »He! Hallo, das ist mein Kleid und ich will darin einen Abend besser aussehen als meine KLEINE Schwester, die BRAUT!!!!« Ich brülle die beiden schlimmsten Worte in dem Satz so laut, dass weder meine Freundin noch die Verkäuferin sich gegen mein Gekreische wehren können und zusammenzucken.

      Schön! Das war genau der Sinn der Sache.

      Ich möchte nicht, dass sie mir ein Kleid aussuchen, in dem sie mich sehen wollen, nur, weil die eine Kohle verdienen und die andere mir einen Kerl für die Kiste organisieren will.

      Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, nur ist es eben so, dass ich absolut nichts davon halte in einem grausamen Kleid in unserem Kaff aufzutauchen. Allein der Gedanke, dass mein Sandastenskumpel mich in der Barbiemönströsität oder einem engen, extrem knappen Schlauchkleid sehen könnte, drehen sich meine Zehennägel bis zu den Haarspitzen.

      Nein, insbesondere das rote »ich-brauche-dringend-einen-Kerl-Modell« ist völlig ausgeschlossen, so leid es mir tut und so wahr das Problem in Zasas Augen sein mag.

      »Das Ding geht gar nicht!«, erkläre ich und fange an mich aus dem Fetzen zu pellen, ohne die Kabinentür richtig zu schließen, was die empörte