Daimon Legion

Mit schwarzen Flügeln


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ein Leben. Ich habe um Schutz für dich gebeten -“

      Zach verdrehte stöhnend die Augen. „Bei wem? Gott? Schätzchen, ich bitte dich. Du bist klasse, aber ein fiktiver Heiliger kann mir nicht helfen. Das muss ich schon allein hinkriegen.“

      Bevor sie ihm wieder eine klatschen konnte, verschwand er leichtfüßig mit einem jungenhaften Lächeln zur Haustür hinaus.

      Zach hasste es, dass Molly ihn dermaßen mit ihrem Gott nervte, jedoch konnte er es durchaus verstehen.

      Wenn eine resolute Frau wie sie sich so sehr Kinder wünschte und dann keine bekommen konnte, war das ein mieser Scherz. Da wurde nach jeder gereichten Hand der Arm ausgestreckt, egal wie hirnrissig sie ihm erscheinen mochte.

      Zu ihrem Glück war die Freundin keine dieser lästigen Missionare, die ihn auf die Seite von Gott, Allah, Vishnu oder Hachiman ziehen wollten, wahnsinnigen Propheten folgten und den Weltuntergang herbeisehnten. Solche Typen konnte er auf den Tod nicht ausstehen und gern würde er jeden einzelnen auf ein kleines Treffen ohne Wiederkehr zu seiner Scheinheiligkeit schicken.

      Mit den Händen in den Taschen, stapfte er durch den Schnee.

      Die Straßen und Gassen im Hafengebiet waren zurzeit noch sehr bevölkert und Bürger verschiedenen Standes suchte nach einer warmen Braustube, gemütlicher Gesellschaft, lockerem Zockerglück oder käuflicher Liebe. Wem das nicht genügte, suchte inoffizielle Geschäfte, spionierte nach unvorsichtigen Opfern und besprach Heimlichkeiten mit zweifelhaften Sippschaften. Dabei war es ratsam, keine zu langen Ohren zu machen.

      Solange man selber nicht in den Banden mitspielte, blieb man für deren Belangen lieber blind und taub. Einmischung konnte tödlich enden.

      Wovor hat Molly Angst? Zach würde niemanden herausfordern, den er nicht bezwingen konnte. Erfahrung hatte ihn gelehrt, sich aus allem rauszuhalten, was ihn nichts anging. Also keine Panik.

      Abgesehen davon, hatte er wie versprochen sein Geld von ihr zurückerhalten und musste heute und die kommenden Nächte kein Spiel mehr mitgehen, um über die Runden zu kommen. Ja, er hatte sogar vor, schnurstracks nach Hause zu gehen und die Scheine sicher zu bunkern, bis sie aufgebraucht waren. Erst dann würde er vielleicht kurz auf die Piste gehen, bloß so, um seine Depression zu vergessen.

      Die letzte Nacht sollte eine ruhige werden ...

      „Guten Abend, der Herr.“

      Zach wachte aus seiner Gedankenwelt auf.

      Der gelbe Schein der Straßenlaternen beleuchtete den Schnee auf den Gehwegen und ließ die eisigen Kristalle funkeln. An einem der mit Frost überzogenen Eisenmasten gelehnt, stand ein Mann; in einen schwarzen Mantel gehüllt, mit schiefergrauer Hose und derben Stiefeln. Sein Gesicht verdeckte eine Melone aus Filz, doch im Schatten der Hutkrempe glimmte sacht eine Zigarette auf.

      „Verpiss dich!“, entgegnete Zach wenig freundlich und baute seinen großen Körper gerade auf, um die eigene Stellung zu markieren. Eine selbstsichere, starke Haltung reichte oft bei den ersten Anzeichen eines Konfliktes aus und kleinere, schwächere Personen wurden so in die Schranken verwiesen.

      Den Schattenmann kümmerte seine Drohgebärde aber wenig. Gelassen rauchte der seinen Glimmstängel weiter und stellte beiläufig mit lahmer Stimme fest: „Ist kalt heute. Eine kalte Nacht.“

      „Wie jede Nacht“, entgegnete Zach gereizt. Ihm war wenig nach Small Talk zumute, vor allem mit diesem Kerl, und somit kam er gleich zur Sprache: „Was willst du von mir, Enki?“

      „Ich?“, fragte der andere betroffen. „Ich will gar nichts von dir, Knife.

      Doch meinem Boss gehst du ziemlich auf die Nerven. Hat gehört, dass du kürzlich den Jackpot geknackt hast. In seinem Gebiet, also gehören ihm achtzig Prozent des Gewinns. Und weil du schwer zu überreden bist, schickt er mich, sein Geld einzufordern.“

      „Armin ist ein schlechter Verlierer“, lachte Zach abschätzig. Er wusste, dass es nichts brachte, sein Glück zu leugnen, sein Gegner hatte bestimmt gute Informanten. „Mein Blatt war super. Ich hab nicht seinetwegen gewonnen.

      Mein Geld geht ihn ’nen Scheiß an, klar?“

      „Aber ich hasse es, den Müll rauszubringen ...“, sagte Enki mit einem Drohen in der Kehle. Seine einzige Bewegung war, die verrauchte Kippe auf den Bordstein zu schmeißen. Allein in dieser winzigen Banalität zeigte sich eine scharfe Präzision.

      Enki war ein Killer ohne Stil. Ein bezahlter Verbrecher und gnadenloser Mörder. Für Geld tat er alles, was sein Auftraggeber von ihm verlangte, ganz egal, ob es dabei Kindern, Frauen oder Greisen ans Leben ging. Wenn der Kerl es gewollt hätte, wäre Zach bereits in jeder Sekunde gestorben, die er in der Gegenwart dieses tödlichen Mannes verbrachte.

      Jedoch hielt die Angst vor Armin oder seinem bissigen Lakaien sich bei Zach erstaunlicherweise in Grenzen. Ein Normalbürger wäre bei diesem Feind in Panik ausgebrochen und hätte seine erbärmliche Existenz mit allen Wertsachen bezahlt, die er bei Leibe trug. Nur ein Idiot wäre so selbstlos, einen Großmagnaten der Unterwelt und den brutalsten Mann des ganzen Hafengebietes die Stirn zum Trotz zu bieten.

      Zach grinste weiter. Er war ja ein Riesenidiot.

      „Wenn Armin mein Geld will, kannst du ihm das sagen“, und er zeigte Enki den Mittelfinger.

      „Soll das dein letztes Wort sein?“, grollte ihm sein Gegenüber.

      „So ziemlich, du sabbernder, höriger Arschkriecher“, provozierte Zach ihn heftiger und öffnete seine Mantelknopfleiste, um die Hand an den Messergriff zu legen.

      Enki stieß sich vom Laternenpfahl ab und trat ihm entgegen, die Hand versteckt in der Seitentasche seines Mantels. Erst vermutete Zach dort seine Waffe, doch der Mann zog nur ein Zigarettenetui heraus und zündete eine neue Lunte an.

      „Weißt du eigentlich, was du für ein Glückskind bist, Knife?“, verwickelte Enki ihn wieder in ein Gespräch und blies den Qualm aus. „Du bist praktisch unnahbar.

      Keine Angehörigen. Keine feste Bindung. Niemand liegt dir sehr am Herzen, dir ist jeder Mensch gleich und entbehrlich. Dich kann keiner erpressen mit der Entführung oder dem Sterben eines geliebten Menschen.

      Das muss ein sehr einsames Dasein sein. Ist da wirklich niemand? Was wäre, wenn doch? Wenn du dich einem Menschen nur anvertraut hättest, wie wäre das Gefühl, denjenigen zu verlieren?“

      Unter der Hutkrempe blitzen schalkhaft die dunklen Augen auf.

      Zachs Magen verkrampfte sich plötzlich. Schrecken nagte an ihm. Um sein Leben machte er sich keine Gedanken, aber ...

       Würde Armin das wagen? Nein, niemals. Keiner könnte die Hand legen an -

      „Schon bedauerlich“, deutete Enki mehr an, wissend, wie er Zach damit aufwühlen würde, „sie machte wirklich einen guten Kaffee.“

       Nein, nein, nein! Verdammter Mist!

      Eilig machte Zach kehrt, auch wenn dies die völlig falsche Reaktion war. Enki nutze seine Blöße natürlich aus, um ihn mit der wendigen Schnelligkeit einer zubeißenden Schlange anzugreifen. Und das ebenfalls mit einem Messer. Eine lange, silbrig glänzende Klinge schwirrte singend durch die Luft und hätte ihn fast das linke Auge gekostet, wenn er denn nicht zurückgewichen wäre. Stattdessen schnitt der Stahl eine Wunde, parallel zu der Narbe von einst, in seinen Unterkiefer.

      Vor Überraschung wankend, stolperte Zach zur Seite und landete keuchend in den am Rand hoch aufgeschaufelten Schneehügeln, wo er donnernd mit dem Hinterkopf gegen eine Hauswand schlug. Sein Blickfeld begann sich zu drehen und er kniff kurz die Augen zusammen, stellte jedoch beim Öffnen fest, dass Enki verschwunden war. Sein Andenken hatte dieser Söldner hinterlassen.

      Mit dem Ärmel wischte er das Blut von seiner Backe.

      Du dämlicher Volltrottel!, schimpfte er in Gedanken über die eigene Unvernunft.

      Was für ein laienhafter Fehler, diesem Irren den Rücken zuzudrehen. Dabei