Anna Staub

Die bestellte Braut


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haben“, meinte er zweifelnd.

      „Nein, aber der alte Dave wird sicher noch eine Weile weiter suchen müssen. Die meisten Ärzte wollen doch nicht in den Westen. Die wollen eine saubere Stelle in einem Krankenhaus in einer großen Stadt. Vielleicht würde sich Doc Dave vorerst auch mit einer Krankenschwester als Hilfe begnügen“, gab der zweitälteste Sullivan zu bedenken.

      Einen Moment lang schauten alle verblüfft auf Josh. Der Vorschlag klang zu gut, um wahr sein zu können. Langsam und zweifelnd drehte schließlich Miss O'Brian ihren Kopf zu Charles Sullivan.

      „Halten Sie es für möglich, dass Ihr Doktor sich auf so etwas einlässt?“ Steffiney wollte sich nicht umsonst Hoffnungen machen, aber die Idee erschien irgendwie vernünftig. Und sie war momentan der einzige Lichtblick.

      „Ich halte es zumindest nicht für unmöglich. Dave ist ein netter, alter Kerl.“ Er wandte sich an seinen jüngsten Sohn. „Charlie, du wirst morgen wieder in die Stadt reiten und Doc Dave zu uns heraus bitten. Sag ihm, dass ich über etwas Geschäftliches sprechen möchte. Und nun Miss O'Brian, tun Sie uns den Gefallen und machen etwas Musik? Ich denke, das wäre jetzt genau das Richtige!“

      „Gerne!“ Mit einem breiten Lächeln nahm Steffiney auf dem Klavierhocker Platz und stimmte einen irischen Reel an. Es war eine fröhliche Melodie. Dies und die Aussicht auf eine Arbeit für Miss O'Brian besserten bei allen die Laune. Selbst Luke Sullivan konnte sich der guten Stimmung nicht entziehen und stellte zum zweiten Mal an diesem Tag fest, dass Steffiney O'Brian nicht nur Klavier spielen konnte, sondern dabei auch noch bezaubernd aussah.

      Gute Arbeit, sauber das!

      Charlie hatte sich gerade auf sein Pferd geschwungen, um sich auf den Weg nach Green Hollow zu machen, als Miss O'Brian auf die Terrasse hinaustrat. Nachdem die beiden sich zum Abschied zugewinkt hatten, machte der jüngste Sullivan sich aus dem Staub.

      Steffiney konnte sich nicht helfen, aber sie mochte Charlie jetzt schon wie einen jüngeren Bruder. Sie hatte sich am Anfang von seinen aufdringlichen Blicken zwar belästigt gefühlt, aber schnell gemerkt, dass es sich dabei nur um misslungene Flirtversuche handelte, mit denen er seine Unerfahrenheit Frauen gegenüber verstecken wollte. Er schien ein wirklich netter Kerl zu sein. Genauso wie Bill und Josh.

      Lächelnd ließ sich die junge Frau in der Sonne auf einem Schaukelstuhl nieder und schlug ihr Buch auf, das sie sich aus dem Salon besorgt hatte. Die Sullivans hatten eine überraschend gut sortierte Bibliothek und sie war schnell fündig geworden. Allerdings hatte sie noch keine zwei Seiten gelesen, als sie Schritte näher kommen hörte. Sie blickte auf und gleich darauf sah sie Josh auf die Terrasse zukommen. Eigentlich hatte Steffiney geglaubt, dass alle Sullivans draußen auf den Weiden wären oder sonst einer Arbeit nachgingen. Tagsüber schienen sich die Männer dieser Familie nie im Haus aufzuhalten. Sie standen den Arbeitern und Cowboys, die sie beschäftigten, in nichts nach.

      Als der schwarzhaarige Sullivan näher kam, sah sie allerdings den Grund seiner Rückkehr. Von seiner rechten Hand lief ein schmales Rinnsal Blut.

      „Lassen Sie sich nicht stören, Miss O'Brian, ich bin gleich wieder verschwunden!“, rief er und wollte ins Haus laufen. Doch Steffiney war bereits alarmiert aufgesprungen und ihm entgegengelaufen.

      „Was ist denn passiert?“, fragte sie besorgt und griff nach Joshs Hand, um sie fachmännisch zu begutachten.

      „Nur ein hervorstehender Nagel im Zaun. Halb so wild. Ein bisschen Jod und dann wird das schon wieder“, antwortete der junge Mann, doch Steffiney ließ nicht locker. Freundlich aber bestimmt drückte sie Josh auf die Bank neben ihrem Schaukelstuhl. „Lassen Sie mich das machen, ich kenne mich damit aus.“

      Ihr Patient wollte schon protestieren, doch Miss O'Brian war bereits an der Tür, als sie sich mit einem Augenzwinkern umdrehte. „Ich bitte Sie. Dann hat ihr Doc Dave nachher gleich etwas, um meine Fähigkeiten einzuschätzen!“

      Josh gab sich geschlagen und damit verschwand die junge Frau im Haus. Einige Augenblicke später war sie wieder da und trug eine Schüssel mit Wasser, Jod und eine Mullbinde bei sich. Während sie die Wunde gewissenhaft auswusch, versuchte Josh Konversation zu machen. Er fragte, wie ihr die Ranch gefiel, ob sie sich hätte vorstellen können hier zu leben, wenn alles anders gekommen wäre. Schließlich lenkte er das Gespräch unauffällig auf ihre Ankunft und wie sie von den Sullivans aufgenommen worden war.

      Steffiney machte vorsichtig einen letzten Knoten in den Verband und sah dann auf.

      „Ich bin Ihrem Vater wirklich dankbar. Und ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich das je wieder gutmachen kann. Er war von Anfang an so besorgt und zuvorkommend“, sagte sie lächelnd.

      „Ja, ganz im Gegensatz zu Luke. Wenn man Charlie glauben kann, hat er Ihnen einen ziemlich scheußlichen Empfang bereitet“, konterte Josh sofort.

      Steffineys Miene verfinsterte sich augenblicklich bei der Erwähnung des ältesten Sullivan. Dieser ungehobelte Klotz hatte es bis jetzt noch nicht einmal für nötig gehalten, sich bei ihr zu entschuldigen!

      „Ganz recht“, sagte sie lediglich und begann das Verbandsmaterial und den Jod wieder zusammen zu räumen. Josh dagegen schien das Thema noch nicht fallen lassen zu wollen.

      „Hören Sie, Miss O'Brian, ich kann mich nicht für meinen Bruder entschuldigen, aber Luke ist kein schlechter Kerl. Er ist der Älteste und hat schon immer auf uns Acht gegeben. Er musste immer der Vernünftige sein. Ich fürchte, diesmal hat er es mit seinem Beschützerinstinkt etwas übertrieben, aber das ging nicht gegen Sie persönlich. Er hat sich einfach gesorgt, dass Dad in seiner Gutmütigkeit irgendwas Unüberlegtes tut. Nehmen Sie sich Lukes Worte nicht zu Herzen. Ich bin mir sicher, dass es ihm längst leidtut.“ Damit zog Josh kurz seinen Hut und machte sich auf den Weg zurück.

      Etwas ärgerlich brachte Steffiney das Verbandszeug zurück ins Haus. Eigentlich mochte sie Josh, aber wieso verlangte er von ihr, dass sie Verständnis für Luke Sullivan zeigte? Er hatte es ja nicht mal für nötig gehalten, ihr das Mindestmaß an Höflichkeit entgegen zu bringen. Dass er stets auf seine Brüder aufgepasst hatte, gab ihm schließlich nicht das Recht jeden außerhalb dieser Familie schlechte Absichten zu unterstellen. Und nein, es machte ihn auch nicht sympathischer, dass er sich dermaßen um seine Familie sorgte! Überhaupt nicht! Wieso auch? Ihr konnte es sowieso egal sein!

      Charlie war kurz vor dem Mittagessen aus Green Hollow zurückgekehrt und hatte berichtet, dass Doc Dave am späten Nachmittag vorbeischauen würde.

      „Machen Sie sich keine Sorgen, Miss. Sobald er Ihr Lächeln sieht, kann er gar nicht anders als sie anstellen. Ich hab kein Wort davon gesagt, dass wir Damenbesuch haben. Der alte Dave wird ganz schön Augen machen, wenn er Sie sieht!“

      So hatte Charlie versucht, ihr Mut zu machen und ihre etwas angeschlagene Laune zu kurieren. Und Steffiney wusste seine Bemühungen durchaus zu schätzen.

      Am Nachmittag, früher als gewöhnlich, hatten sich alle Sullivan-Männer in frischen Hemden und mit gewaschenen Gesichtern im Salon eingefunden, um Doc Dave davon zu überzeugen, dass Steffiney O'Brian die Lösung für sein Assistenten-Problem war. Zu Miss O'Brians Überraschung war sogar Luke aufgetaucht. Mit verschränkten Armen lehnte er an dem Pinienholz-Schreibtisch und beobachtete die Szene mit düsterem Blick. Auf Steffiney wirkte er nicht im Geringsten, als würde ihm auch nur irgendetwas von seinen Worten leidtun.

      Als sie schließlich eine Kutsche in den Hof fahren hörten, ging Mr. Sullivan höchstpersönlich hinaus, um seinen Gast zu begrüßen. Wenige Augenblicke später kam er zurück in den Salon. An seiner Seite hatte er einen alten Mann, der aussah, als hätte er schon Noahs Familie auf der Arche gute Dienste geleistet.

      „Dave, darf ich dir unseren Gast Miss Steffiney O'Brian vorstellen? Miss O'Brian, das ist Doktor McAbberty“, stellte der Hausherr seine beiden Gäste einander vor.

      Auch wenn das kleine Männchen vor Steffiney nicht mehr der Jüngste war, so schien er doch noch äußerst agil. Seine grauen Augen musterten sie eingehend und er ließ ein breites Lächeln sehen,