Ralf Budde

Vertragsmanagement im Projektgeschäft


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      Wie bei kontinentalen Recht ist die Interpretation eindeutiger Texte untersagt. Dieser Ansatz wird allerdings in letzter Zeit immer häufiger mit dem Hinweis in Frage gestellt, dass es niemals eine absolut eindeutige Definition gibt. Um sonstige Dokumente auszuschließen, besitzen diese Verträge eine „Entire Agreement“ Klausel.

      Regel 2: Interpretation auf Basis der Absichten der Parteien

      Es wird davon ausgegangen, dass die Parteien die Vereinbarung mit guten Absichten und nicht unter Verwendung von Tricks, Geheimnissen, etc. schließen wollten.

      Die Interpretation soll ein zulässiges Ergebnis bringen, dass nicht gegen geltendes Recht verstößt

      Die Interpretation soll ein absurdes Ergebnis vermeiden

      Die Interpretation soll unnötige Härten vermeiden

      Regel 3: Interpretation von Worten

      Bei der Interpretation von Worten gilt der Grundsatz, dass die Bedeutung der fraglichen Begriffe dem üblichen Verständnis und Interpretation einer „normalen“ Person entspricht. Sofern es sich um technische Fachbegriffe handelt, wird die übliche Interpretation innerhalb dieses Industriebereiches gewählt.

      Regel 4: Der Vertrag als Ganzes wird herangezogen

      Bei der Interpretation der strittigen Aussagen wird der Vertrag als Ganzes als Grundlage verwendet.

      Regel 5: Die Interpretation berücksichtigt die Geschäftsbeziehung

      In diesem Fall werden frühere Geschäftsbeziehungen derselben oder ähnlichen Art zwischen den Parteien zu Rate gezogen. Als Grundlage dienen alte Verträge, übliche Handelspraktiken, der Vertragszweck, Marktbedingungen zum Zeitpunkt der Unterschrift, usw. Diese Regel entspricht nicht der Regel nach deutschem Recht, auch historische Dokumente zur Urteilsfindung heranzuziehen.

      Grundsätzlich gilt die Regel, dass nur der Vertrag die Absichten der Parteien beschreibt. Frühere oder sonstige Dokumente spielen dabei keine Rolle. Dieses Prinzip wird auch die "Parol Evidence Rule" genannt. Da es zum Teil Vorfälle gegeben hat, bei denen Dokumente außerhalb des Vertrages zur Urteilsfindung herangezogen wurden, ist man im Allgemeinen dazu übergegangen, einen speziellen Absatz in den Verträgen aufzunehmen, der sonstige Dokumente ausdrücklich ausschließt (Entire Agreement).

      Innerhalb der EU gibt es das Bestreben, eine Harmonisierung der Gesetzgebung herbeizuführen. In diesem Zusammenhang werden zurzeit Bestimmungen erarbeitet, die unter dem Titel „Grundregeln des europäischen Vertragsrechts der Kommission für europäisches Vertragsrecht“ ein allgemeines europäisches Privatrecht definieren. Diese Regeln lassen sich bereits heute individualvertraglich zwischen den Parteien vereinbaren.

      Der Vorschlag der Kommission zur Vertragsauslegung, ist im Artikel 5:101 „Allgemeine Auslegungsregeln“ wie folgt zusammengefasst:

      (1) Ein Vertrag wird nach dem gemeinsamen Willen der Parteien ausgelegt, auch wenn dieser nicht mit dem Wortlaut der Erklärungen übereinstimmt.

      (2) Wenn feststeht, dass eine Partei den Vertrag in einem bestimmten Sinne verstanden wissen wollte und diese Absicht der anderen Partei bei Vertragsschluss nicht entgangen sein konnte, wird der Vertrag in der dem Willen der ersten Partei entsprechenden Weise ausgelegt.

      (3) Wenn ein Wille nach Absatz (1) oder (2) nicht festgestellt werden kann, ist der Vertrag in dem Sinne auszulegen, den ihm vernünftige Personen von derselben Art wie die Parteien unter denselben Umständen geben würden.

      Diese allgemeinen Auslegungsregeln werden im Artikel 5:102 „Erhebliche Umstände“ durch weiterführende Vorgaben unterstützt, die unter anderem die Umstände, den Zweck und übliche Gebräuche berücksichtigen. Ziel dieser Interpretation ist die Identifikation des Willens der Parteien zu dem Zeitpunkt, als der Vertrag geschlossen wurde.

      Weitere Regeln zur Auslegung sind die Folgenden Vorschläge:

      Artikel 5:103: Contra Proferentem-Regel

      Wenn Zweifel über die Bedeutung einer nicht individuell ausgehandelten Vertragsbedingung bestehen, wird eine Auslegung der Bedingung zu Lasten der Partei bevorzugt, welche die Bedingung verwandt hat.

      Artikel 5:104: Vorrang von ausgehandelten Bedingungen

      Individuell ausgehandelte Bedingungen haben Vorrang vor solchen, die nicht individuell ausgehandelt worden sind.

      Artikel 5:105: Bezug auf den Vertrag als ganzen

      Bedingungen werden im Lichte des ganzen Vertrages ausgelegt, in dem sie enthalten sind.

      Artikel 5:106: Wirksamkeitsorientierte Auslegung

      Eine Auslegung, nach der die Vertragsbedingungen rechtmäßig oder wirksam sind, genießt Vorzug gegenüber einer solchen, nach der das nicht der Fall ist.

      Artikel 5:107: Abweichende Sprachfassungen

      Wird ein Vertrag in zwei oder mehr Sprachfassungen abgefasst, von denen keine als maßgeblich bezeichnet ist, so wird, falls die Fassungen voneinander abweichen, die Auslegung nach derjenigen Fassung bevorzugt, in welcher der Vertrag ursprünglich abgefasst worden war.

      Ein besonderes Problem bei der Interpretation des Vertrages erschließt sich aus Widersprüchen. Grundsätzlich gelten die folgenden Regeln, um Widersprüche in Verträgen aufzulösen:

       geschriebene Worte haben Vorrang vor Zahlen

       handschriftliche (möglichst paraphierte) Änderungen haben Vorrang vor gedruckten Texten

       Mit Schreibmaschine geschriebene Texte haben Vorrang vor gedruckten Texten

       die Interpretation wird gegen die Vertrags schreibende Partei verwendet

      Wenn sich die Widersprüche nicht lösen lassen, kann der Vertrag seine Rechtswirksamkeit verlieren. Dies kann der Fall sein, wenn z.B. der Vertragspreis einmal als Festpreis spezifiziert wurde und an anderer Stelle als Preis pro Einheit und sich später herausstellt, dass beide Preise zu einem unterschiedlichen Ergebnis kommen.

      Die Tendenz, einen Vertrag für nicht wirksam zu erklären, ist dabei in den angloamerikanischen Rechtssystemen deutlich häufiger als bei kontinentalen Rechtssystemen.

      Ein häufiger Fall bei Widersprüchen existiert im Zusammenhang mit „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ (BGB § 305 folgende). Wenn beide Parteien ihre jeweiligen AGBs zugrunde legen und diese im Widerspruch stehen, gilt nach deutschem Recht ausschließlich das Gesetzesrecht.

      Es ist allgemein üblich, weitere Dokumente wie Lieferverträge, kommerzielle Bedingungen, Incoterms (www.icc-deutschland.de, Postfach 100826, 50448 Köln) und andere Vereinbarungen mit in den Vertrag einzubeziehen. Diese zusätzlichen Dokumente werden als Vertrags Dokumente bezeichnet. Das Problem besteht meist darin, dass ähnliche oder gleiche Formulierungen und Interpretationen in diesen Vertrags-Dokumenten verwendet werden. Um Konflikte zu vermeiden, sollten alle zum Vertrag gehörenden Dokumente im Vertrag aufgelistet werden. Des Weiteren sollte eine Rangfolge dieser Dokumente spezifiziert werden, damit Konflikte aufgrund unterschiedlicher Interpretationen gelöst werden können. Zu beachten ist gerade im Zusammenhang mit angloamerikanischem Recht, dass die zuletzt in einen Vertrag eingearbeiteten Bedingungen, Vorrang vor älteren Vertrags-Dokumenten besitzen.

      Bei dem Versuch einer außergerichtlichen Einigung gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche Ansätze.

       Verfahren, die auf die Mitwirkung der Beteiligten angewiesen sind

       Verfahren,