Ralos Znarf

Zapfenstreich für Österreich


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den letzten Worten strich er mit den Fingerkuppen zärtlich über Sonjas Handrücken.

      In Sonja stieg erneut ein Lachreiz auf, den sie gerade noch unterdrücken konnte. Dadurch erweiterten sich ihre Augen und begannen zu glänzen. Das interpretierte der Kunstkritiker falsch. Er wurde mutiger:

      „Ich chabä mich glaich zu Ihnen chingezogän gäfiehlt. Sie missän wissän, die Gäliebte des Zarewitsch cheißt so wie Sie; sie cheißt ‚Sonja‘.“

      Wieder glänzten Sonjas Augen, der Russe legte nach.

      „Ich fiehlä mich wie der Zarräwitsch. Bei Ihnän spierrä ich Wärrmä, chierr in diesäm kchaltän goldenän Kchäfik.“

      Mittlerweile hatten sich in Sonjas Augen Tränen gebildet; und der Kunstkritiker war nun endgültig enflammiert! Er griff mit penetranter Zärtlichkeit nach ihrer Hand, führte sie an sein Herz und sang in intensivstem 'Belcanto'-Ton eine berührende Stelle aus dem ´Zarewitsch´:

      „Deine Lippen! Sonja! Ich liebe Dich! Ich liiiiiiiebe Dich!!“

      Das „iiiiiiie“ des zweiten „Ich liebe Dich!“ war ein hoher Spitzenton, den er, ein 'Seriöser Bass', im Falsett sang. Dabei brach aber die Stimme und ein peinlich kicksendes Krächzen drang an die Ohren der Gäste.

      Nun war es mit Sonjas Beherrschung vorbei.

      Lautes Lachen, in das auch die anderen Gäste verfielen, platzte aus ihr heraus und es schüttelte sie in einem nicht endenwollenden Krampf.

      Von wildem Zorn ergriffen sprang der Russe auf: „Ich chabä mich in Ihnän getäischt, Gnädickste!“ stieß er hasserfüllt hervor und fuhr fort: „Ich chabä Ihnän noch nicht errrzählllt, wie die Gäschichte von Zarräwitsch weitarrrgäht: err darrf Sonja nichchtt cheiratten, weill alle Wällt waiß, dasss sie 'durrrch unzääählige Chände gegangen' ist! Eine Schlammpä vom Laaand!“

      Allmählich wurde es stiller und Betroffenheit machte sich breit.

      Mit wütend erhobener Stimme hetzte er weiter: „Offenbarr chabän Sie mit diesärr ‚Sonja‘ nicht nurr den Namän gemainsam; wie mann mirr in därr franzäsischen Bottschaft erzälllt chatt, sind Sie ja ein gannz schän ibarzuckertes Frrichtchen!“ Und, für alle sichtbar, kam er ihrem Gesicht ganz nahe und machte die wohlbekannten obszönen Züngelbewegungen.

      Sonja blieb ganz ruhig. Sie nahm eine Damastserviette zur Hand und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. Dann fixierte sie ihn und sprach:

      „Ja, Sie haben recht – meine Früchte sind süß. Und ich würde niemals zulassen, dass sie von der galligen Bitterkeit Ihrer Präpotenz besudelt werden. Und auch wenn Sie von sich glauben Sie wären der 'Spalten-Zar' oder der 'Austern-Prinz', so muss ich Ihnen leider sagen, dass Sie in meinem Königreich höchstens den Rang eines glatzerten 'Klomuschel-Kadetten' innehätten!“

      Einige Damen an der Tafel - inklusive der Gastgeberin, der Frau des Botschafters - standen auf und begannen laut zu klatschen. Besonders letztere fühlte tiefe Genugtuung, hatte doch der Kulturkritiker vor acht Jahren eine abfällige Bemerkung über ihre Tochter gemacht. Auch die Zitronenmädchen, die nun Feigen für’s Dessert balancieren mussten, kicherten hemmungslos.

      Der Kulturkritiker wurde blass. Sein Atem ging schwer. Es trieb ihn plötzlich auf die Toilette. Außer sich stieß er seinen Stuhl um und wankte hinaus.

      Als er die Klomuschel erblickte, wurde ihm die Beleidigung, die er durch Sonja erfahren hatte, noch unerträglicher. Trotz heftigen Erbrechens fühlte er keine Befreiung.....schienen sich doch die am Muschelrand klebenden Austernstückchen alle in Prinzessinnen zu verwandeln, die ihn auslachten.

      Um dieses unerträgliche Bild loszuwerden, wandte er die Augen nach oben - doch der Blick fiel auf die glattpolierte Oberfläche des silbernen Spülkastens.

      Und in diesem Spiegel sah er sein blasses, zerfurchtes Altmännergesicht...gekrönt vom sich ablösenden haarigen Kunstwerk – einer Sonderanfertigung des Chefmaskenbildners am 'Chirow-Theater'. Der ovale Schlund gewährte ihm Einblick in die Tiefe seiner erbärmlichen Lächerlichkeit. Er riss sich in aufflammendem Selbsthass das Haarteil vom Kopf.

      Der unverzeihliche Makel der Kahlheit stach erbarmungslos in seine blutunterlaufenen Augen. Enthaart........ein Samson, gleichsam entmannt von einer verhurten Delilah, die in diesem Falle Sonja hieß.

      So dermaßen blamiert, könnte er sich nie wieder unter die Leute wagen.

      Und ganz langsam, während er in der Sakkotasche sein Taschenmesser umfasste, formten sich die blassen Lippen zu einem verderbenbringenden Fluch, der Sonja verfolgen sollte....... er begann einen speziell auf sie zugeschnitten Racheplan zu entwerfen - denn im Gegensatz zu Sonja, kannte er das Geheimnis ihrer Abstammung und wusste, wer sie wirklich war.

      °°°°°

      Kapitel 2

      Karl saß vor dem Computerbildschirm und erfreute sich an einem phantastischen Spiel, auf das er vor einer Woche im Netz gestoßen war.

      Es hieß 'Sexy Crush'.

      Um darin das jeweils nächste 'Level' zu erreichen, musste man an den oberen Rand einer hohen Mauer gelangen. Dort stand eine erregende Frau in verführerischem Outfit: die riesigen Brüste - die aus einer glänzenden Korsage quollen, der wohlgeformte Hintern - kaum verdeckt vom winzigen Slip, die endlos langen Beine - die in hochhackigen Stiefeln steckten, das wallende Haar, sowie das schmollmündige Gesicht......das alles stachelte den Eroberungswillen des Spielers an.

      Während der 'Conquerer' (so wurde der Spieler genannt) an der Mauer hochkletterte, warf ihm das Girl von oben Süßigkeiten zu. Das Ambiente wirkte so echt, dass sich der Spieler tatsächlich in jenem 'Space' wähnte und die sinnlichen Eindrücke wie in der Wirklichkeit spürte.

      Man musste danach trachten, möglichst große Mengen der Zuckerln und Bonbons mit dem Mund zu fangen und zu 'verzehren'. Die Illusionskraft des Designs war so eindringlich, dass sie dem Spieler ein reales Sättigungsgefühl suggerierte.

      Während des Kletterns rief das Mädchen dem Conquerer aufmunternde Sachen zu, etwa: „Wann kommst Du endlich!“ oder „Ich kann Dich kaum erwarten!“ oder „Du machst mich heiß!“........Ihre Lockrufe waren so aufgeilend und ihre Bewegungen so aufregend, dass sie die Begierde des Kletternden ins Unermessliche steigerten und die Wollust ihn seines Willens beraubte.

      Nach dem erfolgreichen Erklimmen der ersten Oberkante, dem ersten Level, begann sich das Girl zu entkleiden. Auch das war so erregend, als sei es ‚wirklich‘. Der Spieler war dann bereit, alles zu geben, um mehr zu bekommen. Allerdings löste sich die Frau nach kurzer Zeit plötzlich in Nichts auf und eine neue Mauer stand da, auf deren Oberkante eine neue Schönheit lockte.

      Mit jeder Ebene wurde die Frau freizügiger in ihren Entblößungen, allerdings auch deutlich gemeiner und fordernder während des Aufstiegs.

      Wenn es dem Spieler nicht gelang, genügend Süßigkeiten zu fangen, dann schrie ihm die Frau beim Erreichen der Mauer-Oberkante mit schriller Stimme entgegen: „Was? Dir schmecken meine Zuckerln nicht!?!“ und versetzte ihm einen Tritt, was einen schmerzhaften Sturz nach sich zog und ein 'Leben' kostete.

      Was die Conquerer auf dem höchsten Level erwartete, war nicht bekannt, da diejenigen, die es dorthin geschafft hatten, nicht mehr mit der Welt kommunizierten.

      Karl war begeistert. Er hatte die letzten Tage und beinahe die ganzen Nächte durchgespielt und befand sich bereits auf Level 199. Dies hatte ihn einiges gekostet, da er unzählige ´Leben´nachzukaufen gezwungen war; die dreihundert Euro, die er von seiner Tante Lintschi Anfang des Monats zum dreißigsten Geburtstag geschenkt bekommen hatte, waren fast aufgebraucht; sein Vermögen belief sich nun auf knapp 40 Euro.

      Aber das war ihm im Augenblick egal: nur noch e i n Level, und er befände sich ganz oben auf 200!

      Schon erschien auf der letzten Maueroberkannte die schönste Frau, die er je erblickt hatte. Sie war blond; die