Ralos Znarf

Zapfenstreich für Österreich


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'Tante' hatte eine leichte Neigung zu transpirieren, was sich beim Spielen mit den Kindern gerne bemerkbar machte. Und so vereinten sich die rundlich weichen Gerüche, die unter dem Rock hervorwallten, gemeinsam mit den würzig scharfen Düften, die dem enganliegenden Synthetik-Rollkragenpullover entströmten zu einer vereinnahmenden Geruchsglocke, die dem kleinen Karli die ersten Erektionen bescherte, derer er sich erinnern konnte.

      Dass diese in seinem Gedächtnis so gut abgespeichert waren, verdankt sich allerdings weniger der Erinnerung an das infantile Begehren, als vielmehr der Tatsache, dass letzteres stets mit einem äußerst unangenehmen Nebeneffekt einherzugehen pflegte: die rotlackierten Zehennägel, die unter der schwarzen Nylonschicht hervorschimmerten....das spitz-schweißige Pulsieren unter der Synthetik-Faser…die rundlichen Formen, die sich im Schatten des Rockes in einem verlockenden Sumpf verloren......all das provozierte im Zusammenwirken mit seiner Erektion eine Art Rückstoß - und seinem rektalen Bereich entwich ein feuchter Wind, dessen übelriechende Partikel Karls Unterhose nässend beschmutzten und dafür sorgten, dass die anderen Kinder sich angewidert von ihm abwandten.

      Nachdem dies öfters vorgekommen war, wurden Karls Eltern in den Kindergarten gebeten, wo das „Verdauungsproblem“ in seiner Anwesenheit besprochen wurde. Dabei zeigte sich die 'Tante' besonders liebevoll, was ihre Geruchsentladung noch steigerte und Karli abermals einen nassen Rückstoß bescherte.

      Sein Vater, der sich für den Sohn in unübersehbarer Weise schämte, versuchte die Peinlichkeit durch einen Witz auf Karls Kosten zu applanieren, indem er mit komischem Gestus die Nase zuhielt und näselnd sagte: „Falsche Freunde stempeln seinen Weg.“

      Diese Eigenheit Karls sollte sich während der Kindheit weiter manifestieren und verging auch nicht nach der Pubertät. Sämtliche Anstürme weiblicher Reize, die ihn in der wirklichen Welt überrollten (Gerüche, Anblicke, Wortkombinationen, sowie ein entsprechender Tonfall), waren untrennbar mit der Unkontrollierbarkeit des Schließmuskels verbunden.

      Dies war umso bedauerlicher, da Karl über ein geradezu manisches Sensorium bezüglich erotischer Potentiale verfügte: es drängte ihn, jeder Frau unter den Rock zu schauen, die Beschaffenheit Ihrer Wäsche zu ergründen und die Geheimnisse ihrer Wölbungen und Vertiefungen zu erörtern.

      Sein Sehnen nach Frauen und sein Trachten nach ihrer Hingabe war so intensiv, dass er gar nicht anders konnte, als sich in schutzloser Durchlässigkeit der Welt zu stellen.

      Die Live-Chats während der Brainstorming-Phase bezüglich des Staubsaugerprojektes, hatten ihn wieder regelmäßig mit seinem 'Problem' konfrontiert; und das Projekt selbst bescherte ihm keine Befreiung hin in die finanzielle Selbständigkeit. Es bestand nicht die geringste Nachfrage nach hochpreisigen Leih-Staubsaugern und die Geräte wurden im Keller des elterlichen Hauses ohne weiteren Plan zwischengelagert.

      War diese Geschäftsidee Karls verlustbringend, so erwies sich die nächste als geradezu ruinös.

      Es ging dabei um den Vertrieb eines portablen Vulkanisierungs-Systems für platte Autoreifen. Das Produkt stammte aus Indien.

      Diesmal bereitete er sich besser vor; das Feedback auf seine Website und die Werbung im Internet bestätigten Karls Vermutung eines großen Bedarfs. Dies überzeugte auch die Eltern, neuerlich in seine Geschäftsidee zu investieren.

      Tatsächlich gestaltete sich der Absatz vielversprechend.

      Allerdings ließ der Tiefschlag nicht lange auf sich warten: beim Gebrauch der batteriebetriebenen Pumpe, die das Gummi-Kunststoff-Gemisch aus biologisch unbedenklichen Harzen und Ölen ins Reifeninnere pressen sollte, verstopfte sich jedes Mal das Ventil, die extrem klebrige Masse gelangte auf die teuren Leichtmetallfelgen der Anwender, von wo sie nur durch den Einsatz extrem giftiger Chemikalien entfernt werden konnte – und sie verteilte sich auch mit erschütternder Verlässlichkeit auf die sensiblen Bremsscheiben, die nun nicht mehr ihrer Aufgabe gewachsen waren. Kostspielige Schadenersatzforderungen der mühsam zusammengekeilten Kunden waren die ebenso traurige Folge, wie horrende Prozess- und Anwaltskosten - sowie Haftpflichten nach Unfällen, die die unbremsbaren Autos verursacht hatten.

      Karls Eltern waren veranlasst gewesen, die großelterliche Altbauwohnung im Stadtzentrum zu verkaufen, deren beträchtliche Mieteinnahmen ein wesentliches Standbein ihres Budgets dargestellt hatten.

      Karls Mutter war der Notverkauf vor den Leuten äußerst peinlich und ihre chronische Niedergeschlagenheit hatte eine neue Stufe erreicht. Karls Taschengeld wurde um ein Drittel reduziert und die Suche seiner Mutter nach was 'G‘scheitem' für den Buben intensiviert.

      Nun sprach sie also am Telefon: „ Weißt Du, die Inge hat mir so ins Gewissen geredet: Du musst jetzt Verantwortung übernehmen! Bitte mach das! Du würdest mir so eine große Freude machen! Weißt Du, ich muss so viel weinen…“ – sie begann jetzt tatsächlich zu schluchzen – „jedes Mal vor dem Einschlafen....der Papa ist dann immer ganz bös....aber ich kann nicht anders. Ich lieg auch immer ganz lange wach…gestern hat mich die Friseurin gefragt ob ich krank bin, weil ich auf einmal so viele Falten hab‘… und der Papa sagt, wir sollen Dir den Geldhahn völlig zudrehen, aber das kann ich nicht… verstehst Du mich Karli?... dafür hab ich Dich viel zu lieb… bitte lass mich nicht hängen! Und bitte lass auch Dich nicht so hängen! Ich meine, wie sollst Du denn sonst einmal eine Familie ernähren.....ich hab' übrigens vorgestern die Karin getroffen, weißt eh, die Tochter von der Pipsi Hübelberg, die mit mir in der Schule war....also die ist so ein blitzg‘scheites Mädl. Die hat ihr Jusstudium vor drei Jahren fertiggemacht, BWL hat’s auch studiert.....und die hat jetzt einen unglaublich gut bezahlten Job in Brüssel… irgendwas in der Finanzkommission… die soll schauen, dass die Ausgaben von den Staaten weniger werden… halt irgend sowas… und da hab‘ ich mir gedacht, das wär eine Frau für Dich! Die ist zielstrebig und das würde dann auch auf Dich abfärben, das weiß ich genau…“.

      Um derartige mütterliche Anrufungen zu ertragen und zu überstehen, hatte Karl in den Jahren seines Heranwachsens eine Haltung der Durchlässigkeit kultiviert. Es lag außerhalb seiner charakterlichen Möglichkeiten zu widersprechen.....die elterlichen Töne und Wunschvorstellungen zwangen ihn nicht zur Opposition.....ihm drängten sich keine Gegenreden auf, etwa, dass er ein Recht auf Selbstbestimmung habe – was ja auch seiner finanziellen Abhängigkeit und der gescheiterten Geschäftsideen wegen schwer zu argumentieren gewesen wäre. Vielmehr hatte er sich einer Strategie anheim gegeben, die daraus bestand, in derartigen Situationen zu einer Entspanntheit zu finden, die sogar außerhalb der Vorstellungskraft der fortgeschrittensten Yoga-Meister lag: die destruktive Energie, die von außen auf ihn eindrang, verfing sich in keiner Faser seines Bewusstseins oder auch Unterbewusstseins, sondern floss ungehindert weiter in irgendeinen imaginären Boden, wo sie wohl irgendwelche arme Seelen drangsalierte, die, zur Buße verdammt, dort jämmerlich vegetierten.

      Allerdings hatte diese Strategie auch ihren Preis: während die Leidensgeschosse der Mutter durch den Gehörgang auf ihn einprasselten und er in meditativem Gleichmut verharrte, verstärkte sich seine Bereitschaft, jegliche Angriffe - seitens der Eltern oder des Schicksals im Allgemeinen - schlichtweg zu ignorieren und eventuelle Zusammenhänge zwischen der Unbill des Lebens und einem Fehlverhalten s e i n e r Person völlig auszublenden. Gerade in den letzten sechs bis sieben Jahren hatte er, unterbrochen nur von den Verwirklichungsphasen seiner halbgaren Geschäftsideen, sich zunehmend in das Schneckenhaus der virtuellen Welten zurückgezogen, in deren Regeln und Gesetzen er das Gefüge einer wahren Heimat fand. Neuerdings faszinierte ihn der Gedanke eines völligen Aufgehens im Cyberspace immer mehr....eines Lebens in der Matrix.....der Möglichkeit eines Schlafzustandes, eines Heruntergefahrenseins der realen körperlichen Funktionen.....des nahezu ausschließlichen Existierens im Traum, wie man es aus Hollywood-Blockbustern kennt.

      Vor allem aber war er im Cyber-Space nicht den rektalen Rückstößen ausgesetzt; erotische Reize brachten sein Gedärm dort ebenso wenig zum Revoltieren, wie in der bloßen Vorstellung.

      Und so wollte er, kaum dass das Telefonat mit der Mutter beendet war, sich sofort daran machen, endlich das ersehnte Level 200 zu erklimmen.

      Es kribbelte in ihm und eine verheißungsvolle Erregung drang durch sämtliche Leitwege des Körpers und Geistes vor, bis in die entferntesten