Ralos Znarf

Zapfenstreich für Österreich


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sehr bei ihm vermissten. Der Pulsschlag stieg, doch gerade als er das Feld 'Weiterspielen' anklicken wollte, läutete abermals das Handy.

      In der Absicht den Anruf wegzudrücken, spielten ihm die Finger aber einen Streich - welch seltsame Fügung des Schicksals! - die Verbindung ward hergestellt… und eine weibliche Stimme drang dünn aus dem Fernsprechgerät:

      „Hallo? Ist dort jemand? Können Sie mich hören? Hallo…?“

      Diese Stimme…! Ihre Schwingung umfing ihn geisterhaft, ein anschmiegsames Futteral, ein williges Klanggefäß, in das sein erregtes Sehnen nun schmachtend strebte.

      Karl hob das Handy ans Ohr und sagte erwartungsfroh: „Ja bitte?“

      Glucksend tönte es retour: „Ja Gott sei Dank hab‘ ich Sie erwischt! Hier Kfz-Werkstatt Huber!“

      Sofort formte sich vor Karls innerem Auge das zur Stimme gehörige Bild und er sah die begehrenswerte Büroangestellte jener Autowerkstatt vor sich, die er damit beauftragte hatte, den Kühler seines VW Golf auszuwechseln.

      Er musste dies aus folgendem Grunde machen lassen: seine schon erwähnten Freunde Bertl und Sebastian, hatten ihm zum dreißigsten Geburtstag die Gallionsfigur eines Rolls Royce geschenkt. Die Statuette war gegenüber dem Original allerdings leicht modifiziert: die Flügelgestalt verfügte über Riesenbrüste, und zwar in einer Deutlichkeit, dass dieser Umstand auch dem unkundigen Auge sofort entgegensprang. Die drei jungen Männer hatten sich daran gemacht, das silbrige Teil auf der Motorhaube des VW Golf zu montieren. Allerdings unterließen sie es dabei, die lange Schraube, die die Kunstfigur mit der Motorhaube verband und die auf der Unterseite derselben mehrere Zentimeter weit hervorragte, mangels einer Eisensäge zu kürzen; als Karl die Motorhaube mit sattem Schwung schloss, bohrte sich die überlange Schraube in die schmale Oberseite des rostigen Kühlers. Durch das so entstandene Loch strebte das Kühlwasser nun nach außen und die Suche nach einem leistbaren Ersatzkühler begann.

      Für Karls Selbstempfinden war es unerlässlich, über ein intaktes Fahrzeug zu verfügen. Er war ein hervorragender Autofahrer und verfügte dabei über eine Souveränität, wie sie ihm in sämtlichen anderen Bereichen des Lebens verwehrt war. Vor zehn Jahren hatte er mit dem Auto halb Europa bereist. In eigenbrötlerischer Manier mied er keine Schotterstraße.....die steilsten Anstiege waren kein Hindernis....er campierte wild....und die so gelebte Naturverbundenheit bescherte ihm Erfahrungen jenseits der Interventionswut der Mutter und der Herablässigkeit des Vaters.

      Allerdings war er von deren finanziellen Zuwendungen abhängig; es fehlte ihm an Energie und Entschlossenheit, um unterwegs irgendwelche Gelegenheitsjobs anzunehmen, die ein Leben als unabhängiger Globetrotter ermöglicht hätten.

      Und so war ihm nichts anderes übriggeblieben, als immer wieder in die Sphäre der Rechtsfertigungs-Zwänge zurückzukehren. Irgendwann hatten die Eltern dann eine Art Reiseverbot ausgesprochen, in der Hoffnung, er würde - seiner Fluchtmöglichkeiten beraubt - mit einer sinnvollen Ausbildung anfangen, was sich ja, wie wir bereits wissen, als Trugschluss erwies.

      Aber vom geliebten VW Golf wollte er dennoch nicht lassen und so begann die Suche nach einem Ersatzkühler.

      Doch woher die nötigen Mittel nehmen? Weder wollte er sich an Tante Lintschi wenden (diese war übrigens die kleine Schwester des verstorbenen Fleischkonserven-Großvaters und somit eigentlich Karls Großtante), noch an die Eltern; die Aussicht auf das Wehklagen der Mutter hatte eine ebenso abschreckende Wirkung, wie die zu erwartenden Boshaftigkeiten des Vaters in gereimter Form, etwa:

      Legt Karli Hand an seinen Wagen - so geht’s dem Kühler an den Kragen!

      Oder :

      Schnell, legt um den Kühler ‘ne Manschette/

      Schaut er tropft, wie sonst nur Karls Rosette.

      Auch Bertl und Sebastian konnten nicht helfen. Beide hatten ihre Mittel bereits in eine eigene Geschäftsidee investiert: im Keller des ehemaligen Lebensgefährten von Bertls Mutter, hatten sie mit viel Akribie und Know-how begonnen, eine Plantage zur Zucht von ´StiffyDicki´ anzulegen. Dies versprach hohe Gewinne und Karl verdross es erheblich, dass er kein Geld hatte auftreiben können, um bei diesem Projekt miteinzusteigen.

      Als letzte Möglichkeit war ihm nur Onkel Georg, ein wohlhabender Orthopäde, der Bruder seines Vaters, geblieben. Dieser zeigte sich sofort hilfsbereit: er stellte das Geld sowohl für das Ersatzteil als auch den Einbau zur Verfügung. Allerdings erinnerte er Karl mit großer Eindringlichkeit an einen Deal, der zwischen ihnen bestand:

      Der Onkel war ein lebensfroher Mensch, der sich spezielle Schlupflöcher in seiner kinderlosen Ehe offenhielt; besonderes Vergnügen bereitete es ihm, mit seinen Eroberungen ins Autokino zu fahren. Da sein eigener Wagen, ein top ausgestatteter 'Jaguar' zu auffällig war, lieh er sich zu diesem Zwecke gerne Karls 'Golf'. Die Verschwiegenheit des Neffen war ihm durchaus etwas wert und so fing er auf diese Weise gleich zwei Fliegen mit einer Klatsche; einerseits blieb sein Inkognito im Autokino gewahrt - andererseits konnte er so dem bedrängten Neffen, den er übrigens sehr gerne mochte, aus der ärgsten Not helfen.

      Onkel Georg war es auch, der Karl die Kfz-Werkstatt Huber empfohlen hatte. Der Besitzer, Herr Huber, war ein Patient von ihm. Dieser sei beim Preis äußerst entgegenkommend, da er solche Sachen in hilfsbereiter Weise gerne ´schwarz´ mache.

      Die begehrenswerte Büroangestellte fuhr fort: „Bitte, Sie müssen unbedingt kommen!“

      Karl glaubte einen geheimniskrämerischen Unterton herauszuhören: „Ja, äh, ist das Auto schon fertig?“ fragte er gehemmt.

      „Bitte kommen Sie schnell. Es ist nur in Ihrem Interesse!“ lautete die kryptische Antwort.

      Sein Interesse? Was meinte sie wohl? Ein frivoler Wunschtraum ließ ihn reflexartig den Schließmuskel anspannen. Die Luft im Zimmer geriet in eigenartige Bewegung und aus den Wirbeln formte sich die dreidimensionale Erscheinung der verlockenden Anruferin: eine falsche Blondine, Minirock, schwarze Strumpfhose, schwarze hochhackige Stiefeletten aus Wildlederimitat. Rosarote Bluse aus Kunstseide. Der frischschweißige Geruch der von ihr ausging legte die Vermutung nahe, dass auch der spitzenbesetzte (schwarze) PushUp-BH, sowie das unter dem Rock sich abzeichnende Tangahöschen aus Kunststoff waren. Diese individuelle Körperausdünstung in Kombination mit BIPA-Parfum, sowie der etwas dick aufgetragene blaue Lidschatten komplettierten den Liebreiz dieser Frauensperson.

      „Ja Fräulein…äh…also ich soll kommen?“ stammelte er.

      „Ja bitte, kommen Sie sofort!“

      War da wirklich ein schlüpfriger Unterton, ein unanständiges Schmunzeln in ihrer Stimme wahrnehmbar?

      Er nahm alle ihm zur Verfügung stehende Eloquenz zusammen und flüsterte mit trockener Kehle: „Ihr Wunsch ist mir Befehl, Fräulein.“

      Sie kicherte zunächst unverschämt und sagte dann: „Mmmh, was für ein Kavalier. Bis daaann!“

      Ihrer Stimme eignete etwas Anschmiegsames, zart Schmeichlerisches. Von derselben Sanftheit, wie prall und cremig auf das Frühstücksbrot geschmierte ´Nutella´.

      Gerade schaffte es Karl noch aufs Klo, wo er sich bebenden Gemüts und stechenden Gedärms von den Folgen seiner Erregung befreite. Die Provokation des langgezogenen „a“ („bis daaann!“) hallte im Gehörgang nach - eine verführende Sirene. Doch verfügte er über keine List, sich deren Locken zu entziehen. Seine Lebens-Irrfahrt spülte ihn wieder und wieder in die gefährlichsten Zonen....die wohlgeformten Bäuche der bunten Stuten bargen versteckte Gefahren.....hielten ihn fern vom Gestade der heimatlichen Einkehr.....eine Barrikade aus weißem Fleisch und verschlungenen Aromen; stets ward er zurückgeworfen aufs offene Meer, wo der feindliche Ansturm die Segel blähte…eine Blähung, die im günstigsten Falle ins endliche Weiß der Klomuschel mündete, wo sich die magischen Töne der Sirenen im Echo von Karls furzender Kakophonie entzauberten.

      Die salzigen Rückstände in Karls Gesicht hatten ihren Ursprung nicht in der Gischt des Ägäischen Meeres, sondern waren Zeugnis der Tränen, welche die Explosionen seines Unterleibes zum Fließen gebracht hatten.

      Die