Ralos Znarf

Zapfenstreich für Österreich


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nach dem Frl. von Mötzendorff missinterpretierte und daraufhin ihren teuflischen Oberarmzwicker zum Einsatz brachte. Seinen Schmerzensschrei tarnte der Hofrat nun als zustimmendes Lachen. Um der Situation eine mögliche Schärfe zu nehmen, bot er dem verdutzten Banker eine 'herrliche Winston' an, was dieser jedoch schroff ablehnte. Erst als der Konsul ihm jovial die Hand auf die Schultern legte und sagte:

      „Gehn'S, machen Sie mir doch die Freude und rauchen wir eine zusammen!" fand er wieder zu seiner Souveränität. Als dann der Konsul sein Feuerzeug nicht fand, reichte ihm der Banker jenes, das ihm vorhin der Hofrat überlassen hatte.

      Der Konsul sagte: „Na, da erkennt man halt den Mann von Welt; für jede Situation gerüstet!"

      Und der Banker antwortete: „So bin ich halt!" und steckte das Feuerzeug selbstgefällig in seine Hosentasche zurück. Der Hofrat grinste und seine Gattin versäuerte noch mehr.

      Jetzt trat die Gemahlin des Bankers hinzu. Sie war eine aufgeschwemmte Person mit strengen Gesichtszügen und klaren Meinungen. Insgeheim verachtete sie ihren Mann, da sie fand, dass er sich aus reiner Konfliktscheu mit viel zu geringen Bonuszahlungen abspeisen ließ.

      Einst hatte sie den Plan eines Lehramtsstudiums aufgegeben, um ihn mit karrierefördernden Maßnahmen zu unterstützen; oder besser gesagt, um genügend Zeit zu haben, ihn unter Druck zu setzen.

      Schon in den ersten Jahren ihrer Ehe hatte es nur dann Sex gegeben, nachdem ein genauer Plan an karrieredienlichen Vorgehensweisen für den nächsten Tag durchbesprochen war. Er musste dann genau wiederholen, wen er am nächsten Tag anzurufen, wen er wann aufzusuchen hätte, was dann mit den jeweiligen Personen zu besprechen sei und mit welchen konstruktiven Vorschlägen er sich durchzusetzen hätte. Erst nach bestandenem Examen durfte er sie dann von hinten nehmen. Dies duldete sie mit leisem Lustanflug, da sie sich gut in die Vorstellung hineinsteigern konnte, das schnell überlaufende Glied ihres Mannes sei das goldene Landes-Szepter Erzherzog Johann's.

      Bei all ihren Erwägungen ging es ihr nicht nur um Geld; primär gelüstete es sie nach Status. Bereits auf den Sandspielplätzen ihrer Kinderjahre schenkte sie denjenigen Buben die meiste Aufmerksamkeit, die die größte Sandburg bauten. Diese stachelte sie dann an, die bescheideneren Bauwerke der anderen Buben zu zerstören. Schon damals konnte sie feststellen, wie widerspruchslos ihr gehorcht wurde.

      Sie war in ihrem tiefsten Inneren davon überzeugt, etwas 'Besseres' zu sein. Zwar stammte sie aus bescheidenen Verhältnissen - ihr Vater war ein rangniedriger Unteroffizier in einer kleinen Kaserne außerhalb von Graz gewesen - doch durch das Einheiraten in eine der angesehensten Familien der Stadt, die noch dazu aristokratisches Blut in den Adern fließen hatte, hob sie sich nun deutlich vom Mittelmaß ab.

      Schon bei der Eheanbahnung hatte sie Geschick und Weitblick bewiesen: bei ihrem 'Maturaball' hatte der hochangesehene Rechtsexperte und Universitätsprofessor, der Vater ihres nunmehrigen Gatten, die Ehrenpatronanz inne. Dessen Vergangenheit war bemerkenswert: als praktizierender Katholik war er dennoch Mitglied der NSDAP gewesen; und zwar „um die Agenden der Kirche in der Partei wahrzunehmen", wie er später beteuerte. Dieser angegraute Mann war durch die vereinnehmende Art der reschen Maturantin sehr beeindruckt, als sie bei der 'Damenwahl' i h n zum Tanz aufforderte. Zielgerichtet setzte sie die Reibekräfte ihrer Oberschenkel ein und der Jurist nahm wenige Stunden später, gut versteckt in einer Kellertoilette des Grazer Kongresshauses, seine ganz persönlichen Agenden in ihrem Schoße wahr.

      Zwei Monate später begann ihm die kalte Geilheit des Mädchens unheimlich zu werden und er wollte die Affaire beenden. Da offenbarte sie ihm, dass sie schwanger sei und alles publik machen werde.

      Als er daraufhin verstörte Sätze stammelte, wie etwa: „Das kannst Du doch nicht tun!" oder „Willst Du mich ruinieren!?!" schlug sie ihm vor, sie doch mit seinem jüngeren Sohn, dem angehenden Banker, zu verheiraten. Da gäbe es dann auch keine Irritationen wegen etwaiger Ähnlichkeiten des Kindes mit ihm.

      Nach einer kurzen Überlegungsfrist schien ihm diese Lösung eigentlich sehr vernünftig. Geschickt wurde eine Begegnung zwischen ihr und dem Sohn herbeigeführt und fünf Monate später 'mussten' sie heiraten.

      Als das Kind dann zur Welt kam, stellte sich heraus, dass es schwerst behindert war.

      Es verbrachte seine wenigen Lebensjahre unbesucht auf einer Intensivstation, ehe es leise und unbeachtet starb. Ihr Mann hatte von der tatsächlichen Vaterschaft nie etwas erfahren; die Ehe blieb in weiterer Folge kinderlos.

      Aber - ihr Herz hatte auch eine ganz weiche Seite: bei Puccini's 'Turandot' konnte sie weinen, bei Verdi's 'Traviata' war sie erregt; und bei Bizet's 'Carmen' war sie irgendwann überzeugt, sie selbst hätte die Oper komponiert.

      Eine beliebte Masturbations-Phantasie von ihr bestand in der Vorstellung, dass ein junger, schöner, dunkelgelockter Tenor mit ihr auf einem Schimmel nach Schloss 'Neuschwanstein' reite, und sie dort in der 'Venusgrotte' Ludwig's II. befriedige.

      Sie hasste Sopranistinnen.

      Und sie spürte sofort Sonjas sopranistische Strahlkraft.

      Und eben das erkannte augenblicklich der schalkhaft illuminierte Konsul.

      Um ihrem Neidanflug den Wind aus den Segeln zu nehmen, nahm er mit der Grandezza eines Maria-Theresianischen Zeremonienmeisters ihre Hand und küsste sie mit überfeuchten Lippen. Diese leicht übergriffige Ehrenbezeugung des steinreichen und auch attraktiven Society-Stars, schmeichelte ihrer Eitelkeit und für einen kurzen Moment hielt sie sich für die Schönste im ganzen Land. Doch kurz nach Aufblitzen dieses Gedankens verfinsterte sich ihr Gemüt - und gestützt auf die eisige Schicht des Zwerchfells kamen ihr nur kalte Töne über die Lippen.

      „Ich wollte mich noch persönlich bei Ihnen für die Einladung bedanken", begann sie mit klirrender Bestimmtheit.

      „Aber bitte, keine Ursache", erwiderte der Gastgeber. „Wie gefällt's Ihnen denn?"

      Sie antwortete: „Also ich bin wirklich sehr beeindruckt. Gleich ins Auge gestochen ist mir das Bild 'Die Königin der Tiere bei der Arbeit'."

      Dieses Bild, 'Die Königin der Tiere bei der Arbeit', zeigte einen Gnu-Bullen, der mit dem Rücken auf dem Savannenboden liegt, während auf ihm rittlings ein ausgewachsenes Löwenweibchen sitzt und ihn beschläft. Die Augen beider Tiere strahlen einvernehmliches Glück aus.

      Der Maler des Bildes war ein Südafrikaner namens Mbuti Ruandesi. Dieser hatte in Wien studiert, war inspiriert von den alten flämischen Meistern (was sich in seiner soliden Technik zeigte) und bezeichnete sich als Vertreter des 'Naiven Symbolismus'. Sein Bild 'Die Königin der Tiere bei der Arbeit' sollte seine Freude über die Überwindung der Apartheid ausdrücken und die Möglichkeiten reflektieren, die sich nun dieser neuen Gesellschaft böten.

      „Dieses Bild zeigt" so fuhr die Bankiersfrau fort, „dieses Bild zeigt deutlich, dass in jedem Liebesakt ein Tötungswille steckt. Das stärkere Wesen unterwirft die Schwachen. Dieses Bild mag zwar nach heutigen Kriterien nicht ganz politisch korrekt sein, zeigt aber die Welt wie sie halt nun einmal ist."

      „Das ist ja hochinteressant, was Sie sagen", meinte der Gastgeber. „Und das Bild daneben, was ist Ihr Eindruck warum das dort hängt?"

      Dieses Bild daneben war eine übermalte Fotographie. Es zeigte ein etwa sieben Jahre altes afro-amerikanisches Mädchen, das mit einer leeren blechernen Suppenschüssel und hungrigen Augen vor den geschlossenen Toren einer stillgelegten Autofabrik in Detroit steht. Die obere Bildhälfte war von einer stark vergrößerten Dollarnote eingenommen und, wie von einer Lupe noch einmal vergrößert, konnte man deutlich den Schriftzug 'In God we trust' lesen. Dieses Bild hatte den ironischen Titel 'Thanksgiving' und stammte von der US-Amerikanischen Künstlerin Wynona Sandler, die für ihre Bearbeitung von Pressefotos berühmt war.

      „Ja also dieses Bild das hat ja mit dem anderen gar nichts zu tun", gab die Bankersfrau zurück. „Aber dieses Bild ist sehr originell; es sagt, dass man rechtzeitig zu sparen anfangen muss, dann wird der Liebe Gott Dir helfen.“

      „Gnädige Frau" sagte der Gastgeber, „ich staune über Ihren Blick auf die Welt. Ich sollte Sie öfters um Ihre Meinung fragen."

      Sonja,