Ralos Znarf

Zapfenstreich für Österreich


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verirrt und während der letzten Worte des Taxifahrers auf dessen rechte Wange gesetzt. Da sich die Biene in seinem toten Winkel befand, erkannte er nicht um welche Art von Insekt es sich handelte; er dachte es sei eine Gelse. Und mit dem überdrüssigen Gestus eines GI in Vietnam holte er zum Schlag aus.

      Sonja rief: „Nein, nicht!"

      Doch er antwortete cool: „Nur net wehleidig sein, Lady!" und schlug zu.

      Der Bienenstachel drang tief in seine Wange, direkt unter dem rechten Backenknochen.

      Er jaulte auf: „Au Scheiße! Nein! Scheiße! Scheiß Biene! Au! Au!" Und wimmerte erbärmlich.

      Zum Glück hatte sich der Vorfall ereignet, als der Wagen im Stau stillstand. Da das Fahrtziel auch schon fast erreicht und Sonja des Taxifahrers nun endgültig leid war, reichte sie ihm genau die 14 €, die der Taxameter anzeigte und sagte aussteigend:

      „Nur net wehleidig sein!"

      Der BWL-Student glotzte wortlos zurück, dann betrachtete er sein Gesicht im Spiegel und betastete die riesige Beule, die sich rapide im Gesicht bildete.

      Sonja wandte sich ihm noch einmal zu und sagte zum Abschied:

      „Na, wie die Mutter Theresa schaun'S ja zum Glück wirklich nicht aus; wohl schon eher wie der Elefantenmensch!"

      Dann schritt sie von dannen.

      Die Ausstellung hatte den Titel 'Kunst–Brücke'.

      Die Werke bedeutender Barockmaler fanden sich unmittelbar neben provokanten Installationen zeitgenössischer Künstler; zarte Aquarelle des späten 19.Jahrhunderts neben repräsentativen Objekten der 'Konzeptkunst'; und ein raffiniert labyrinthisches Spiegelkabinett setzte sich mit der „Zurückgeworfenheit des Individuums auf die unvermeidlichen 'Letzten Fragen' " auseinander.

      Mit professioneller Distanziertheit erfüllte Sonja ihre gesellschaftlichen Pflichten. So war es ihr auch möglich, die schamlosen Blicke der zahlreichen Kunstfreunde zu ignorieren, die an ihr klebten, als wäre sie eine Erscheinung.

      Der sinnesfreudige Literaturblogger Guy de Maulprassant hätte ihr wohl folgende Zeilen gewidmet:

      Seidenknistern ziert die weiche Pracht

      Die schon so oft durch meinen Traum gewandelt.

      Ihr sternenklarer Blick erhellt die Nacht

      Und weist den Weg mir zur Erfüllung -

      Oh Venus, weißer Schaum, von der mein Loblied handelt.

      Tauchst durch tiefe Meere Du

      Dort wo kaum mehr Licht sich bricht

      Strebst doch stets dem Hellen zu

      Haltlos Dich der Welt zu schenken

      Auf bunter Blüten weicher Schicht.

      Wenn dann der Schlaf Dein Auge schließt

      Und Bilder nur das H e r z noch malt

      Wenn B a u c h und B r u s t den Liebsten kiest

      Ein Buch, aus dem die Ahnung liest,

      Dann findest drüben Du den Halt

      Sodass der Traumgott ewig prahlt!

      Gleich in der Nähe der Catering-Tafel erblickte sie ihren Chef, Herrn Hofrat Weisungsknecht. Vom Scheitel bis zur Sohle ein Diplomat altösterreichischer Schule, war er stets bemüht, mögliche Konflikte durch charmante Konzilianz schon im Keime zu ersticken.

      Er befand sich im Gespräch mit einem teuer gekleideten, weißhaarigen Mann seines Alters. Dessen edler Zweireiher kaschierte elegant den gewaltigen Bauch.

      Sobald der Hofrat Sonja erblickte, winkte er sie pflichteifrig herbei und stellte die beiden einander vor. Bei dem Herren handelte es sich um ein Vorstandsmitglied jener Bank, die zu einem Drittel die Ausstellung mitfinanzierte. Es ging dabei um einen beachtlichen Betrag; allein die Versicherungskosten für die Artefakte gingen in die Hunderttausende. Ebendies erfuhr Sonja vom Bankier in einer kurzen Vorstellungsreplik. Er bediente sich dabei eines beiläufigen Understatement-Tons, der ihn gleich noch wichtiger erscheinen ließ.

      Hofrat Weisungsknecht war um gehaltvollen Smalltalk bemüht. Wie immer, wenn er mit jemand Wichtigem sprach, so sparte er auch heute gegenüber diesem nicht mit Komplimenten und der Bereitschaft, ihm in allem recht zu geben.

      Anwesend war übrigens auch seine Frau. Diese, eine höchst distinguierte Dame, konnte nur schwer ihre angesäuerte Verfassung verbergen, die wegen der Beflissenheit ihres Mannes, die sich im Laufe der Jahrzehnte als dessen grundlegende Charaktereigenschaft herausgeschält hatte, bereits in ein chronisches Stadium übergegangen war. Des Weiteren hegte sie Zweifel an der Treue des Gatten.

      Diese beiden Gegebenheiten prägten im Wesentlichen die Einstellung und somit auch den Grundton, mit dem sie, eine an sich kluge und in ihrer Eleganz auch durchaus attraktive Frau, ihrem Mann begegnete.

      Ihre Angesäuertheit äußerte sich bei gesellschaftlichen Anlässen in einem stummen und unbeteiligten Danebenstehen. Allerdings verfügte sie über die Angewohnheit, ihrem Mann, wenn sie durch dessen Verhaltensweisen besonders enerviert war - völlig unbemerkbar für die Umstehenden - einen schmerzhaften Tritt ins Schienbein, einen boshaften Zwicker in den Oberarm oder einen gemeinen Rempler in die Rippen zu versetzen. Wenn seine Gemahlin anwesend war, konnte man also beim Hofrat nicht selten ein leichtes Humpeln oder eine schmerzverkrümmte Körperhaltung bemerken.

      Dass sie heute überhaupt mitgekommen war - sie hasste derartige Veranstaltungen, die ihrem Mann immer die peinlichsten Verhaltensweisen entlockten - ist auf die bereits erwähnten Zweifel an der Treue desselben zurückzuführen, die eigentlich mehr schon der Überzeugung von seiner Untreue entsprachen. Ihre Verdächtigungen bezogen sich dabei in keinster Weise auf Sonja, die sie wegen ihrer 'offenen Art' und dem nicht Vorhandensein einer wie auch immer zutage tretenden 'Anlassigkeit' respektierte und mochte; vielmehr nährte sie ihre Gewissheit aus einer Aversion, die sie gegenüber einer anderen Mitarbeiterin ihres Mannes hegte; dabei handelte es sich um das Fräulein von Mötzendorff, der Ururenkelin eines berühmten Generals.

      Der Gastgeber dieser Veranstaltung, jener millionenschwere Kunstsammler, wurde von aller Welt als 'Herr Konsul' angesprochen; ein großzügiger Mann, der sich über die kleinkarierten Trends der Gegenwart hinwegsetzte - deswegen war bei dieser Ausstellung auch das Rauchen erlaubt.

      Der Bankier hatte damit nicht gerechnet und keine Zigaretten eingesteckt. Dies nahm der Hofrat zum Anlass, in eifrigem Habitus Hilfestellung zu leisten. Er rief:

      „Aber bitte, bedienen Sie sich von mir! Hier, nehmen Sie doch eine herrliche ´Winston´!" und streckte ihm die Schachtel entgegen, woraus sich der Angesprochene generös bediente. Da dieser auch kein Feuerzeug dabei hatte, sagte der Hofrat:

      „Hier, nehmen Sie meines, Herr Direktor! Es ist mir eine Ehre, wenn ich es Ihnen überlassen darf!" Schon krachte die kantige Schuhspitze der Hofrätin schmerzhaft in die Knochenhaut seines Schienbeins. Er verzog kaum merklich das Gesicht und wendete sich an Sonja:

      „Der Herr Direktor und ich waren gerade in einen kleinen Disput über 'Kunst' vertieft..."

      Ohne den Hofrat ausreden zu lassen, begann nun der Banker mit seinen Darlegungen:

      „Wissen Sie, ich find' die Kunst heutzutage ja gar nimmer schön. Die richtig gute Malerei hört ja eigentlich mit dem Waldmüller auf. Dieses ganze Krixi Kraxi, oder diese schiachen G'sichter beim Picasso - also ich bitt' Sie! Wo finden Sie bitte heute noch einen Tizian; oder einen Rubens! Obwohl, unter uns gesagt, bei dem gehts ja für meinen Geschmack ein bissl gar zu füllig zu, ha ha - aber wissen Sie, das ist ja heutzutag' überall so in der Kunst! Wo bleibt denn bitte das 'Schöne'? Das ist doch die eigentliche Aufgabe der Kunst! Nicht wahr? Die Erbauung.

      Oder nehmen'S nur...in der Musik! Ich bitt' Sie, die neuen Opern...die klingen ja alle, wie wenn die Instrumente net gestimmt wär'n. Haben wir letztes Jahr wieder gehört, meine Frau und ich, bei den Salzburger Festspielen....die werden ja auch immer progressiver.....na, dort fahr'n