Giovanna Lombardo

Galan


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Jazem die Hütte verlassen hatte, blickte sie ihn wieder an. Mit einem Satz hechtete er auf sie zu und ergriff ihre Hand. Er spürte ihre zarte Haut und war überrascht, wie perfekt ihre Hand in seiner lag. Sie drehte sich zu ihm und stand so dicht bei ihm, dass ihre Körper sich fast berührten. Jeremia hielt ihre Hand immer noch fest. Sie erhob ihren Kopf und lächelte scheu.

      „Wer bist du? Ich weiß nicht, was gerade passiert, aber ich kann nicht zulassen, dass du wieder aus meinem Leben verschwindest“, flüsterte er ihr zärtlich zu. Seine Worte kamen zu übereilt, dachte er. Zweifel überkam ihn; was ist mit seinen Manieren? Aber er musste es sagen, seine Zuneigung gestehen.

      „Jeremia, ich kann dir im Moment nicht alles erklären. Ich verschwinde nicht aus deinem Leben, denn ich bin und war immer ein Teil davon. Wir werden uns bald wiedersehen und dann erkläre ich dir alles.“ Mit diesen Worten ließ sie ihn stehen und ging nach draußen.

      Er sah, dass ihre Mutter auf sie gewartet hatte. Lange schaute er ihr nach, bis sie nicht mehr zu sehen war.

      Wie hatte sie das gemeint? Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Das Einzige was er wusste, war, dass dieses Verlangen, das er eben verspürt hatte, mit ihr gegangen war. Nun stand er in dieser Hütte und die grausame Realität holte ihn wieder ein. Der Krieg war ausgebrochen. Tod und Zerstörung lagen über Galan. Mit dieser erschreckenden Erkenntnis wandte er sich wieder seinen Männern zu. Das Einzige, das ihn beruhigte, waren die Gedanken an Charismas letzte Worte. Er würde sie wiedersehen.

      Kapitel 9

      Ich trat aus der Hütte und spürte Jeremias Blick auf mir. Meine Mutter erwartete mich draußen. Ich blickte nicht mehr zurück, auch wenn ich ihn gern noch einmal gesehen hätte. All das, was in der Hütte geschehen war, hatte mich zur glücklichsten Frau in ganz Galan gemacht. Alle meine Zweifel waren wie eine Last von mir abgefallen. Er hatte es auch gefühlt. In dem Moment, als ich eingetreten war, als er zu mir kam und vor mir stand, konnte ich die Spannung und Intensität zwischen uns beiden fast greifen. Als dann seine Hand über mein Gesicht strich, verlor ich mich in seinen Augen. Ihn wirklich und wahrhaftig zu spüren, löste ihn mir ein Feuerwerk von Glücksgefühlen aus. Seine Berührung brannte noch immer auf meiner Haut. Mutter schaute zu mir und sah das Strahlen in meinem Gesicht, das ich nicht zu verbergen versuchte. Ich wusste, dass ich auch an sie denken sollte, denn sie plagte großer Kummer. Ich hingegen war so glücklich über das Treffen mit Jeremia, dass ich diesen besonderen Moment für einen kurzen Augenblick halten wollte. Auch er würde in den Krieg ziehen und daran wollte ich einfach nicht denken. Noch hatten meine Familie und ich drei Tage und diese mussten wir genießen.

      „Liebe, kleine Isma, ich freue mich so sehr für dich“, verkündete Mutter gönnerhaft. Ihre Worte klangen aufrichtig.

      „Ach Mama, ich weiß, gerade jetzt ist nicht die Zeit, glücklich zu sein, aber es war so schön, ihn zu sehen und ich glaube, er mag mich auch!“

      „Und wie er dich mag. Er konnte kaum seine Augen von dir lassen. Jazem hat das gar nicht gefallen. Isma, ich glaube, es wird Zeit, dass wir deinen Brüdern deine Situation erklären, damit auch sie verstehen, was gerade passiert ist.“

      „Ich glaube nicht, dass es dann besser wird. Meine Brüder glauben immer noch, sie müssen mich beschützen. Für sie bin ich doch nur das kleine Mädchen aus Salin.“ Ich sah zu den frischen Rekruten der Familie DiSole hinüber, wie sie stolz ihre Uniformen musterten.

      „Ich weiß, aber ich habe es gesehen und gespürt, wie ihr beide zueinander steht. Jeremia braucht dich, so wie du ihn brauchst. Alle Anwesenden in der Hütte spürten diese magische Anziehungskraft zwischen euch, selbst Jazem hat es bemerkt. Er wird etwas länger brauchen, um zu begreifen, dass du zu Jeremia gehörst, aber er wird es verstehen, denn er liebt dich und möchte dich glücklich sehen. Aber der Krieg ... Jazem weiß, dass er uns verlassen muss und das macht ihm Sorgen. Wenn du dich jetzt auch noch in einen Krieger verliebst, kann das für dich sehr bitter werden und du leidest umso mehr, und das möchte Jazem nicht für dich. Kannst du das verstehen?“

      Ich dachte nach. Dann nickte ich nur. Natürlich konnte ich das verstehen, aber ich wollte die kurze Zeit, die uns blieb, nicht mit Streiten verbringen. Ich musste mit Jazem und den anderen sprechen. Sobald wir in Tante Lanas Haus zurück sein würden, erzähle ich ihnen alles. Sie sollten wissen, wer ich bin und welche Gefühle ich für Jeremia hege. Wir stiegen gemeinsam in die Kutsche, die uns zurück brachte. Jazem würdigte mich keines Blickes. Seine Wut und Verärgerung war ihm anzusehen. Als die Kutsche sich in Bewegung setzte, flogen meine Gedanken zu Jeremia. Ich konnte es kaum erwarten, ihn wiederzusehen. Meine Gedanken schlugen Purzelbäume. Ich nahm mir vor, wenn ich das Gespräch hinter mich gebracht hatte, würde ich sofort zu Bett gehen, damit ich zu Jeremia seelenwandern konnte. Er zog mich an wie das Licht die Motte. In meiner Magengegend machte sich dieses wunderbare Kribbeln breit, so wie das nur richtig Verliebte kannten. Schmetterlinge im Bauch. Dabei strich ich mir unbewusst über meine Wange und ich empfand ein wohlig warmes Gefühl. Ich hatte mich hoffnungslos verliebt. Erwiderte er meine Liebe?

      Am Haus angekommen verschwand Jazem wortkarg in sein Zimmer. Auch meine Eltern zogen sich zurück. Theran, Talon und Casper setzten sich ins Wohnzimmer und begannen eine Unterhaltung über das am nächsten Morgen stattfindende Manöver. Ich lief auf mein Zimmer und zog das wunderschöne Kleid aus. Vorsichtig hängte ich es in den Schrank. Es hatte mir Glück gebracht, und ich wollte mich zu gegebener Zeit bei Tante Lana noch einmal dafür bedanken. Ich nahm einen blauen Rock und eine helle Bluse aus meiner Reisetasche und zog sie an. Danach band ich meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und ging in die Küche. Meine Tante stand am Herd und kochte wieder viel zu viel. Ich begann das Geschirr aus den Schränken zu holen und deckte den Tisch.

      Als Tante Lana mich sah, legte sie ihr Schneidemesser zur Seite und wandte sich mir zu. Sie nahm mich wortlos in die Arme und hielt mich einfach nur fest. Als sie mich dann losließ, lächelte sie mich an. „Jeremia ist ja ein stattlicher junger Mann, und er ist anscheinend ganz verrückt nach dir“, stellte sie fest.

      Meine Miene hellte sich auf. „Glaubst du wirklich, dass er mich mag?“ Ich war mir darüber nämlich gar nicht ganz sicher.

      „Machst du Scherze? Wenn dein Bruder nicht dazwischen gegangen wäre, würde er dich immer noch festhalten.“

      Jetzt strahlte ich auch. Es war schön zu wissen, dass meine Tante es so sah. „Danke, ich hoffe, es wird so sein. Tante Lana, ich habe noch nie so viel für einen Mann empfunden und deswegen weiß ich nicht, wie ich sein Verhalten einschätzen soll.“

      „Mach dir mal keine Sorgen. Ihr beiden gehört zusammen, das hat jeder gespürt. Allein die Tatsache, dass sogar deine Seele den Weg zu ihm gefunden hat, sagt schon alles. Du liebst ihn doch? Oder etwa nicht?“

      Die Schamesröte stieg mir ins Gesicht. Diese Erkenntnis, die mein Herz schon geahnt, ich aber noch nie laut ausgesprochen hatte, würde ich jetzt Lana offenbaren. „Ja, ich liebe ihn von ganzem Herzen.“ Diese Worte auszusprechen, machten es plötzlich so real. Ich liebte ihn. Einerseits sollte ich überglücklich sein, aber anderseits plagten mich Zweifel und Angst, dass ich ihn verlieren könnte, bevor ich ihn überhaupt erst richtig kennengelernt hatte. Schnell fegte ich diese Gedanken aus meinem Kopf. Trotzdem, tief in meinem Herzen, setzte sich dieses Gefühl langsam fest, dass ich ihn verlieren könnte.

      Lana drückte mich noch einmal. „Komm mein Schatz, ruf die anderen zum Essen!“

      Ich rief die Namen aller ins Treppenhaus hinaus, und nach ein paar Minuten saßen wir bei Tisch. Schon wieder essen, was bei Familienzusammenkünften üblich war. Jeder starrte auf seinen Teller.

      Plötzlich warf mir Jazem einen missbilligenden Blick zu und herrschte mich wutschnaubend an. „Was sollte das vorhin? Der Kerl hat dich berührt, hat dich gestreichelt und du hast es einfach so hingenommen. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass meine Schwester sich dem Willen fremder Männer widerstandslos beugt“, tobte er. Dann wandte er sich vorwurfsvoll meinen Eltern zu. „Und ihr? Ihr habt es einfach zugelassen, dass er sie berührte. Ihr habt nichts dagegen unternommen. Ich verstehe das einfach nicht“, schimpfte