Giovanna Lombardo

Galan


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mit dir vor. Ich komme nicht umhin dir zu sagen, dass ich Angst um dich habe. Es war schon schwer zu akzeptieren, dass deine Brüder in den Krieg ziehen werden, aber was wird mit dir geschehen? Was wird heute Abend passieren? Dieser Jeremia kennt dich nicht einmal. Wer sagt, dass du heute Abend die Möglichkeit hast, ihm zu begegnen? So große Menschenmassen werden da sein. Vielleicht wirst du gar nicht zu ihm durchgelassen. Bedenke, du bist nur ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen, die nichts bei den Kriegern verloren hat.“

      „Tante Lana, beruhige dich bitte. Du musst Luft holen.“ Ich lächelte sie an.

      Meine Tante war auf einmal sehr aufgebracht. Es war vielleicht etwas zu viel für sie.

      „Ich weiß noch nicht, wie ich es anstellen soll. Vielleicht wird auch nichts passieren. Ich bin hier, um es herauszufinden. Mir ist auch bewusst, dass er mich noch nie gesehen hat, aber er konnte mich immer spüren und ich hoffe, dass das etwas zu bedeuten hat. Und was meine Gefühle für Jeremia angeht ... Ich kenne meinen Stand und weiß, dass eine solche Liebe keine Zukunft hat.“

      Lana ergriff erneut meine Hand und drückte sie fest. Sie wusste, dass ich an mir zweifelte. Wie wahrscheinlich viele Jugendliche strotzte ich nicht vor Selbstbewusstsein.

      „Ich möchte ihn einmal richtig sehen, leibhaftig. Wenn das alles ist, dann reise ich mit meinen Eltern zurück nach Salin und versuche, ihn zu vergessen, aber ich kann mich nicht diesem Gefühl widersetzen, heute hier sein zu müssen“, erklärte ich trotzig.

      Meine Tante neigte ihren Kopf zur Seite und betrachtete mich nachdenklich.

      „Was tust du da?“, wollte ich von ihr wissen.

      „Ich werde dir jetzt helfen. So kannst du nicht dort hingehen. Du willst, dass er dich sieht, dann müssen wir dir etwas Schickes anziehen. Ich helfe dir auch beim Schminken. Du bist sehr hübsch, aber wir müssen das Ganze ein wenig unterstreichen.“

      „Ich habe aber nichts Schickes dabei“, entgegnete ich.

      „Lass das meine Sorge sein. Geh du dich jetzt frisch machen und komme dann in mein Schlafzimmer.“ Sie war voller Vorfreude und Tatendrang.

      Ich tat, worum sie mich gebeten hatte und ging in das für mich hergerichtete Zimmer, um mich zu waschen. Dann marschierte ich schnurstracks zu ihrem. Ich klopfte und öffnete die Tür. Das Zimmer war genauso eingerichtet wie die übrigen Räume des Hauses. Die Wände waren in Gelb gehalten, und die Vorhänge hatten das gleiche Blumenmuster wie die Tagesdecke auf ihrem Bett. An der gegenüberliegenden Wand stand ein wunderschönes Himmelbett. Weißer, durchsichtiger Organza Stoff fiel an verschnörkelten Messingstangen ringsherum herunter. Dieses Bett hatte sie schon, als ich noch ein kleines Mädchen gewesen war. Schon damals schlich ich heimlich mit einem Buch in der Hand in ihr Zimmer und legte mich dort auf ihre Schlafstätte. Dann stellte ich mir jedes Mal vor, dass ich eine kleine Prinzessin wäre, die in einem Schloss lebte. Dort verbrachte ich träumend und lesend viele Stunden.

      Jetzt lagen auf dem Bett ein Dutzend Kleider. Ich näherte mich und betrachtete sie.

      Tante Lana stand daneben und beobachtete mich. Ich war überrascht, weil ich nicht wusste, dass sie solche wunderschönen Kleider besaß. Sanft strich ich mit der Hand über die Stickereien und schaute sie an.

      „Die habe ich alle selbst gemacht. Sind sie nicht schön?“ Sie strich ebenfalls über die glänzenden Stoffe.

      „Sie sind wunderschön, aber ich habe sie nie an dir gesehen“, staunte ich.

      „Bei bestimmten Anlässen habe ich das eine oder andere getragen, aber in erster Linie macht es mir Freude, Kleider selber zu kreieren. Auf dem Markt suche ich nach schönen Stoffen, und dann lasse ich meiner Fantasie freien Lauf. Da ich sehr oft allein bin, beschäftige ich mich mit Nähen. Es macht mir Spaß und nun bin ich froh, dass ich dir eines geben kann. Du weißt, deine Brüder und du, ihr seid wie meine eigenen Kinder. Also, lass uns mal sehen, welches dir am besten steht.“

      Wir inspizierten jedes einzelne. Das Erste war aus fließender, dunkelblauer Seide mit Glasperlen bestickt.

      Ich stellte mich vor ihren Wandspiegel neben die Tür. So etwas hatte ich noch nie getragen.

      Schon kam Tante Lana mit einem anderen Kleid. Dieses war in dunklem Rot gehalten und die Ärmel und der runde Ausschnitt waren mit schwarzer Spitze besetzt. Sie hielt es mir an und schüttelte den Kopf. „Nein, das macht dich zu blass. Wir brauchen etwas anderes.“ Während sie sprach, lief sie immer hin und her, immer mit einem anderen Kleid in der Hand.

      Mein Mut, Jeremia gegenüber zu treten, wurde immer größer, denn in diesen Kleidern repräsentierte ich einen viel höheren gesellschaftlichen Stand.

      Nach einer guten Stunde hatten wir uns für ein Kleid entschieden. Tante Lana scheuchte mich ins Nebenzimmer, damit ich es anziehen konnte. Als ich aus dem Zimmer kam, gab sie mir ein paar Pumps, die dieselbe Farbe hatten wie das Kleid. Ich setzte mich und zog die feinen Schuhe an.

      „Dein Haar, Liebes, trag es offen“, schlug sie vor. „Das macht dich weiblicher.“

      Sie kämmte mich und klemmte mir eine mit glitzernden Steinchen überzogene Spange in die Haare. Dann trug sie mir etwas roten Lippenstift und Makeup auf und begutachtete ihr Werk. Ich fühlte mich jetzt schon viel selbstsicherer, obwohl ich gar nicht wusste, wie ich aussah. Ich bewegte mich ganz vorsichtig in dem Kleid und trat vor den Spiegel. Die Person, die mir aus dem Spiegel entgegen blickte, konnte unmöglich ich sein. Fassungslos konnte ich den Blick vom Spiegelbild nicht abwenden und drehte mich dann doch ganz langsam zu meiner Tante um.

      Sie nickte nur grinsend. „Du bist wunderschön und so bezaubernd“, gestand sie mir.

      „Tante Lana, nie hätte ich es für möglich gehalten, was ein schönes Kleid und ein bisschen Lippenstift ausmachen. Niemals. Bin ich das wirklich?“ Ich konnte es einfach nicht fassen.

      „Ja, Liebes, das bist du. Du bist nun eine erwachsene Frau und, dass du so schön sein kannst, das wusste ich schon immer. Du hattest einfach auf dem Lande nie die Möglichkeiten, dich so herzurichten“, sagte sie voller Stolz.

      Ich wandte mich wieder meinem Spiegelbild zu und betrachtete mich mit dem smaragdgrünen Seidenkleid. Es betonte meine schlanke Taille und fiel nach der Hüfte gradlinig bis zu meinen Fußknöcheln. Die enganliegenden Ärmel bestanden aus reiner Spitze, Ton in Ton mit dem Kleid, und wurden bis zu meinen Handrücken etwas breiter. Überall zierten kleine, verspielte Stickereien in Form von Blüten den Stoff, so dass es nicht nur elegant sondern auch märchenhaft romantisch wirkte.

      „Siehst du, das Kleid bringt deine schönen grünen Augen zur Geltung“, fügte sie noch überzeugend hinzu.

      Ja, tatsächlich. Mein Gesicht strahlte und ich sah aus wie ein Star, erkannte mich kaum wieder. Auch wenn meine Tante nur wenig Schminke verwendet hatte, sah ich verändert aus. Das Rouge betonte meine Wangen. Und die Lippen glänzten jetzt in einem zarten Rosa. Der grüne Lidschatten hob meine Augen hervor. Aus einem hässlichen Entlein ist ein Schwan geworden.

      Würde Jeremia mich sehen und würde ich ihm gefallen?

      Glücklich umarmte ich Lana innig. „Danke, danke, danke. Ich erkenne mich kaum wieder und es gefällt mir, mich so zu sehen.“

      „Das freut mich für dich. Aber jetzt müssen wir uns sputen, es ist schon dunkel. Die anderen sind mit Sicherheit unten und vermissen uns schon. Lass uns mal sehen, was deine Familie zu der neuen Isma sagt.“

      Ich hatte gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war. Meine Tante hatte in der Zeit, in der ich im Bad war, überall Kerzen angezündet, und durch meine Aufregung war mir das entgangen.

      Sie öffnete die Tür und gemeinsam kehrten wir zurück in den Wohnraum, wo alle schon versammelt auf uns warteten. Lana schritt voraus, und als ich den Raum betrat, hörten urplötzlich alle auf, zu sprechen. Alle Blicke waren auf mich gerichtet. Meine Brüder starrten mich mit offenem Mund an.

      Plötzlich klatschte Tante Lana heftig in die Hände. Sie grinste über beide Ohren. „Und was sagt ihr?“

      Sprachlos