Giovanna Lombardo

Galan


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machte mich auch wütend, dabei kannte ich sie noch nicht einmal.

       Abrupt blieb er stehen. Wir befanden uns in einem Schlafzimmer. An der gegenüberliegenden Wand stand ein riesiges Bett. Auf der Matratze lagen ein cremefarbener Überzug aus Seide und vier passende Kissen. Ein riesiges Regal mit Hunderten von Büchern nahm eine ganze Wand ein.

       Das war das Paradies. So viele Bücher, davon konnte ich nur träumen. Upps! Das tat ich doch gerade.

       Auf der anderen Seite stand eine Kommode, darüber hing ein großer Spiegel mit goldenem Rahmen. Die Möbel waren aus dunklem Mahagoni. Am Fenster stand ein gemütlicher Ohrensessel, auf dem ein aufgeschlagenes Buch lag. Der Kerzenleuchter auf dem Beistelltisch tauchte den Leseplatz in sanftes Licht.

       Jeremia ging in einen Nebenraum. Ich setzte mich aufs Bett. Es war so hoch, dass ich meine Beine baumeln lassen und nur mit meinen Fußspitzen den Boden berühren konnte.

       Ich war in SEINEM Zimmer.

       Ich sorgte mich um ihn, um uns. Das Gespräch zwischen den beiden Männern hatte mich schockiert. Konnte es sein, dass dies das Territorium Cavalan war? Cavalan grenzt an unser Territorium und der Herrscher dieses Territoriums heißt Jahred Nahal. War dieser alte Mann wirklich Jahred Nahal und Jeremia sein Sohn?

       Verständnislos blickte ich die Tür an, hinter der Jeremia verschwunden war. Eine Bauerntochter aus einem kleinen Dorf träumte von einem Prinzen aus einem fernen Land. Niemals würden wir zusammenkommen. Schade. Plötzlich ergriff mich eine tiefe Traurigkeit. Auch wenn meine Träume von Jeremia nur Fantasien waren, so würde er als Erhabener von Cavalan niemals eine einfaches Mädchen aus dem Volk Kalanders freien, weder in meinen Träumen noch in der Wirklichkeit. Wenn meine Träume irgendetwas mit dem wahren Leben gemein hatten und das vielleicht wirklich alles gerade passierte, dann gab es nichts, was uns verband.

       Ich fühlte mich beraubt.

       Auf einmal ging die Tür auf und ich erblickte einen Mann, der nichts weiter trug, als ein Handtuch um seine Hüften.

       Du lieber Himmel, sah Jeremia gut aus!

       Meine negativen Gedanken waren wie weggefegt.

       Das Licht spiegelte sich in jedem einzelnen Wassertropfen auf seiner glatten Haut wider. Im dämmerigen Licht der Kerze sah ich, wie sich seine Muskeln wölbten und streckten. Er kam langsam auf mich zu und setzte sich neben mich aufs Bett. Er saß ganz gelassen neben mir mit beiden Füßen auf dem Boden. Er musste ein ganzer Kopf größer sein als ich.

       Er war mir so nah, dass ich seinen Geruch wahrnehmen konnte. Er roch süßlich und doch herb.

       Er saß einfach nur da. Wahrscheinlich dachte er gerade nach. Ich konnte meine Augen nicht von ihm lassen, beobachtete ihn. Nur Zentimeter trennte mein Gesicht von seinem. Sein markantes Gesicht war unfassbar und unerträglich schön. Ich wollte ihn so sehr küssen. Er konnte bestimmt gut küssen. Ich sah seine vollen Lippen und hätte sie gerne berührt.

       Sein Körper drehte sich langsam zu mir. Er lauschte.

       Nahm er mich gerade wahr? Ich war wie gebannt und wartete ab, was er jetzt machen würde. Dann schüttelte er den Kopf und stand auf. Er ging einmal um das Bett herum und ließ das Handtuch fallen. Jetzt war er nackt. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss. Im gleichen Moment drehte er sich um und ich sah sein Hinterteil. Vor Scham wandte ich mich ab, hörte Schritte und sah, wie Jeremia die Bettdecke zur Seite zog und sich nackt unters Laken legte. Nur sein Oberkörper und sein Gesicht ragten heraus. Die Arme verschränkte er hinter seinem Kopf und so starrte er zur Decke. Der Ausdruck in seinem Gesicht war fahl und bekümmert. Was ging jetzt in ihm vor? Wie gerne würde ich seine Gedanken mit ihm teilen. Auch ich machte mir Sorgen. Was sollte ich jetzt tun?

       Ich wechselte zur anderen Seite des Bettes und legte mich einfach neben ihn. Die ganze Nacht würde ich ihn anschauen und über ihn wachen, dachte ich mir.

       Irgendwann schlief er ein und ich wachte auf.

      Der Hahn krähte draußen. Schnell stieg ich aus dem Bett, denn es war schon spät für mich. Auch wenn die Sonne nur leicht sichtbar am Horizont stand, hätte ich längst meiner Mutter in der Küche helfen müssen. Das Leben auf einem Bauernhof begann sehr früh.

      Ich war in meiner gestrigen Kleidung eingeschlafen. Schnell streifte ich mir den langen Rock und die Bluse ab, hüpfte rüber ins Bad und wusch mir die Augen und das Gesicht, während ich sehr intensiv an Jeremia dachte und an seinen vollkommenen, makellosen Körper.

      Zurück in meinem Zimmer nahm ich Unterwäsche aus der Kommode, einen langen braunen Rock und eine weiße Bluse aus dem Kleiderschrank. Die getragene Wäsche legte ich in meinen Wäschekorb neben der Tür, zog mich an, bürstete mein Haar und band es zu einem Zopf zusammen. Ich setzte mich auf das Bett und streifte mir noch schnell meine braune Strumpfhose und meine Arbeitsstiefel über. Schon rannte ich hinunter in die Küche.

      Meine ganze Familie saß schon am Frühstückstisch. Der Geruch von Kaffee und der Duft von frischem Brot drangen mir in die Nase.

      „Guten Morgen, Liebes“, wünschte mir meine Mutter.

      „Guten Morgen, alle zusammen. Entschuldigt, dass ich verschlafen habe“, nuschelte ich, da ich schon ein Stück Brötchen zwischen meinen Zähnen kaute. Ich war so hungrig.

      „Hast du gut geschlafen?“, wollte mein Bruder Brasne mit einem bissigen Unterton wissen.

      „Ja, warum grinst du so hämisch?“

      „Nur so!“ Seine wilden Haarlocken standen ihm noch zu Berge. Er musste auch gerade erst aufgestanden sein. „Ich bin gestern Abend an deinem Zimmer vorbeigegangen, und dabei habe ich dich stöhnen gehört. Hattest du schon wieder einen Traum?“

      Auch meine anderen Brüder fingen an zu grinsen, außer Aaron. „Lasst sie in Frieden“, verteidigte er mich. „Ihr wisst ganz genau, dass sie seit Wochen unter ihren Träumen leidet.“

      „Woher sollten wir das wissen?“, fragte Talon schelmisch und schob sich ein ganzes Spiegelei in den Mund. Fünf Eier zum Frühstück waren für meine Brüder nichts Ungewöhnliches. „Sie spricht toch mirtt diiich mur ... aaahhh heisssss...“

      „Was??“ Aaron lachte. „Du bist zu gierig, Talon!“

      „Es reicht jetzt“, herrschte mein Vater. „Wir sind schon spät dran. Talon und Theran, kümmert euch um die Saat, die wir eingekauft haben! Sie muss heute noch gesät werden. Ihr werdet heute den ganzen Tag damit zu tun haben. Jazem, hast du schon deine Sachen gepackt und die Unterlagen bereit gelegt?“

      „Ja, Vater, ich habe auch das Pferd schon gesattelt und aus dem Stall geholt. Ich suche nur noch die Verträge raus, und bin in einer Stunde abreisefertig.“

      Mein Bruder Jazem musste für zwei Tage verreisen. In einer Nachbarstadt, einen Tagesritt von hier entfernt, wollte er sich mit einem Kaufmann treffen, um mit ihm Verträge auszuhandeln. Da die Strecke dorthin sehr weit war, würde er in einer Herberge übernachten.

      „Casper, du hilfst heute deiner Mutter in der Küche und dann im Garten, und Aaron, du und Isma, ihr kümmert euch um die Tiere und den Stall!“, ordne Vater an.

      Alle standen auf und machten sich ans Werk.

      Aaron und ich gingen hinüber in den Stall. Die Kühe mussten zuerst gemolken werden, danach brachte Aaron die vollen Milcheimer zu unserer Mutter in die Küche. Die Hühner wurden gefüttert und ebenso die Schweine.

      Als Aaron zurückkam, kämpfte ich mit einer Mistgabel, die zwischen zwei Holzbalken steckte. „Mist, du blödes Ding, wer war so schlau und hat die Mistgabel dort hineingesteckt?“ schimpfte ich. Mit einem festen Ruck zog ich an der Mistgabel und fiel rücklings auf den Boden.

      An der Stalltür angelehnt, fing Aaron an, laut