Nina Heick

ZWEI HERZEN


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er? Unentschlossenheit. Ich wusste, worauf es hinauslaufen würde, but wasn’t that my plan, wasn’t it? Yes!

      Verabschiedung von Mona, Heimatantritt. Zügig kam’s zur Sache, dennoch anders als vorgestellt. Außergewöhnlich zärtlich, liebevoll und vertraut. Verstehen ohne Worte, Verwirrung meiner Sinne. Nun lag ich verschwitzt neben ihm, dachte: So einfach geht das! Schön. Jetzt kann er verschwinden, und schlief in seinen Armen ein. Am Morgen kämpfte ich mit der Unhöflichkeit. Der ist ja noch immer da! Und eine Fahne hat er!!! „Geh dir mal die Zähne putzen und pack deine Sachen!“ – das habe ich natürlich nicht gesagt. Stattdessen machte ich Frühstück – Naturjoghurt mit Obst und glutenfreie Brötchen mit fettarmem Käse. Im Gespräch erfuhr ich, dass ich es mit einem Schwerenöter und Herzensbrecher zu tun hatte. Er war wohl durch diverse Betten gehüpft und wehrte sich generell gegen engere Bindungen. Ach, so einer schon wieder!, rollte ich mental mit den Augen. Die Zukunft bewies anderes und in der Kiste waren’s auch nur acht. Zu meiner Erleichterung musste er nach unserem Mahl los. Ich brachte ihn zum Bahnhof und schwieg auf die Frage, ob ich irgendwie zu erreichen sei. Erst bei Buseinfuhr fiel es mir wieder ein. Warum eigentlich nicht? Eine Woche später bestand Sven die Härteprüfung. Ich war mit Charly, Mona und anderen Babes in der Schanze unterwegs, Kati und Sven stießen später dazu. Ich wusste mir nicht zu helfen, als er vor mir stand. Sein jungenhaftes Grinsen – breit strahlend. Ich freute mich, ihn zu sehen. Ein Kuss, daraufhin seine Hand in meiner. Im Riesentrupp und Cocktailunmengen um uns herum saß ich ihm gegenüber. Alkoholisiert ist Charly eine Zumutung für die Gesellschaft. Ein Fall fürs Fremdschämen, weil sie sich lauthals und vulgär zur Schau stellt. Prolliges Geschrei und aggressives Auftreten. Bei den Schlagwörtern „Ficken“ und „Fotze“ wäre ich am liebsten unter den Tisch gekrabbelt. Sven trug es mit belustigter Gelassenheit und mir war es zutiefst peinlich. Als sie sich auf dem Weg zur Reeperbahn mit Kati anlegte, da diese angeblich etwas Falsches gesagt hätte, riss mir endgültig der Geduldsfaden. Zickenkrieg ahoi. Ich beruhigte das arme Mädchen und entschuldigte mich für das Fehlverhalten meiner Freundin. Charly schlichtete die Sache und so konnten wir friedlich das Drafthouse passieren. Da es Geschmacksunterschiede in der Musikrichtung gab, nabelte sich der Rest ab und übrig blieben Sven und ich. Endlich Ruhe! Liferock, Tanzflächenpogoeroberung und zu guter Letzt eine Verblüffung. Die Band ließ Guns N’ Roses anklingen – meine Zeit war gekommen, jetzt oder nie! Ich kletterte auf die Bühne, riss dem Frontsänger das Mikro aus den Flossen und röhrte „Sweet Child O’ Mine“ in den Schuppen. Die Knie schlotterten, das Publikum johlte und Sven begeisterte sich für die Sängerin im kurzen Mini. Das war der Augenblick, in dem er sich verschoss, mich durch die Luft wirbelte und küsste. Seine Brust schwoll vor Stolz, während er aufgeregt von den Neidern prahlte, die ihn auf seine betörende Freundin angesprochen hätten. Bitte verlieb dich nicht in mich, dachte ich still. Die Tage darauf suchte ich Abstand. Meine letzte Arbeitswoche in der Agentur, für Sven bereits Ferienzeit. Er vermisste mich. Keiner Verabredung sagte ich zu. Obwohl er hartnäckig blieb, was mich beeindruckte, wies ich ihn ab und machte dicht. Ich war nicht bereit. Mein altbekannter Gast Angst ergriff und blockierte mich, die Furcht vor Freiheitsberaubung, Selbstverlust und Enttäuschung. Freitag nach offiziellem Ende meines Arbeitsverhältnisses entspannte sich die Lage und ich wagte einen heiklen Versuch. DVD-Abend Black Swan bei Debora mit Thomas und Svenni. Auf ein Neues – in einer weiteren Verrücktenkonstellation. Thomas, der mit vierzig noch Jungfrau ist und dank einer Stimmbänderschädigung in glockenheller Stimme spricht, Debora und ihre Abenteuer. Wirklich nichts konnte Sven von mir abbringen, ganz im Gegenteil. Ich erwähnte beiläufig, einen Mallorcaurlaub vorzuhaben. Brillante Idee – Sven wollte mit. Ich traute meinen Ohren kaum. Samstagnacht im Dunkeln nach großem Sit-in beim Bruder und Bums bei mir. „Vici, sag mal, was bin ich für dich?“ „Äh ähmm ... Joa, mh ... Ich find dich süß.“ „Nur süß? Mmmh ... Ist es dir ernst mit mir?“ „Öh ... mpfh ... Ich mag dich irgendwie. Was meinst’n?“ „Ach, is’ egal ... Nicht so wichtig.“ „Sven, ich bin doch nicht blöd. Du willst wissen, woran du bei mir bist.“ Schweigen. „Ich weiß nicht so genau. Was denkst du denn?“, setzte ich erneut an. „Also ich hätte nichts dagegen, dein Freund zu sein.“ „Mein Freund zu sein?“ „Ich wäre gerne dein Freund.“ Schweigen. Und wieder die Frage: Warum eigentlich nicht? Und oh Wunder – Victoria öffnete ihr Herz! SMS an Sven, 26. Juni – „Hey Honey, das Wochenende war das schönste seit langem. Ohne Worte ... danke dafür. Ich vermisse dich schon jetzt – dein süßes, schiefes Lächeln, deine starken Arme, deine leidenschaftlichen Küsse, deine Augen, die so viel Wärme beherbergen ... Ich träum von dir. Gedankenküsse ...“ Seine Antwort nicht weniger zärtlich: „Baby, du bist perfekt für mich. Einzigartig. Jeder Augenblick, den ich mit dir verbringen darf, ist so wundervoll! Am Tag bist du mein schönster Gedanke und bei Nacht mein schönster Traum. Ich gebe dich nie wieder her!“ Am 2. Juli buchten wir unsere Reise nach Mallorca (Paguera) im 3-Sterne-Hotel mit Swimmingpool und Frühstück. No risc, no fun! Vor unserem Urlaub durchlebte ich eine Häufung von Krisen. In mir baute sich Druck auf und der Druck von außen war nicht weniger klein. Nach Jahren flatterte ein Brief von meinem Vater ins Haus. Es ging um die Unterhaltszahlung und die Frage, ob ich mein Studium abgeschlossen und einen Beruf gefunden hätte, sodass er nicht weiterhin für mich aufkommen müsse. Er bat um Informationen zum Stand der Dinge und das Zusenden von Zeugnissen und Belegen. Neben dieser unfrohen Konfrontation stresste mich die Vorstellung, elf Tage in einem anderen Land an Sven gebunden zu sein. Déjà-vu an den vergangenen Sommer mit Tim in Sollér; die Befürchtung durch täglichen Sex unerholter zurückzukommen, als ich hingeflogen bin; die Panik vor Gewichtszunahme durch Buffetsattfutterei und mangelnden Sport; die Angst, meine Seele preiszugeben und durchschaut zu werden; die Sorge, Sven verpenne den sonnigen Strandtag; und das unvermeidbare Wissen, dass meine Hysterie zum Vorschein kommen würde, sobald es nicht so läuft, wie ich es gern hätte. Mein Kopfkino führte zur Einkapselung und der gewohnten Verzweiflungsmaßnahme: das Kotzen. Eine Essstörung hat Sven bereits in Verdacht gehabt. Meine Zeroprodukte hatten sie verraten, aber ich bevorzugte es, das Thema diskret zu behandeln und mich auf Abstand zu begeben. Meine Distanz und Anspruch auf Raum, in dem kein Platz für Sven war, mussten hart gewesen sein. Es tat mir leid, sogar weh, weil ich spürte, auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, dass ich dabei war, seine Gefühle zu erwidern, und anfangen sollte, Vertrauen aufzubauen und meine Ängste abzulegen. Die geplante Reise bereitete schon vor Antritt Komplikationen. Wartungsprobleme der Sparkasse verzögerten die Überweisung des Geldes bis auf den letzten Drücker. Im Flugzeug bekamen Svenni und ich getrennte Plätze; am Abend in Palma angekommen, erhielten wir die Auskunft, unser Hotel sei ausgebucht. Der Atem stockte, aber alles recht so – die neue Unterkunft im nahe gelegenen Ort Santa Ponça im 4-Sterne-Hotel mit Swimmingpool, Sportstudio, Frühstück und Abendessen war weitaus nobler als die ursprüngliche; die Gegend ebenso wie unser Zimmer traumhaft. Wir kreischten vor Glück. Nach Aus- und Einräumen der Klamottenberge schlenderten wir kurzärmlig, in Shorts und Flip-Flops durch die Straßen, schnupperten Meerluft und ließen uns in einem Restaurant nieder. Im Anschluss die sexuelle Einweihung der frisch bezogenen Betten. Die Anfangszeit wurde tatsächlich ein Chaos. Sven verschlief, Sven wach, Morgenlatte, Matratzenschaukel, Hunger, Sport, halber Tag um. Die Folge: kurze Strandaufenthalte, zumal sich Svenni einen krebsroten Sonnenbrand zugezogen hatte. Oh Gott, war er eitel! Wer litt darunter? Vici, die sich als Drachen entpuppte, auch Dramaqueen genannt, und darüber hinaus den idiotischen Einfall bekam, das Kettenschmöken aufzugeben. Selbstverständlich erfolglos, zumal Sven mich als Nichtraucher feinstens zu sticheln wusste und durch angewidertes Wedeln provozierte, eine Fluppe mehr zu quarzen. Obendrein bot das Buffet himmlischste Verführungen und ergänzend maßlose Panik. Ich sah sie schon wuchern die bösen Fettpölsterchen und strampelte jeden Morgen nach Obstjoghurt und Rührei dagegen an. Neben essen, schlafen, vögeln und bräunen pendelten sich Saufgewohnheit und die Unumgänglichkeit des Kennenlernens ein. Ein paar Gläser Sangria brachten mich zum Reden. Ich ratterte mein Leben runter, ohne Details auszulassen, in Rotz und Wasser ertränkt. Nach Darlegung der offenen Karten wurde ich von Graus gepackt. Ich wollte laufen, so schnell ich konnte, und nochmals von vorn anfangen, undurchsichtig bleiben, nichts preisgeben. Ich fühlte mich schwach und versagt. Völlig unbegründet. Svenni reagierte sanft und bat mich nur um eines: Ehrlichkeit. Ihm zu sagen, wenn ich rückfällig werden sollte. Egal, ob es sich hierbei um Bulimie oder Drogen handle, er wolle involviert werden, um mir zur Seite stehen und helfen zu können.