Mira Bergen

Verflixt und ausgesperrt!


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Das wird’s vermutlich sein.« Nachdenkliches Schweigen folgte.

      »Aber ich habe mich doch schon gebessert, nicht?« fragte Constantin zögerlich.

      »Äh … ja. Natürlich. Ohne Zweifel«, beeilte sich der Kobold zu versichern und bemühte sich, glaubwürdig zu klingen. »Also … wie – wie geht’s jetzt weiter? Mit der Reise und so?«

      »Ach ja. Warte … ah. Hier steht’s. Am ersten November, also morgen in einer Woche, werden wir mit dem Schlitten nach Glücksstädt geflogen. Dort sammeln wir Erwin ein und ich habe Gelegenheit, passende Kleidung zu kaufen. Ein Scheck ist beigefügt.« Constantins suchender Blick schweifte über die herausgefallenen Zettel, bis er schließlich an dem Scheck kleben blieb und mit den klein gedruckten Zahlen kämpfte.

      »Oh, das ist ja echt großzügig«, stellte er verblüfft fest, bis er weiterlas und feststellte, dass das auch sein gesamtes Taschengeld für die Reise darstellte.

      »Und wohin fahren wir?«

      »Das steht nicht hier.«

      »Nicht? Ist ja blöd.«

      »Hm. Aber egal, Hauptsache warm. Du kannst schon mal die Badehose einpacken.« Constantin war sich ganz sicher. Auf dem Plakat, das ihn zum Ausfüllen des Lottoscheins verführt hatte, war ein Strand zu sehen gewesen. Mit Palmen und so.

      »Wieso?« erkundigte sich der Kobold misstrauisch.

      »Na, falls du baden willst.«

      »Wieso soll ich dafür eine Hose anziehen? Die wird ja nass!«

      »Aber du musst dir doch was anziehen, wenn du baden willst!«

      »Warum?«

      »Na, damit man nicht dein … äh …«, Constantin verstummte. »Wie vermehren sich Kobolde eigentlich?« fragte er unsicher.

      »Das ist aber eine sehr unhöfliche Frage«, erwiderte der Kobold entrüstet und lief dunkelgrün an.

      Constantin hob eine Augenbraue, bohrte aber sicherheitshalber nicht weiter nach. Stattdessen lehnte er sich zurück.

      Urlaub.

      Er konnte sich nur an einen einzigen Urlaub erinnern, als er noch klein war und sein Vater die Familie noch nicht verlassen hatte. Ein entsprechend verklärtes Bild pflegte Constantin von Urlauben. Urlaubsreisen waren für ihn so etwas wie eine Wundertüte, in die er die Erfüllung aller Träume projizierte.

      Constantin gab sich dieser Illusion hin und träumte. Von der harten Realität des Urlauberalltags ahnte er nichts. Da waren die Betten zu hart, der Fernseher zu klein, der Strand überfüllt und die Klimaanlage zu laut. Das Essen war so beschaffen, dass man besser gleich ein Bad mit Fenster buchte, damit man wenigstens von der Toilette aus noch etwas von der viel gepriesenen Landschaft mitbekam. Wenn man Pech hatte oder einen das Hotelpersonal nicht leiden konnte, schaute man dabei aber nicht auf die Landschaft, sondern auf eine weitere Hotelwand mit Fenstern, hinter welchen frustrierte Urlauber hockten.

      Mit wachsender Aufregung musterte Constantin den schmollenden Kobold. »Warst du schon mal im Urlaub?«

      »Seit ich in der Flasche steckte, nicht mehr, nein. Aber vorher schon.«

      »Ach. Und wo warst du?«

      »Im Schlaraffenland.«

      »Quatsch. Das gibt es gar nicht.«

      »Na klar. Ich war doch dort.«

      »Unsinn. Du veräppelst mich doch.«

      »Mann. Wann verstehst du es endlich? Sobald sich das einer ausgedacht hat und es aufgeschrieben wurde oder jemand dran glaubt, gibt’s das auch.«

      In Constantins Kopf arbeitete es. »Ach. Tatsächlich. Kann … kann ich da auch hin?«

      »Glaubst du dran?«

      »Äh, nicht so richtig.«

      »Na, dann nicht.«

      »Oh.«

      »Ein Kumpel von mir wollte immer dort Urlaub machen, wo er seine Ruhe hatte. Weißt du, wo der überall Urlaub gemacht hat?«

      »Nee…« murmelte Constantin zerstreut und grübelte über das zuletzt Gehörte nach.

      »Einmal war er in einer Spendenbüchse in der Vorstandsebene einer Bank und einmal in einer Blumenvase in einer Junggesellenwohnung. Und einmal sogar …«

      »Sag mal, stimmt das? Alles, woran einer glaubt, gibt es wirklich?« unterbrach ihn Constantin unruhig.

      »Ja. Wieso?«

      »Wegen der, äh… Kartoffelzombies.«

      »Wie bitte?«

      »Na… hast du schon mal Kartoffeln gesehen, die den ganzen Winter lang im Keller lagen?«

      »Nein. Warum? Was ist damit?«

      »Die werden zu Kartoffelzombies«, erklärte Constantin hilflos und kam sich ziemlich dumm vor.

      »Wie das?« fragte der Kobold skeptisch.

      »Die… die sehen ganz gruselig und schrumpelig aus. Und überall wachsen seltsame Tentakel raus.«

      »Unsinn.«

      »Doch, wirklich. Ich musste als Kind immer Kartoffeln aus dem Keller holen. Und gegen Ende des Winters begann dann die unheimliche Verwandlung. Ich fürchtete mich immer, weil ich dachte, die Kartoffeln hätten im Keller Kartoffelzombies ausgebrütet, die nachts nach oben schleichen und die Leute auffressen.«

      »Mann, du hast eine echt kranke Phantasie!«

      »Ich war noch klein und hatte eben Angst«, rechtfertigte sich Constantin.

      »Okay. Ist ja gut. Also … glaubst du heute noch an, äh, Kartoffelzombies?«

      »Natürlich nicht«, versicherte Constantin und bemühte sich, überzeugender zu klingen als er tatsächlich war.

      »Und hast du’s irgendwo aufgeschrieben?«

      »Nein!«, erwiderte Constantin entsetzt.

      »Und denkst du manchmal noch dran?«

      »Nein. Also, vielleicht … ab und zu. Wenn ich Kartoffeln sehe.«

      »Oh. Ich denke, dann wird die Existenz nicht auszuschließen sein.«

      »Äh, sind die gefährlich?« erkundigte sich Constantin angespannt.

      »Glaubst du denn, dass sie gefährlich sind?«

      »Äh, nein. Nicht mehr.«

      »Na also. Dann gibt’s auch keine Kartoffelzombies. Zumindest nicht immer, und auch keine gefährlichen«, stellte der Kobold fest und war froh, dass nicht er unter einer derartigen Kreativität litt.

      »Gut.« Erleichtert richtete Constantin seine Aufmerksamkeit wieder auf den Brief, in dem stand, dass man es ihm überließ, in welcher Form er Erwin über das bevorstehende Reisevergnügen informierte. Da Constantin aus Erwins Briefen herausgelesen hatte, dass dieser über seine Zeit nicht mehr frei verfügen konnte, sondern beinahe vollständig von seiner neuen Freundin verplant wurde, musste Constantin Phoebe zuvorkommen und Erwin schnellstmöglich Bescheid geben. Eilig griff er zum Briefpapier.

      ***

      Im Allgemeinen war die Unterzeichnung eines Mietvertrages zusammen mit der neuen (und in Erwins Fall ersten) Freundin ein freudiges Ereignis.

      Üblicherweise fand dieses Ereignis statt, nachdem man die Person, der man sich damit rund um die Uhr auslieferte, näher kennenlernen konnte. Phoebe hatte jedoch schon mehrere dieser Kennenlernphasen durchlaufen und hinterher jedes Mal allein dagestanden. Deshalb beschloss sie kurzerhand, dieses Mal darauf zu verzichten.

      Erwin fiel das nicht weiter auf, da er sich mit derartigen Dingen nicht auskannte. Er hatte vorher noch nie eine Frau näher kennengelernt und war sich jetzt nicht mehr sicher, ob er dadurch etwas verpasst