Lena Schneiderwind

Freiheit ist...


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zu verlieren. Geht und `olt Meiling da raus!“ Ihre Stimme wird zum Ende hin ganz schrill. Davon abgesehen lässt sie sich ihren inneren Aufruhr jedoch nicht anmerken und eilt geschäftig voraus.

      Auf dem kleinen Vorplatz hinter dem Haus parkt ein alter Mercedes, der offensichtlich in aller Eile dort abgestellt wurde. Die Fahrertür ist geöffnet. Auf der dem Haus zugewandten Beifahrerseite ist von außen niemand zu sehen. Aurélie läuft geradewegs auf den Wagen zu und reißt die Beifahrertüre auf.

      Mir fallen einige herausgerissene Kabel unter dem Lenkrad auf. Sieht so aus als hätte Pan das Fahrzeug gestohlen.

      In Anbetracht der ansonsten gähnenden Leere im Innenraum sehen wir uns ratlos an.

      Dann lenkt ein leises Stöhnen unsere Aufmerksamkeit auf die Rückbank. Bei dem Anblick der zierlichen Gestalt, die dort liegt und sich wimmernd krümmt, gefriert mir das Blut in den Adern. Ihr Gesicht ist durch diverse Blutergüsse, Prellungen und Platzwunden beinahe bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Ihre Hände sind blutüberströmt und einige Finger stehen in erschreckend unnatürlichem Winkel ab.

      Günter neben mir schnappt hörbar nach Luft. „Diese Tiere!“, flüstert er fassungslos.

      Aurélie verharrt für eine Sekunde wie erstarrt mitten in der Bewegung. Dann dreht sie sich mit einem wütenden Zischen um: „Fils de pute!“. Sie sieht uns mit wilder Entschlossenheit an: „Wenn ihr `elfen wollt, müsst ihr eusch jetzt zusammenreißen. Dursch Anstarren wird sie nischt wieder gesund. Also: Kriegt ihr das `in?“

      Günter fängt sich deutlich schneller als ich: „Entschuldige, aber das gehört zu den Dingen, die einfach niemals leichter werden. Du kannst wie immer voll und ganz auf mich zählen. Was kann ich tun?“

      Ich starre immer noch verstört auf den zerschmetterten Körper und merke, wie der Würgereiz meine Kehle hochsteigt. Gerade als ich ins nächste Gebüsch stürzen will, gibt die malträtierte, junge Frau wieder ein ängstliches Wimmern von sich und ich höre mich fragen: „Natürlich, wie kann ich helfen?“

      Das kam deutlich zuversichtlicher heraus als ich mich fühle, aber mir ist auch klar, dass ich zumindest zu einem großen Teil für das, was man ihr angetan hat, verantwortlich bin.

      „D‘accord! Dann tragen wir sie jetzt in die Krankenssimmer. Wir müssen uns beeilen, aber seit ja vorsischtisch! Isch `alte ihre Kopf und ihr ssieht sie aus die Wagen.“

      Am Ende des letzten Satzes steht Aurélie bereits auf der anderen Seite des Fahrzeugs, öffnet die Tür, nimmt behutsam den Kopf der Frau in ihre schlanken Hände und stützt ihren Nacken gekonnt mir den Fingern ab. Günter und ich ziehen den zerbrechlichen Körper vorsichtig mit den Beinen voran aus dem hinteren Teil des Fahrzeuges und Aurélie folgt quer über die Rückbank und hält Kopf und Nacken so ruhig wie nur möglich. Zu dritt schaffen wir es so, die Frau einigermaßen stabil aus dem Auto und ins Haus zu tragen.

      Die Tür zum Speisezimmer steht immer noch offen, als wir daran vorbeikommen. Der Raum ist nun allerdings menschenleer. Nur Audrey hat natürlich die Gunst der Stunde genutzt und bedient sich ungerührt an den Resten des Frühstücks.

      Vorsichtig bewegen wir uns im Gleichschritt weiter durch den kleinen Flur in die Eingangshalle. Von dort steuert Günter, der voraus geht, auf die linke Tür am anderen Ende der Halle zu. Auf ein stummes Zeichen hin lasse ich die Körpermitte, die ich bis dahin gestützt habe, ganz vorsichtig los und öffne diese, sodass Günter und Aurélie die junge Frau ungehindert hindurch tragen können.

      Mit dem, was uns dahinter erwartet, hatte ich nicht gerechnet: Wir stehen in einem vollausgestatteten Krankenzimmer mit drei Krankenbetten, von denen eines offensichtlich gerade frisch bezogen wurde. Überall stehen diverse medizinische Apparate herum und die Wände werden fast vollständig von Regalen mit Verbandszeug, Spritzen und Medikamenten unterschiedlichster Darreichungsform verdeckt. Nur die dunkle Holzdecke und der alte, abgewetzte Teppichboden lassen noch auf den ursprünglichen Zustand des Raumes schließen.

      Die kleine Maddie steht neben dem bezogenen Bett und hält einen abgenutzten, schwarzen Lederkoffer in den Händen. „Sehr gut, merci, mon chou chou. Und jetzt sei brav und geh oben spielen, ja?“, fordert Aurélie ihre Tochter sanft aber bestimmt auf. Trotzig hebt die Kleine das Kinn und setzt zum Widerspruch an.

      „Du könntest mir einen Gefallen tun und nach Audrey sehen. Die räumt nämlich gerade den Frühstückstisch ab und bestimmt ist ihr gleich ganz schlecht, wenn sie niemand aufhält.“, gehe ich schnell dazwischen.

      Das scheint in den Augen des Mädchens eine ausreichend verantwortungsbewusste Aufgabe.

      Sie stellt den Koffer neben dem Bett ab und eilt geschäftig aus dem Zimmer. Die Ähnlichkeit mit ihrer Mutter ist in diesem Moment so unverkennbar, dass ich trotz der schrecklichen Situation ein bisschen schmunzeln muss.

      Zu dritt legen wir die junge Frau ganz langsam auf das bezogene Bett und versuchen dabei, jede Erschütterung zu vermeiden. Aus dem Stockwerk über uns sind umher eilende Schritte zu vernehmen, die schließlich die Treppe herunter kommen und vor der Tür des Krankenzimmers verstummen.

      Stattdessen hören wir nun laute Stimmen, die offenbar angeregt diskutieren. Dann wird die Tür geöffnet und wir hören Pan aufgebracht rufen: „…kann sie doch jetzt nicht einfach alleine lassen!“

      Aurélie, die gerade damit beschäftigt ist, die Vitalzeichen der verletzten Frau zu überprüfen, dreht sich zu ihm herum und weist ihn zurecht: „Sie ist nischt allein und du wärst mir `ier ganz bestimmt keine `ilfe. Isch rette deine Freundin und du gehst und rettest Meiling, d’accord?“

      Pan setzt zu einem Widerspruch an, doch da legt Fox ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter: „Kumpel, du weißt, dass sie recht hat. Ohne dich haben wir keine Chance.“, sagt er bittend und dringt damit zu seinem Freund durch.

      Pan wirft noch einen letzten Blick auf den zierlichen Körper, der auf dem weißen Laken noch blasser und verletzlicher aussieht, reißt sich dann mit offensichtlicher Überwindung los und verlässt das Zimmer. Bevor Fox die Türe leise hinter sich zuzieht, sieht er uns noch einmal eindringlich an: „Wir schaffen das. Diese Schlacht werden sie nicht gewinnen!“

      Ich habe das Gefühl, dass er damit weniger uns als vielmehr sich selbst gut zureden will. Aurélie hört schon gar nicht mehr zu und scheint ganz in ihrem Element während sie die junge Frau routiniert untersucht:

      “Ihre Puls ist sehr schwach. Die Finger müssen wir wieder einrenken. An der rechten `and fehlen zwei Fingernägel, an der linken drei. Ich fürschte, da können wir nischts tun. Das Gesischt scheint nur oberfläschlisch verletzt. Das linke Bein ist gebrochen und muss geschient werden. Die Hämatome am Bauch machen mir Sorgen. Wir müssen einen Ultraschall machen, um innere Verletssungen ausssuschließen.

      Emilia, isch brauche eine der Spritzen aus die dritte Fach dort drüben. Brock‘aus, `ol mir bitte die Ultraschallgerät.“

      Eilfertig hole ich ihr die gewünschte Spritze und eine der steril verpackten Kanülen, die direkt daneben liegen. Entgegen meiner Erwartung verwendet sie jedoch diese nicht, um endlich die Schmerzen der mittlerweile ganz apathischen Frau zu stillen, sondern nimmt erst einmal eine Blutprobe.

      „Sollten wir ihr nicht zuallererst ein Schmerzmittel geben, bevor wir hier weitermachen?“, frage ich besorgt. „Irgendetwas sehr, sehr starkes am besten.?“

      „Ja, das würde man normalerweise wohl so machen. Leider kenne isch aber meine sadistische Ex-Mann ssu gut, um darauf ´erein ssu fallen. Ist dir aufgefallen, wie abwesend sie wirkt und wie still sie ist? Eine Mensch mit diese Verletssungen müsste doch vor Schmerssen schreien wie an die Spieß, non?“

      Das leuchtet mir ein und ich nicke zögernd.

      „Meine Ex-Mann gibt seine Opfer an die Ende von seine, kleine Ver`ör gerne eine Cocktail aus verschiedene Schmerzmittel. Nur für die Fall, dass sie gefunden werden, bevor sie qualvoll ihre Verletssungen erliegen. Gibt man dann noch eine Mittel, um die Schmerssen des Passienten zu lindern, kann das ssu einer Überdosis führen. Der Passient stirbt, weil man ihm `elfen wollte.

      Ich