Stefan G. Rohr

Das Kontingent


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Doch die türkische Hilfe blieb in derlei Punkten bisher aus. Und der von den USA geprägte Teil der Weltgemeinschaft hat hieran auch nicht viel zu ändern versucht.

      Der internationale Druck auf die Türkei konzentrierte sich in erster Line darauf, dem Flüchtlingsleid im angrenzenden Syrien oder dem Iran nicht länger nur zuzusehen, sondern wenigstens die Grenzen zu öffnen und Auffangläger bereit zu stellen. Auch die Unterstellung, die Türken sähen dem Holocaust an den Kurden mit Genugtuung zu, da es schließlich die Kurden waren, die für innenpolitische Unruhen gegenüber der türkischen Regierung sorgten, haben dazu geführt, dass die Türkei sich Zug um Zug aufnahmewilliger gezeigt hat. Gründe, die jetzt geliefert werden und eine Umkehr dieser Zugeständnisse rechtfertigen ließen, wären der Türkei somit durchaus Recht. Ebenso Recht, wie jedes Argument, dass kriegerische Vernichtungsschläge gegen die Kurden rechtfertigen ließen.

      Faruq befürchtet deshalb, dass es bald für viele Menschen zu spät sein könnte, den Weg in die türkischen Flüchtlingslager einzuschlagen. Seine Möglichkeiten sind aber weiterstgehend erschöpft. Die diplomatische Lage ist zwar offen, aber die ansteigende Verweigerung ist deutlich wahrnehmbar. Die reichen Länder haben eigene Schwierigkeiten. Die innenpolitischen Lagen sind gespannt und die Regierungen haben es mit einer zunehmenden Ablehnung in ihren Bevölkerungen zu tun, weitere Menschen aus den orientalischen Krisenherden in ihr Land zu lassen.

      In Deutschland formiert sich eine immer größer werdende Liga gegen muslimische Einwanderer, unabhängig, ob es sich um Flüchtlinge oder Migranten handelt. Die rechten Flügel der Gesellschaft erstarken zunehmend und untermischen sich mit bürgerlichen Meinungsträgern aller sozialen Schichten. Die bisher eher liberale Haltung gegenüber den muslimischen Bevölkerungsschichten wandelt sich zunehmend in offene Ablehnung. Es brennen wieder die ersten Asylantenheime und es formieren sich extremistische Gruppierungen die das Volk aufwiegeln. Hier wird sich schnell die Frage anschließen, welchen Ausgang das alles mittelfristig nehmen wird, ob sich die Politik dauerhaft einem Volk widersetzen kann, dass sich vor Überfremdung fürchtet und rebelliert.

      Die Menschen hören von Terroristen, die sich aus den eigenen Reihen oder den unzureichend integrierten Bürgern mit Migrationshintergrund bilden und dem IS zuströmen. Sie sehen Hassprediger auf den Märkten stehen und den Koran, die so heilige Schrift, für ihre Zwecke benutzen und Ängste schüren. Die Menschen befürchten eine anstehende Überflutung ihres Landes mit Andersgläubigen und lassen Unterscheidungen immer weniger zu, ebenso wie eine Anführung humanitärer Prinzipien.

      Faruq ist sich sicher, dass es zu Eskalationen in dieser Frage kommen wird. Das wird schnell dazu führen, dass sich der innenpolitische Druck in den Staaten wie ein Propf festsetzen wird. Ein Propf, der den Weg zur Rettung, die Reise in die Freiheit und Sicherheit verschließt.

      Was aber kann er noch tun? Er, der einer von denjenigen ist, der diplomatische Beziehungen in die höchsten Kreise unterhält, der inmitten des politischen Geschehens wirkt und dennoch keine Hebel in Händen hält, eine Umkehr, eine Besserung, eine Erlösung zu erzielen. Dr. Bashir Faruq: ein Mann mit so viel Einfluss und doch ein zahnloser Tiger. Wie kann er noch in sein eigenen Antlitz schauen, wissend, dass noch viel, viel mehr gemacht werden müsste, um nur einen Teil des Leides zu lindern.

      Und er sitzt derweil an seinem eleganten Schreibtisch in Kairo, fliegt in Länder des Wohlstandes, wird vorgelassen, gehört und wieder nach Hause geschickt. Die Hände sind ihm gebunden, mehr kann er nicht tun, das weiß er nur zu gut.

      Und Faruq fühlt sich klein und hilflos.

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