Marlene Wagner

Sommersturmzeit


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Nun verunsicherte es sie, dass sie sich auf einmal darüber ärgerte, anstatt erleichtert zu sein.

      Schließlich erhob sie sich leicht wankend aus dem Bett und setzte sich an ihren Frisiertisch. Ein blasses Gesicht mit tiefen Augenringen schaute ihr im Spiegel entgegen. Leni und ihre zwei neuen Kammerzofen würden ganze Arbeit leisten müssen, damit sie einigermaßen vorzeigbar zur Jagd erscheinen konnte, dachte sie resigniert.

      Bei der Vorstellung ging es Katharina gleich noch etwas schlechter als ohnehin schon und sie beschloss, sich doch lieber noch einmal zurück ins Bett zu legen. Hoffentlich hatte Leni, die gute Seele, ein Hausmittel für ungeübte Trinker wie sie parat.

      Und was Karl betraf...er wollte hier Abenteuer erleben??

      Nun gut, das sollte er, aber nicht mit ihr. Auch wenn sie sein Versprechen hatte, würde sie ihm am besten so gut es denn ging von nun an aus dem Weg gehen und nur so viel Zeit wie nötig mit ihm verbringen. Der Gedanke beruhigte Katharina so, dass sie tatsächlich noch einmal einschlief und von Leni geweckt werden musste, als diese zum ankleiden und frisieren kam.

      Katharinas Vorsätze wurden gleich auf die Probe gestellt, als sie in einem neuen, dem Anlass angemessenen waldgrünen Reitkleid inklusive feschen kleinem Hütchen, welches sie allesamt hervorragend kleidete, aus dem Schloss trat. Das Wetter war wie von ihr vorhergesehen prächtig – die Sonne schien von einem azurblauen Himmel, den kein Wölkchen trübte und die Luft war angenehm mild. Ideal für die Jagd - Augusts Fest schien unter einem guten Stern zu stehen.

      Dank Leni und einem kompliziert zusammengerührten Geheimrezept, welches sie ihr partout nicht verraten wollte, waren mittlerweile auch ihre Kopfschmerzen so gut wie verschwunden.

      Zumindest diesbezüglich sollte Katharina den Tag gut überstehen, das war schon einmal beruhigend. Allerdings hatte dadurch auch die Prozedur ihrer Frisur, welche ihr erneut die zwei neuen Zofen gezaubert hatten, noch länger als ohnehin gedauert und so war Katharina wieder eine der letzten, auf die noch ungeduldig gewartet wurde.

      Ihr Blick fiel sofort auf Karl, der sich, bereits fertig zum Aufbruch auf seinem Pferd sitzend, gemeinsam mit August und der Gräfin Cosel in der ersten Reihe der Gesellschaft befand. Seine Augen leuchteten auf, als er sie bemerkte und wieder spürte sie dieses angenehme Kribbeln in ihrem Magen. Nein, befahl sie sich erneut, sie würde ihm von nun ab reserviert gegenüber treten, egal welche Gefühle sein Anblick auch in ihr auslösen begann!

      So nickte sie ihm nur knapp zu, bevor sie sich von einem Pagen auf ihren Rappen helfen ließ. Dann ritt sie betont langsam zu der Gruppe, grüßte die Männer freundlich und nur die Gräfin Cosel herzlich. Karl schaute sie etwas irritiert an, sagte aber nichts.

      Mittlerweile war die Gesellschaft komplett und August gab das Zeichen zum Aufbruch.

      Während des Rittes hielt sich Katharina ihrem Vorhaben gemäß zurück und versuchte, Karl soweit es ging aus dem Weg zu gehen. Sie blieb immer nur so lange wie erforderlich bei der Gruppe um die Könige und ließ sich ansonsten immer wieder zurückfallen. Im Stillen dankte sie der Baronin von Eckert, die sich nach einer Weile an ihre Seite gesellte und angeregt mit ihr plauderte.

      Die ersten zwei Stunden vergingen auf die Art schnell, es war aber dennoch anstrengender als gedacht. Katharina musste die Gruppe um August immer im Blick behalten, um zum einen rechtzeitig reagieren zu können, sollte ihre Gesellschaft doch wieder einmal gefordert werden und zum anderen, um die sich selbst verordnete Distanz zu halten.

      Es gelang ihr einigermaßen gut, dennoch bemerkte sie mit Unbehagen, dass trotz aller Vorsätze ihr Blick auch immer wieder bewundernd an Karl hängen blieb. Sie beobachtete, wie er geistreich mit August scherzte, bewunderte aus der Entfernung seinen athletischen Körper und ertappte sich vor allem immer wieder dabei, wie sie fasziniert sein schön geschnittenes Gesicht mit den vor Vergnügen blitzenden Augen betrachtete. Wie wunderbar wäre es, wenn die Verhältnisse nicht so kompliziert und sie an seiner Seiten reiten und den Tag ebenso wie er einfach nur genießen könnte. Im nächsten Moment verwünschte sich Katharina selbst für ihre Schwäche. Was hatte dieser Mann nur an sich, dass sie, die sonst so willensstark war, nicht einmal auf die Distanz stark bleiben konnte? Sie musste ihm konsequent aus dem Weg gehen, das bestätigte sich erneut und schien die einzige Möglichkeit zu sein, sich seiner seltsamen Wirkung auf sie zu entziehen.

      Zudem wurde immer offensichtlicher, dass sie sich am Morgen nicht grundlos voller Sorge im Bett gewälzt hatte. Zunächst war es ihr während des Geplauder mit der Baronin von Eckert noch gar nicht aufgefallen, aber mittlerweile war es offensichtlich - egal wohin sie schaute, bemerkte sie immer neue Augenpaare, die voller Neugier auf sie gerichtet waren. Die Hofgesellschaft betrachtete sie mit völlig neuem Interesse und selbst Personen, die sie noch am Vortag nicht einmal beachtet hätten, musterten sie nun voller Interesse und noch intensiver als am gestrigen Ball. Immerhin, ein Großteil schaute interessiert und grüßte freundlich, sobald Katharinas Blick den ihren begegnete. Natürlich wurde auch ganz offensichtlich über sie gesprochen und es war Katharina zunächst sehr unangenehm, sich so im Mittelpunkt des Interesses zu wissen. Genau das hatte sie kommen sehen und befürchtet, ab jetzt konnte schon ein Blick von ihr oder ein merkwürdiger Gesichtsausdruck ausreichen, um ein Thema bei Hof werden. Doch zum Glück kam Katharina gar nicht dazu, sich in diese Gedanken hineinzusteigern, denn offenbar war sie nun nicht nur ein interessantes Gesprächsthema sondern auch selbst auf einmal als Gesprächspartnerin gefragt. Immer wieder wurde ihre Gesellschaft von verschiedenen Damen und Herren gesucht und das war nicht nur kurzweiliger als gedacht, sondern lenkte Katharina auch wunderbar von Karl und ihren Sorgen ab. Von August wurde sie zwar bereits mit strafenden Blicken bedacht, ihm war also bereits aufgefallen, wie nachlässig sie schon den ganzen Vormittag über ihrer Aufgabe als Begleiterin des Schwedenkönigs nachkam, Karl selbst hatte sich allerdings bis dahin noch nichts anmerken lassen. Er konzentrierte sich voll auf die Jagd, amüsierte sich dabei nach wie vor prächtig und schenkte Katharina, abgesehen von ein paar kurzen Bemerkungen, bisher wenig Beachtung.

      Katharina musste zugeben, dass sie sich zumindest ein wenig mehr Bemühungen von ihm erhofft hatte und sein Desinteresse sie mehr enttäuschte als ihr lieb war. Aber immerhin sollte nun jeder am Hof bemerkt haben, dass sie in ihrer Rolle als Begleiterin nur eine Aufgabe erfüllte und ihr Benehmen am Vorabend nur dem Alkohol geschuldet war. So gesehen lief der Tag bis jetzt eigentlich Bestens, beruhigte sie sich selbst.

      Die Jagdgesellschaft erreichte gegen Mittag eine Lichtung, auf der das erste Picknick vorbereitet worden war, welches der Bequemlichkeit wegen im Sattel eingenommen werden sollte.

      Katharina hoffte, dass sich August und Karl durch ihre bisherigen Jagderfolge nach wie vor in guter Stimmung befanden und die Sprache möglichst nicht auf ihre kaum vorhandene Präsenz während der bisherigen Jagd kam. Ursprünglich wollte sie ihre Kopfschmerzen als Grund für ihr zurückhaltendes Verhalten vorschieben, aber erschien ihr nun wenig glaubhaft, dafür hatte sie sich die letzten Stunden doch zu gut unterhalten. Während sich Katharina noch über mögliche Ausreden den Kopf zerbrach, winkte August sie auch schon von weitem mit grimmigem Gesichtsausdruck heran. Nun wurde es also ernst. Doch zu Katharinas Glück wurde just in dem Moment, als den Jagdteilnehmern von den vorbereiteten Tischen Champagner sowie kleine Häppchen gereicht und Karl sein Pferd in ihre Nähe dirigierte, von den Treibern ein kapitaler Hirsch aufgescheucht.

      Sofort ließ die Gesellschaft alles stehen und liegen und jagte dem Tier hinterher.

      Katharina blieb als Einzige davon ungerührt und dankte dem Schicksal, dass der Hirsch genau zur richtigen Zeit aufgetaucht war.

      Normalerweise nahm sie liebend gern jede Gelegenheit zum Ausreiten wahr und die Jagd gehörte dabei zu einem ihrer größten Vergnügen, doch heute interessierte sie der Hirsch überhaupt nicht. Sie probierte einige der Speisen, trank dann in aller Ruhe ihr Glas Champagner aus und trabte dann gemächlich von der Lichtung, um den anderen in angemessener Entfernung zu folgen.

      Sie fühlte sich sicher.

      Karl war mit Sicherheit mit August in vorderster Reihe und so konnte sie endlich zumindest für eine Weile den herrlichen Tag genießen, ohne ständig neue Konversation halten zu müssen, um ihn so gut wie möglich auf Abstand zu halten.

      „Also