Marlene Wagner

Sommersturmzeit


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als neben ihr eine dunkle, wohlklingende Stimme ertönte.

      „Ich bin verwundert, so eine hübsche Dame und ganz allein?“

      Erstaunt drehte sich Katharina zu dem Besitzer der Stimme um. Neben ihr stand einer der wenigen Adligen am Hof, der ihr dank seines guten Aussehens bereits zu Beginn ihres Aufenthaltes in Dresden aufgefallen war und auch jetzt noch gut gefiel. Der attraktive Brünette war ein guter Reiter und hatte in zahlreichen Turnieren Auszeichnungen und Siege errungen, etwas, dem auch Katharina uneingeschränkt Respekt entgegen brachte. Doch eilte dem Grafen von Bülow auch ein Ruf als Frauenheld mit unzähligen Affären voraus und das genügte schon, um ihm keine größere Aufmerksamkeit zu schenken. Allerdings hatte er an ihr bis zum heutigen Tage ebenso wenig Interesse gezeigt wie der Rest der Hofgesellschaft, im Gegenteil, wahrscheinlich hatte er sie bis dahin noch nicht einmal bemerkt. Das sah nun offensichtlich ganz anders aus und mittlerweile wunderte sich Katharina über gar nichts mehr an diesem Abend. Und da sie bereits in so ausgesprochen guter Stimmung war, ging sie ihrer eigenen Überraschung viel lockerer mit seinen Avancen um, als sie das sonst getan hätte. Zudem war dem Grafen von Bülow mit Sicherheit nicht entgangen, dass sie als offizielle Begleiterin des schwedischen Königs auf diesem Fest war, so dass es sich nun wohl eher um Neugierde als um echte Interesse handelte.

      „Wer sagt denn, dass ich allein hier bin?“ fragte sie deshalb kokett zurück.

      „Nun, zumindest sehe ich im Moment niemanden an Eurer Seite und ich frage mich, welcher Narr eine Dame wie Euch allein stehen lässt?“

      Katharina musste zugeben, seine Worte schmeichelten ihr, auch wenn ihr durchaus klar war, dass er wahrscheinlich gerade aus seinem reichhaltigen Repertoire schöpfte. Sie lächelte.

      „Es handelt sich wahrscheinlich um wichtige Aufgaben oder gar höhere Politik, was sonst könnte einen Herrn noch mehr beschäftigen als die Konversation mit einer Dame? Aber jetzt seid Ihr ja hier, um mir Gesellschaft zu leisten...“

      Sie wandte sich ihm mit koketten Augenaufschlag zu und wunderte sich dabei immer mehr über sich selbst. Hätte ihr vor ein paar Tagen jemand gesagt, dass sie hier auf dem Ball so ungezwungen mit einem der größten Frauenhelden des Hofes sprechen würde, sie hätte ihn entweder ausgelacht oder für verrückt erklärt. Aus den Augenwinkeln bemerkte Katharina, wie sie von Karl, der sich noch immer mit einigen von Augusts Ministern im Gespräch befand, aus der Entfernung beobachtet wurde. Das stachelte sie nur noch mehr an und sie prostete nun dem Grafen von Bülow lachend mit ihrem Champagnerglas zu, was diesen offensichtlich so hocherfreute, dass er sich ebenfalls ein Glas Champagner ergriff, um mit ihr anzustoßen.

      So plauderte Katharina eine Weile mit dem Grafen und es machte ihr immer mehr Spaß, mit ihm zu scherzen und ein wenig mit den eigenen Waffen zu schlagen, von denen sie bis dahin noch gar nicht geahnt hatte, dass sie diese auch besaß. Mittlerweile blickten auch einige der anderen Damen immer wieder zu ihnen und die Erkenntnis, dass man sie gerade offensichtlich beneidete, war wie Balsam für ihr, die letzten Monate am Dresdner Hof wahrlich nicht verwöhntes, Selbstwertgefühl. Trotzdem behielt sie die ganze Zeit so unauffällig wie möglich Karl im Auge und bemerkte zu ihrer Zufriedenheit, dass er auch immer wieder zu ihr herüberschaute.

      Bisher hatte Katharina noch nie diese Art Spielchen gespielt, doch sie musste zugeben, es gefiel ihr.

      Dann konnte sich Karl endlich aus der Gruppe der Männer lösen, die ihn die ganze Zeit in Beschlag genommen hatte. Zu ihrer Verwunderung kam er nun jedoch nicht wie erwartet sofort zu ihr, sondern gesellte sich zur Gräfin Cosel, welche ebenfalls gerade allein stehend an einem Glas Champagner nippte und die Gesellschaft betrachtete. Die beiden plauderten angeregt miteinander und zu Katharinas Entsetzen zeigte die Cosel schließlich auf eine entfernt stehende Gruppe, bei der sich auch die Gräfin Reuß befand. Kurze Zeit später wendete sich die Cosel einem anderen Gesprächspartner zu und Karl begab sich mit vergnügtem Lächeln direkt in die Ecke des Saales, in der nun mittlerweile die Gräfin Reuß allein bei ihrem Ehemann stand und demonstrativ gelangweilt dem Ballgeschehen folgte. Schlagartig war es vorbei mit Katharinas guter Stimmung.

      Sie verlor jedwedes Interesse am Geplänkel mit dem Grafen von Bülow und beobachtete erschrocken, wie Karl tatsächlich vor dem Ehepaar Reuß Halt machte.

      Selbst aus der Entfernung war zu erkennen, wie die Gräfin bei Karls Anblick zusammenzuckte. Der schien sich jedoch vorbildlich vorzustellen und Katharina atmete bereits auf, bis sich der Graf von Reuß plötzlich kurz entschuldigte und von dem Schweden und seiner Frau abwendete, um einige Worte mit einem weiteren Gast zu wechseln.

      Seinen Blick nun fest auf die Gräfin gerichtet begann Karl eindringlich auf sie einzureden und auch wenn Katharina natürlich aufgrund der Entfernung keines seiner Worte verstehen konnte, fiel es ihr nicht schwer, sich deren Inhalt vorzustellen. Innerhalb weniger Sekunden wechselte die Gesichtsfarbe der Gräfin und mit nun kreidebleichen Wangenstarrte sie zunächst Karl mit einer Mischung aus Angst und Wut an, dann wanderte ihr Blick kurz zu Katharina. Während diese noch immer regungslos dastand, vor Entsetzen nicht in der Lage, überhaupt irgendwie zu reagieren, schaute die Gräfin schnell wieder zurück zu Karl und nickte nun unwillig. Mit zufriedenen Gesichtsausdruck wendete sich Karl ohne ein weiteres Wort zu verlieren von ihr ab und lächelte nun wieder völlig entspannt dem Grafen von Reuß zu, der sich in dem Moment zurück an die Seite seiner Frau gesellte und von dem Gespräch der beiden nichts mitbekommen zu haben schien. Sofort waren beide Männer wieder in eine ungezwungene Plauderei vertieft und hätte Katharina nicht mit eigenen Augen das Debatte zwischen Karl und der Gräfin von Reuß gesehen, nichts an ihm hätte den Eindruck vermittelt, dass er mit ihr gerade mehr als nur ein ernstes Wort gewechselt hatte. Katharina, welche ihrerseits währenddessen die Konversation mit dem Grafen von Bülow nur noch mit Floskeln aufrecht erhalten hatte und ihn nun monologartig von seinen letzten Jagderfolgen berichten ließ, ohne ihm überhaupt noch zuzuhören, hatte sich zwischenzeitlich der Magen verkrampft. Was machte Karl nur?

      Sie war so froh über den unausgesprochenen momentanen Waffenstillstand mit der Reuß und jetzt mischte er sich völlig ungebeten ein. Selbst wenn er mit Sicherheit gute Absichten verfolgte und mit seinem Auftritt Katharina helfen wollte, eine so stolze Frau wie die Gräfin ließ sich doch nichts von jemanden sagen, der hier am Hof nur eine Gastrolle spielte und in wenigen Tagen wieder verschwunden sein würde. Dass sie nach Karls Abreise die Folgen zu tragen hatte, war Katharina jetzt schon klar. Aber das war nun ohnehin nicht mehr zu ändern, jetzt galt es nur noch, Schlimmeres zu verhindern. Als erstes musste sie den ihr mittlerweile geradezu lästigen Grafen von Bülow loszuwerden und dann dringend ein ernstes Wort mit dem Schwedenkönig reden, so ging das einfach nicht! Ungeduldig lächelte sie den Grafen an und suchte krampfhaft nach einer Ausrede, mit der sie sich entschuldigen konnte, doch es gelang ihr noch nicht einmal, seinen Monolog zu unterbrechen.

      Als sie sich daraufhin resigniert erneut nervös umdrehte, um wenigstens Karl im Auge zu behalten, stand der bereits nicht mehr bei der Gräfin und ihrem Mann.

      Katharina wusste nicht, ob sie darüber erleichtert oder noch besorgter als ohnehin schon sein sollte. Unruhig suchte sie den Saal mit ihren Augen ab, konnte ihn jedoch nirgends entdecken.

      In dem Moment ertönte Augusts dröhnende Stimme.

      Eine weitere Überraschung ankündigend forderte er die Gesellschaft in blumigen Worten auf, ihm doch bitte umgehend in den Garten zu folgen, wenn sie das zu erwartende großartige Spektakel nicht verpassen wollten.

      Der Graf von Bülow bot Katharina gerade seinen Arm an, um sie hinaus zu geleiten, als sie neben sich zu ihrer Erleichterung Karls Stimme hörte.

      „Verzeiht, aber diese Dame gehört heute Abend und dann auch die nächsten Tage zu mir ...!“

      Überrascht ließ der Graf seinen Arm sinken und musterte den Schwedenkönig geringschätzig von oben bis unten. Man konnte ihm ansehen, wie er die Risiken eines Disputes mit dem Ehrengast der Veranstaltung im Kopf abwog, doch nach kurzem innerem Kampf schüttelte er nur herablassend den Kopf. Halbherzig eine Entschuldigung murmelnd schloss er sich ohne ein weiteres Wort zu verlieren grußlos den Gästen an, die bereits zahlreich durch die breiten, weit geöffneten Flügeltüren auf die große Terrasse sowie in den Garten des Schlosses strömten, allerdings nicht ohne noch