Erich Hübener

Drei Lästerschwestern auf Borkum


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danke ich Ihnen, und tschüß.“

      Man klatschte artig Beifall. Als alle schon im Hinausgehen waren, rief Frau Freese: „Doch noch eins. Vielleicht sollte ich Ihnen erklären, warum wir hier zu jeder Tageszeit moin sagen. Also das hat nichts mit `guten Morgen´ zu tun. Das kommt aus dem Plattdeutschen. Da heißt moi nämlich schön und moin ist die Abkürzung für: Ich wünsch dir einen moien – also schönen Tag.“

      Jetzt schaltete Erika sich ein und meinte: „Aber abends, wenn Sie ins Bett gehen, dann sagen Sie nicht moin, oder?“

      „Nein“, antwortete Frau Freese, „dann sagen wir einfach nur Nacht."

      Ein paar lachten verhalten. Dann drängte man zur Tür hinaus und umringte das berühmte „Schwarze Brett“.

      „Tschüß“ sagt man bei uns in Augschburg aber auch nicht“ warf Maria ein.

      „Was denn?“

      „Pfiad de oder pfiad Gott.“

      „Und was heißt das?“

      „Das ist auch eine Abkürzung. Eigentlich ist es ein sehr frommer Wunsch der meint, Gott möge dich auf allen deinen Wegen begleiten und behüten.“

      „Nett“, meinte Rebekka, und zu Erika gewandt sagte sie : „und was sagt ihr in Hessen?“

      „Wir sagen „Mach‘s gut“ und das meint so viel wie „Lass es dir gut ergehen.“

      „Deutsche Sprache, schwere Sprache“ sagte Maria mit gespielt ausländischem Akzent.

      Das Abendbuffet fand allgemeine Zustimmung. Es gab mehrere Brotsorten, Wurst, Käse, Marmeladen, Butter, Margarine, Diätbutter, verschiedene Joghurtarten, Obst und diverse Getränke, Tee, Wasser und mehrere Fruchtsäfte. Alle Zutaten waren mit ihrem Zuckergehalt, ihren Kalorienwerten und eventuellen Konservierungsstoffen gekennzeichnet.

      „Das find ich gut“, sagte Maria, „vor allem mit den Kalorienangaben. Dann kann man sich doch ein bisschen danach richten.“

      „Quatsch“, kommentierte Erika Marias Bemerkung gleich, „muss ich mich in meinem Alter noch schlankhungern?“

      Rebekka und Maria sagten nichts, aber ihr Grinsen und ihre Blicke sagten alles.

      „Ja, ist ja gut“, sagte Erika, „ein paar Kilo weniger könnten mir nicht schaden. Aber meinem Mann gefalle ich so, wie ich bin. Und das ist für mich die Hauptsache. Er sagt immer, er liebt jedes Gramm an mir.“

      „Ja, ja“, meinte Maria, „das sagen alle Männer, die rundliche Frauen haben. Und dann drehen sie sich nach jedem jungen schlanken Mädchen um.“

      „Meiner nicht“, protestierte Erika.

      „Jedenfalls nicht, wenn du dabei bist“, meinte Maria.

      Erika dachte einen Moment nach und sagte dann: „Ja, du hast wahrscheinlich Recht“, und nach einer kurzen Pause knurrte sie „diese Scheißkerle“.

      Und alle lachten.

      Zuerst redete man über das Essen „Hast du die Wurst schon probiert?“ und „Der Käse ist wirklich gut“. Aber bald schon begannen sie mit einer Tätigkeit, die im Laufe der nächsten sechs Wochen zu ihrer Lieblingsbeschäftigung werden sollte, nämlich über andere reden.

      „Guck mal, der Mann da drüben“ oder „Und die Frau mit dem bunten T-Shirt da hinten in der Ecke“ flüsterten sie hinter vorgehaltener Hand. Es war nicht bösartig, eher so eine Art Gesellschaftsspiel der drei. Darin waren sie sich gleich einig.

      Als sie schließlich den Speisesaal verließen, zeigte Rebekka demonstrativ auf ein kleines Hinweisschild neben der Ausgangstür: `Bitte keine Speisen mit auf das Zimmer nehmen´.

      „Schade“, sagte Erika, stellte den Joghurt auf die Anrichte und legte die beiden Bananen dazu.

      „Ertappt“, sagte Rebekka und gluckste.

      „Was soll ich machen?“, fragte Erika, „ich brauche spät abends immer noch `ne Kleinigkeit, sonst knurrt mir nachts der Magen und ich kann nicht schlafen.“

      „Ach, du Ärmste“, sagte Maria mit gespieltem Mitleid und legte ihren Arm um Erika, „hoffentlich überlebst du die sechs Wochen hier.“

      Und Rebekka sah Erika an, als ob sie sie bedauerte.

      „Ihr habt gut lästern“, sagte sie, „ich hab halt die schlechten Gene meiner Mutter geerbt. Die war nämlich auch vollschlank.“

      „Ja“, sagte Maria, „und ein Gen scheint bei dir besonders stark ausgeprägt zu sein.“

      Erika sah Maria mit zusammengekniffenen Augen scharf an: „Und ? , welches?“

      „Das Essengehn“, spottete Maria und machte, dass sie fortkam. Und das war auch gut so, denn sonst hätte sie sich zumindest einen Rippenstoß von Erika eingehandelt.

      „Wollen wir in die Cafeteria gehen?“ ,fragte Rebekka im Vorbeigehen.

      „Nein“, entschied Maria, „wir müssen erst unsere Koffer auspacken und alles einräumen“.

      „Ja, Mama“, sagte Rebekka, und jetzt war es an ihr schleunigst das Weite zu suchen. „Du mit deinem Ordnungstick“, rief sie noch aus sicherer Entfernung.

      „Ich glaube, es schadet gar nichts, wenn ich mich in der Hinsicht mal ein bisschen um dich kümmere“, antwortete Maria.

      „Ja, M…“ Rebekka hatte es schon auf den Lippen, aber dann traute sie sich doch nicht.

      "Darf ich denn wenigstens `Ma´ zu dir sagen? Ich bin das so von Maren her gewohnt."

      "Aber nur, wenn du es als Abkürzung von `Maria´ verstehst und nicht als Abkürzung für `Mama´."

      "Das kommt darauf an, wie du es verstehst" antwortete Rebekka und blickte Maria spitzbübisch an.

      Erika schlug vor sich um acht in der Cafeteria zu treffen. „Ich habe gehört, dass es abends so eine Art Aufenthaltsraum sein soll“, ergänzte sie noch.

      „Na dann, macht‘s gut“, sagte Erika.

      „Pfiad Gott“, antwortete Maria.

      Und Rebekka sagte : „Tschüss, bis gleich in der Cafeteria.“ Und nach einer kleinen Pause fügte sie noch hinzu: „Ach, Maria, wenn du noch meinen Schrank kontrollieren willst – ich wohne in Zimmer 38. Aber komm bitte nicht zu früh.“ Sprach‘s und rannte davon.

      Rebekka legte ihre Sachen mehr oder weniger ordentlich in den Schrank und in die Schubladen. Ordnung war nicht so ihr Ding.

      Sie ging auf den Balkon und blickte über die Dünen auf das Meer. Wieder kam ihr ein Lied von Udo Lindenberg in den Sinn „Hinterm Horizont geht’s weiter, zusammen sind wir stark.“ Maria und Erika werden mich schon vor dem Inselkoller bewahren dachte sie und freute sich auf die nächsten Tage. Aber sechs Wochen sind doch eine ganz schön lange Zeit.

      Plötzlich musste sie an den blonden jungen Mann von der Fähre denken. Wo er jetzt wohl sein mochte? Irgendwo auf der gleichen Insel. So nah und doch so fern. Und er wusste gar nichts davon, dass sie …

      Es klopfte. „Ja“, rief sie noch vom Balkon aus.

      Maria erschien in der Tür. „Na, willst du mich nun doch kontrollieren?“ meinte Rebekka schnippisch.

      „Ach wo, Schätzchen, das war doch nur ein Spaß.“

      Sie trat auf den Balkon. „Wau“, sagte sie, „unser Küken hat den schönsten Balkon. Von hier aus kann man ja bis aufs Meer blicken.“

      „Ja“, sagte Rebekka, „stand doch in dem Brief. Alle Zimmer mit Meerblick. Kann man von deinem Balkon aus nicht aufs Meer sehen?“

      „Doch, schon“, sagte Maria, „komm, ich zeig dir, wie das bei mir funktionieren würde.“

      Sie