S.C. Bauer

Wir kamen mit der Mayflower


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so­bald wir uns über den Weg lau­fen, aber lang­sam ge­wöh­ne ich mich da­ran. Ich fin­de es so­gar auf­re­gend, dass er mich so ein­ge­hend mus­tert. Da ich nicht viel ha­be, das mir Freu­de be­rei­tet, er­lau­be ich mir selbst das Herz­klop­fen und die woh­li­ge Wär­me in mei­nem Bauch, die durch sei­ne Bli­cke er­zeugt wer­den. Na­tür­lich be­mü­he ich mich, mir nichts an­mer­ken zu las­sen, denn ich weiß, dass mei­ne Mut­ter mich hart zu­recht­wei­sen wird, wenn sie da­von er­fährt.

      Manch­mal ru­fe ich mich je­doch selbst zur Ord­nung und sa­ge mir, dass es sich wirk­lich nicht schickt, über einen ver­hei­ra­te­ten Mann nach­zu­den­ken. Aber ich er­tap­pe mich im­mer wie­der da­bei, wie mei­ne Ge­dan­ken um ihn krei­sen.

      Cap­tain Stand­ish wohnt nicht bei uns im Zwi­schen­deck, son­dern teilt sich eine Ka­bi­ne mit John Al­den, dem Kü­fer und an­de­ren Of­fi­zie­ren. Sei­ne Frau Ro­se ist bei der Fa­mi­lie Brad­ford hier auf dem Zwi­schen­deck unter­ge­bracht und sieht nicht viel von ihm. Un­will­kür­lich fra­ge ich mich, ob sei­ne Ehe glück­lich ist.

      Eines Nachts kann ich ein­fach nicht schla­fen. Ich wäl­ze mich un­ru­hig auf mei­nem feuch­ten Stroh­sack, der nach Schim­mel riecht hin und her. Rund um mich lie­gen mei­ne El­tern und mein Bru­der und schla­fen tief und fest. Ro­bert Car­ter liegt neben Jo­seph und schnarcht laut­stark. Ich ha­be das Ge­fühl, nicht rich­tig at­men zu kön­nen, und be­schlie­ße, mich auf das Ober­deck zu schlei­chen, um ein we­nig Luft zu schnap­pen. Lei­se ste­he ich auf und klet­te­re an der Strick­lei­ter hoch und durch die Lu­ke zum Ober­deck. Ich spä­he vor­sich­tig hi­naus, denn wenn mich je­mand von der Mann­schaft sieht, wer­de ich si­cher wie­der zu­rück­ge­schickt.

      Vom Back, an der spit­zen Sei­te des Schif­fes, wo sich der Ab­ort der Mann­schaft – ein Bret­ter­ver­schlag mit einem Holz­ei­mer da­rin- be­fin­det, weht der bei­ßen­de Ge­stank nach Ex­kre­men­ten he­rü­ber. Ich su­che dem Ge­ruch zu ent­kom­men und be­we­ge mich auf die Mit­te des Schif­fes zu, wo die Luft bes­ser ist. Es brennt nur eine Öl­lam­pe beim Haupt­mast, die einen schwa­chen Licht­schein ver­strömt und mir den Weg weist. Ich drü­cke mich an der Re­ling ent­lang und sau­ge die fri­sche Luft be­gie­rig ein.

      »Es ist kei­ne gu­te Idee so nah an der Re­ling zu ste­hen, Miss Mul­lins.« Ich fah­re er­schro­cken he­rum, als ich die war­me tie­fe Stim­me hin­ter mir hö­re. Vor mir steht Cap­tain Stand­ish und in sei­nen ge­wohnt in­te­res­sier­ten Blick mischt sich Be­sorg­nis. »Ich …, ich woll­te nur ein we­nig fri­sche Luft«, stamm­le ich ton­los und sen­ke den Blick, weil ich spü­re, wie ich er­rö­te.

      »Dann wer­de ich euch Ge­sell­schaft leis­ten und auf euch auf­pas­sen.« Sein Ton ist be­fehls­ge­wohnt und dul­det kei­nen Wi­der­spruch.

      Ich ha­be einen Kloß im Hals und mir fällt nichts ein, was ich sa­gen könn­te. Ich füh­le mich un­be­hol­fen, wie ein un­ge­bil­de­tes Bauern­mäd­chen und das macht mich är­ger­lich. Ent­schlos­sen he­be ich mei­nen Blick und schaf­fe es, ihn an­zu­se­hen.

      Er lä­chelt sein klei­nes über­le­ge­nes Lä­cheln, das mir mitt­ler­wei­le schon ver­traut ist. Dies­mal stö­re ich mich an sei­ner Über­le­gen­heit und ant­wor­te sar­kas­tisch: »Nun dann wird Gott wohl we­ni­ger zu tun ha­ben, wenn ja ihr auf mich acht­gebt.«

      Er lacht ver­dutzt auf. »Ihr über­rascht mich Miss Mul­lins. Hu­mor ist sonst nicht das ers­te Ta­lent einer Frau.«

      Ich läch­le und freue mich über sein Kom­pli­ment. »Hu­mor kos­tet nichts und er­leich­tert unser Le­ben«, ge­be ich alt­klug zu­rück.

      Er schmun­zelt. »Ist eu­er Le­ben so schwer, dass ihr es er­leich­tern müsst?«

      Sei­ne Fra­ge lässt mich nach­denk­lich wer­den. »Unser Schick­sal ist durch Gott von je­her fest­ge­legt, Mr. Stand­ish. Es ist ver­mes­sen da­rü­ber zu kla­gen«.

      Mein Va­ter wä­re stolz auf mei­ne Ant­wort.

      Mi­les hat den bit­te­ren Unter­ton in mei­ner Stim­me je­doch ge­hört. Neu­gie­rig sieht er mich an. »Gut ge­spro­chen Miss Mul­lins. Of­fen­bar habt ihr John Knox Schrif­ten stu­diert. Aber seid ihr auch da­mit ein­ver­stan­den?«

      Ich spü­re, wie ich ver­le­gen wer­de. Er kann an­schei­nend wirk­lich mei­ne Ge­dan­ken le­sen. Ich bin zu­dem über­rascht, dass er Knox er­wähnt hat. Bis­her ha­be ich Mi­les Stand­ish eher für einen for­schen Sol­daten ge­hal­ten, aber nun bin ich be­ein­druckt, weil er ge­bil­det ist.

      Einer der Of­fi­zie­re kommt aus dem Poop House und ent­hebt mich der Not­wen­dig­keit einer Ant­wort. Er run­zelt ver­är­gert die Stirn, als er mich da ste­hen sieht. »Pas­sa­gie­re ha­ben hier nichts zu su­chen. Geht wie­der aufs Zwi­schen­deck, Miss«, for­dert er mich brüsk auf.

      Mi­les hebt be­schwich­ti­gend die Hand. »An­drew, sie will nur ein we­nig fri­sche Luft schnap­pen, und ich pas­se schon auf sie auf.«

      An­drew schüt­telt un­wil­lig den Kopf. »Ka­pi­tän Jo­nes hat an­ge­ord­net, dass kei­ner der Pas­sa­gie­re im Dun­keln auf das Ober­deck darf«, be­harrt er eigen­sin­nig.

      Mir ist die Si­tu­a­tion un­an­ge­nehm. »Schon gut. Ich ge­he wie­der nach unten«, flüs­te­re ich ein­ge­schüch­tert.

      »Ich wer­de euch be­glei­ten Miss Mul­lins«. Mi­les Stand­ish nimmt mei­nen Arm und führt mich be­hut­sam zu der Lu­ke, die ins Zwi­schen­deck führt. Sei­ne Hand ist an­ge­nehm warm auf mei­nem Arm und ich füh­le ein Pri­ckeln, das sich in mei­nem Kör­per aus­brei­tet.

      Vor der Lu­ke bleibt er ste­hen. Noch im­mer hält er mich fest und sein durch­drin­gen­der Blick bohrt sich in mei­ne Au­gen. Ich star­re ihn wie hyp­no­ti­siert an. Einen Mo­ment lang glau­be ich, dass er mich küs­sen wird. Aber das ist ab­surd. Der Of­fi­zier steht noch im­mer an der Re­ling und be­ob­ach­tet uns.

      »Schlaft gut Miss Mul­lins.« Mi­les Stim­me ist wie Samt und ich ha­be das Ge­fühl als wür­den sei­ne Wor­te mich strei­cheln. End­lich lässt er mei­nen Arm los und ich ver­spü­re einen Hauch von Be­dau­ern. Ich fin­de kei­ne Wor­te und ni­cke nur, dann wen­de ich mich schnell ab und stei­ge die Strick­lei­ter hi­nunter. Unten an­ge­kom­men se­he ich, dass er mir nach­sieht. Sein Blick ist un­ergründ­lich.

      Ich schlei­che be­hut­sam zu­rück zu mei­nem Stroh­sack. Al­le schla­fen. Kei­ner hat be­merkt, dass ich weg war. Ich schlie­ße die Au­gen und se­he Mi­les vor mir. Mit sei­nem Bild vor Au­gen fal­le ich in einen un­ru­hi­gen Schlum­mer.

      Ein paar Ta­ge spä­ter ste­he ich mit Su­san­nah auf dem Ober­deck, an einem Zu­ber vol­ler Meer­was­ser. Wir sind da­mit be­schäf­tigt Wä­sche zu wa­schen. Das Salz­was­ser lässt den Stoff der Klei­der brü­chig wer­den, aber es ist die ein­zi­ge Mög­lich­keit unse­re Sa­chen zu säu­bern.

      Cap­tain Stand­ish geht an uns vo­rü­ber und nickt mir lä­chelnd zu. Mein Herz klopft mir bis zum Hals und ich er­wi­de­re sein Lä­cheln.

      Es bleibt Su­san­nah nicht ver­bor­gen, dass eine eigen­tüm­li­che Span­nung zwi­schen Mi­les Stand­ish und mir ist, die mich ver­le­gen wer­den lässt.

      »Du weißt schon, dass er ver­hei­ra­tet ist?«, fragt mich Su­san­nah in ihrer di­rek­ten Art.

      »Ich weiß nicht, was du meinst«, pro­tes­tie­re ich in dem schwa­chen Ver­such zu leug­nen.

      »Komm schon Pri­scil­la, ich se­he doch, wie du