S.C. Bauer

Wir kamen mit der Mayflower


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und ins Ge­fäng­nis ge­steckt wur­de. Da­nach ha­ben sie die Car­vers auf­ge­nom­men. De­si­re trägt stets eine gries­grä­mi­ge Mie­ne zur Schau und scheint nicht er­freut zu sein, in die Ko­lo­nien zu rei­sen.

      Es ist auch noch eine Ent­schei­dung we­gen der Mo­re Kin­der zu tref­fen, die in Mr. Cush­mans und Mr. Car­vers Ob­hut sind.

      »Wir müs­sen die Mo­re Kin­der auf meh­re­re Fa­mi­lien auf­tei­len«, be­stimmt Mr. Cush­man.

      »Ich über­las­se dir die Ent­schei­dung Ro­bert«, er­klärt John Car­ver und Ro­bert Cush­man ver­fügt, wel­chen Fa­mi­lien die Kin­der zu­ge­teilt wer­den.

      Der sie­ben Jah­re al­te Jas­per Mo­re bleibt bei Re­ve­rend Car­ver und sei­ner Frau.

      El­len Mo­re ist 8 Jah­re alt und soll in die Ob­hut von Ed­ward Winslow und sei­ner Frau Eli­za­beth kom­men. Ed­ward Winslow ist ein ener­gi­scher jun­ger Mann, der ganz ge­nau weiß, was er will. Er wirkt streng und kalt und sei­ne An­ge­hö­ri­gen ma­chen einen sehr ge­hor­sa­men Ein­druck. Ich fin­de es be­un­ru­hi­gend, dass er nie lä­chelt. Er ist kin­der­los und reist mit sei­ner Frau Eli­za­beth und zwei Die­nern: Eli­as Sto­ry und George Sou­le.

      Ri­chard Mo­re, fünf Jah­re alt und sei­ne vier­jäh­ri­ge Schwes­ter Ma­ry kom­men zu Wil­liam und Ma­ry Brews­ter, die schon ihre bei­den jüngs­ten Söh­ne, Love und Wrest­ling bei sich ha­ben.

      Es sind nun 102 Pas­sa­gie­re, die ein­ge­pfercht auf dem zu­vor schon en­gen Ka­no­nen­deck Quar­tier be­zie­hen. Die Mann­schaft um­fasst noch ein­mal 36 Per­so­nen, da­zu kom­men noch mehr als ein Dut­zend Of­fi­zie­re. Die May­flo­wer ist rest­los über­füllt und platzt aus al­len Näh­ten.

      Die Stim­mung ist ex­plo­siv und es kommt ver­mehrt zu klei­ne­ren Strei­tig­kei­ten.

      Mr. Mar­tin ver­schärft die an­ge­spann­te Si­tu­a­tion an Bord auch noch durch eine For­de­rung: »Ich be­ste­he da­rauf, dass man mich zum Gou­ver­neur unse­rer Ge­mein­schaft wählt und ich er­war­te, dass al­le Pas­sa­gie­re an Bord da­mit ein­ver­stan­den sind!«, ver­langt er laut­stark.

      »Wie kommt ihr da­rauf, dass wir euch über­haupt wol­len«, ruft Ed­ward Til­ley vol­ler Zorn aus und die an­de­ren stim­men ihm zu.

      Mr. Mar­tin wirkt zu­tiefst be­lei­digt. »Nach al­lem was ich für euch ge­tan ha­be«, stößt er ge­kränkt her­vor, wo­rauf wie­der Tu­mult aus­bricht und die Män­ner wü­tend durch­ei­nan­der­schrei­en.

      »Bit­te gebt nach, um des lie­ben Frie­dens Wil­len, da­mit wir end­lich auf­bre­chen kön­nen!«, drän­gen Re­ve­rend Car­ver und El­der Brews­ter die auf­ge­brach­ten Män­ner. Mit gu­ten Wor­ten ge­lingt es ih­nen aber nicht, die An­de­ren zu über­zeu­gen.

      Schließ­lich hat Wil­liam Brad­ford eine Idee: »Unter der Be­din­gung, dass Mr. Mar­tin nur Gou­ver­neur für die Dau­er der Rei­se sein wird. So­bald wir die Ko­lo­nien er­rei­chen, muss neu ab­ge­stimmt wer­den«, schlägt er vor. End­lich ge­ben die Män­ner zäh­ne­knir­schend nach und Mr. Mar­tin ak­zep­tiert die Be­din­gung, wenn auch wi­der­wil­lig. Er ist in sei­nem Stolz ge­trof­fen und sucht nach Leu­ten, die sei­ner Ei­tel­keit schmei­cheln. Mein Va­ter sieht zu, dass er ihm aus dem Weg geht. Sei­ne Sym­pa­thien für Mr. Mar­tin ha­ben deut­lich nach­ge­las­sen seit dem De­sas­ter mit den Fi­nan­zen in Sou­thamp­ton.

      Es ist ein er­grei­fen­der Ab­schied, als die not­dürf­tig ge­flick­te Speed­well mit we­ni­gen Rei­sen­den und oh­ne einen ihrer Of­fi­zie­re, Tho­mas Eng­lish, der sich uns an­ge­schlos­sen hat, die Rück­fahrt nach Lon­don an­tritt.

      Ka­pi­tän Jo­nes spricht schließ­lich ein Macht­wort: »Wir müs­sen jetzt auf­bre­chen, wenn wir heil über den At­lan­tik kom­men wol­len. War­ten wir noch län­ger, wer­den wir an den Win­ter­stür­men schei­tern«, be­en­det er die trä­nen­rei­chen Um­ar­mun­gen.

      Am 16. Sep­tem­ber ver­las­sen wir schließ­lich Ply­mouth und bre­chen end­gül­tig in die Neue Welt auf.

      Leben an Bord

      Nach­dem wir nun be­reits zwei Mo­na­te an Bord le­ben, seh­ne ich mich da­nach, wie­der an Land zu woh­nen.

      All mei­ne Träu­me­rei­en, die ich von Schif­fen und aben­teu­er­li­chen Rei­sen ge­habt ha­be, sind mir rest­los ver­gan­gen.

      Ich emp­fin­de das Le­ben an Bord schier un­erträg­lich. Über­all lie­gen, sit­zen und ste­hen Men­schen. Wir kle­ben förm­lich an­ei­nan­der. Da­zwi­schen tür­men sich unse­re Klei­der und Ge­schirr. Man­che Leu­te ha­ben ihre Haus­tie­re bei sich. Es gibt Kä­fi­ge mit Vö­geln und ei­ni­ge ha­ben ihre Kat­zen mit­ge­bracht, was stän­dig für Auf­ruhr sorgt, wenn die Kat­zen gegen die Kä­fi­ge sprin­gen und die Vö­gel in To­des­angst da­rin he­rum­flat­tern.

      Es gibt kei­nen tro­cke­nen Ort, al­les ist ir­gend­wie feucht und mod­rig. Kei­ner von uns kann sich or­dent­lich wa­schen an Bord und der Ge­stank, nach mensch­li­chen Aus­düns­tun­gen und schmut­zi­gen Klei­dern ist über­wäl­ti­gend. An den gro­ben Bret­ter­ver­schlä­gen unse­rer be­helfs­mä­ßi­gen Ko­jen, hän­gen Ei­mer, die zur Ver­rich­tung der Not­durft die­nen. Ob­wohl sie häu­fig ge­leert wer­den, ist der Ge­ruch bes­tia­lisch. Die stän­di­ge Dun­kel­heit, die uns auf dem Zwi­schen­deck um­gibt, ist zer­mür­bend.

      Es gibt kaum Platz zu ko­chen und die Frau­en drän­gen sich an den be­helfs­mä­ßi­gen Koh­le­pfan­nen. Je­de Fa­mi­lie ist für die Zu­be­rei­tung ihres eige­nen Es­sens zu­stän­dig. Der Schiffs­koch ver­sorgt nur die Be­sat­zung.

      Eines Ta­ges bin ich da­bei, Lunch für mei­ne Fa­mi­lie zu ma­chen. Wir krie­gen täg­lich die Ra­tio­nen für unse­re Fa­mi­lien, von einem der Quar­tier­meis­ter zu­ge­teilt. Heu­te ha­be ich ein Stück ein­ge­sal­ze­nes Rind­fleisch be­kom­men mit Zwie­beln und Boh­nen. Ich ma­che einen Ein­topf da­raus, aber es dau­ert ewig, bis das zä­he Fleisch so durch­ge­gart ist, dass es ge­nieß­bar wird. Ei­ni­ge Frau­en war­ten mit ihren Kör­ben vol­ler Es­sen, dass ich end­lich die Koch­stel­le ver­las­se, so­dass sie dran kom­men.

      Einer von ih­nen wird die War­te­rei zu bunt und sie drängt sich an den an­de­ren vor­bei. »Komm Mäd­chen, mach wei­ter! Was kochst du da, Stie­fel­fet­zen?«, fährt sie mich an und schubst mich grob zur Sei­te.

      Ich er­ken­ne in ihr Mrs. Bil­ling­ton, die mir mit ihrer Fa­mi­lie un­an­ge­nehm im Ge­dächt­nis ge­blie­ben ist. Ich bin zu er­schro­cken, um et­was zu er­wi­dern, und star­re sie nur aus gro­ßen Au­gen an. Da schiebt sich eine schlan­ke blon­de Frau, de­ren schwan­ge­rer Bauch sich deut­lich unter den Fal­ten ihres Klei­des wölbt, zwi­schen uns und baut sich vor Mrs. Bil­ling­ton auf. »Wenn ich es ab­war­ten kann, das Din­ner für mei­ne Fa­mi­lie zu ko­chen, be­vor ich nie­der­kom­me, dann wer­det ihr euch wohl auch in Ge­duld fas­sen kön­nen.«

      Sie klingt sehr be­stimmt und starrt der äl­te­ren Frau, die zwar stäm­mig aber deut­lich klei­ner ist als sie, streng in die Au­gen. Die um­ste­hen­den Frau­en mur­meln zu­stim­mend und Mrs. Bil­ling­ton schaut sich un­si­cher um. »Na ja, wie ihr meint Mrs. Whi­te«, gibt sie klein­laut nach und trollt sich wie­der in die Schlan­ge der War­ten­den zu­rück. Mrs. Whi­te lä­chelt mich trium­phie­rend an und zwin­kert mir zu. Ich er­wi­de­re dank­bar ihr Lä­cheln und tre­te wie­der an mei­nen Kes­sel