S.C. Bauer

Wir kamen mit der Mayflower


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kann man auch han­deln.«

      »Ihr seid wirk­lich gut in­for­miert, Mrs. Hop­kins.«

      »Das kommt da­her, dass mein Mann be­reits ei­ni­ge Zeit in der Neu­en Welt ge­lebt hat. Es gibt dort seit mehr als 10 Jah­ren eine Ko­lo­nie, na­mens James­town. Er ge­lang­te nach einer schreck­li­chen See­rei­se dort­hin, bei der er Schiff­bruch er­litt und das Le­ben in James­town war auch nicht ein­fach. Im­mer wie­der wur­de die Sied­lung von In­dia­nern an­ge­grif­fen und die Leu­te lit­ten unter Hun­ger und Krank­hei­ten. Den­noch blieb Ste­phen ei­ni­ge Jah­re in James­town und hat den Leu­ten dort ge­hol­fen die Sied­lung auf­zu­bauen.«

      Der Stolz in Eli­za­beth Hop­kins Stim­me ist nicht zu über­hö­ren und wir lau­schen ge­bannt ihren Wor­ten. Es ist das ers­te Mal, dass wir et­was über die Neue Welt er­fah­ren. Bis­her ha­ben wir kei­ne Ah­nung, was uns dort er­war­tet und die Un­si­cher­heit, macht vor al­lem uns Frau­en zu schaf­fen.

      Wir ken­nen auch nie­man­den, der schon unter den In­dia­nern ge­lebt hat. Ob­wohl wir be­reits In­dia­ner ge­se­hen ha­ben, die als Skla­ven nach Lon­don ge­bracht wur­den, wis­sen wir we­nig über sie. Die meis­ten von ih­nen ster­ben rasch hier. Ih­nen be­kommt we­der das eng­li­sche Wet­ter noch das raue Le­ben als Skla­ven. Sie er­zäh­len nichts von ihrer Hei­mat, so sie über­haupt unse­re Spra­che spre­chen.

      Mr. Hop­kins kommt in Be­glei­tung sei­ner bei­den Die­ner, Ed­ward Do­ty und Ed­ward Leis­ter zu uns. Es sind der­be Män­ner mit har­ten Ge­sich­tern, die nicht sehr ver­trau­ens­er­we­ckend aus­se­hen. »Wir müs­sen los, Eli­za­beth«, drängt Ste­phen Hop­kins sei­ne Frau, an Bord zu ge­hen.

      Auch für uns wird es Zeit. Die Mat­ro­sen tref­fen be­reits An­stal­ten aus­zu­lau­fen. Mei­ne Mut­ter nutzt die Ge­le­gen­heit, von den Mar­tins fort­zu­kom­men, und be­glei­tet Mrs. Hop­kins ins Zwi­schen­deck. Sie hilft ihr, sich dort ein­zu­rich­ten.

      Das Mäd­chen an Eli­za­beth Hop­kins Sei­te, das im Al­ter mei­nes Bru­ders ist, schließt sich mir an und wir ge­hen nach draußen auf das Vor­deck. Sie heißt Cons­tan­ce und ist Mr. Hop­kins Toch­ter aus ers­ter Ehe.

      »Kennst du die Fa­mi­lie Til­ley?«, fragt sie mich und deu­tet auf ein äl­te­res Ehe­paar, bei denen ein dun­kel­haa­ri­ges Mäd­chen steht, das et­was jün­ger ist als ich, un­ge­fähr in Cons­tan­ces Al­ter. Ich schütt­le lä­chelnd den Kopf.

      »Das Mäd­chen bei den al­ten Leu­ten ist nicht ihre En­ke­lin, son­dern ihre Toch­ter Eli­za­beth. Stell dir vor ihre Mut­ter ist schon über ein hal­bes Jahr­hun­dert alt«, er­zählt mir Cons­tan­ce fas­sungs­los.

      Ich muss la­chen. »Nun dann war es ein Wun­der, dass sie so spät noch ein Kind ge­kriegt hat«, er­wi­de­re ich amü­siert.

      Cons­tan­ce wirft mir einen ver­schwö­re­ri­schen Blick zu und beugt sich flüs­ternd zu mir. »Die Leu­te mei­nen, Mrs. Til­ley ist eine He­xe und hat einen Pakt mit dem Teu­fel ge­schlos­sen, da­mit sie Eli­za­beth emp­fan­gen konn­te.«

      Ich hal­te nicht viel von sol­chen Ge­schich­ten und schaue Cons­tan­ce un­gläu­big an. »Aber das sind doch wüs­te Schau­er­mär­chen, die man klei­nen Kin­dern er­zählt.«

      »Ja und wenn es doch wahr ist?«, fragt mich Cons­tan­ce mit erns­ter Mie­ne.

      »Dann wird sie uns al­le ver­he­xen und wir wer­den als Frö­sche in der Neu­en Welt le­ben«, flach­se ich.

      Wir la­chen bei­de über die­se Vor­stel­lung.

      Ich fin­de Cons­tan­ce ab­ge­se­hen von ihrem Aber­glau­ben, sehr sym­pa­thisch. Sie hat ein freund­li­ches of­fe­nes We­sen, und viel Ge­duld mit ihrer klei­nen Schwes­ter Da­ma­ris, die erst ein Jahr alt ist, und ihr stän­dig am Rock­zip­fel hängt.

      Wir se­hen zu, wie die letz­ten Pas­sa­gie­re an Bord ge­hen, und blei­ben auch dort, als die May­flo­wer schließ­lich ab­legt. Die ers­te Etap­pe unse­rer gro­ßen Rei­se führt uns nach Sou­thamp­ton, wo wir uns mit den Leu­ten aus Lei­den tref­fen wer­den. Ich ha­be ein flau­es Ge­fühl im Ma­gen, als wir uns vom Ufer ent­fer­nen und er­grei­fe spon­tan Cons­tan­ces Hand. Sie scheint sich da­rü­ber zu freu­en und um­fasst mei­ne Fin­ger mit leich­tem Druck.

      So ste­hen wir Hand in Hand und se­hen auf die Leu­te, die am Kai zu­rück­blei­ben und win­ken.

      See­vö­gel krei­sen über unse­ren Köp­fen und ihr Krei­schen klingt, wie ein Ab­schieds­lied. Es ist Mit­te Ju­li, als unser Aben­teuer be­ginnt.

      Southampton, die Saints

      Die Fahrt nach Sou­thamp­ton dau­ert nicht lan­ge.

      Wir se­geln die Them­se hi­nunter an der Süd­küs­te Eng­lands ent­lang und ich ge­nie­ße das sanf­te Schau­keln der May­flo­wer und den fri­schen Wind an Deck. Wir kom­men frü­her als die Grup­pe aus Lei­den an, die erst am 22. Ju­li in Delfts­ha­ven in Hol­land an Bord ihres Schif­fes ge­hen wird. Sie se­geln mit der Speed­well, einem Schiff, das wir al­le ge­mein­sam fi­nan­ziert ha­ben und das bei uns in den Ko­lo­nien blei­ben soll.

      Wir nut­zen die Zeit, wäh­rend wir auf sie war­ten, um uns mit fri­schem Pro­viant für die Rei­se ein­zu­de­cken. Die Kauf­leu­te Sou­thamp­tons sind er­freut und je­der ver­sucht, mit uns ein gu­tes Ge­schäft zu ma­chen. Mr. Mar­tin, der unse­re Fi­nan­zen ver­wal­tet, kauft wahl­los ein und zahlt die über­teu­er­ten Prei­se der Händ­ler, oh­ne zu feil­schen.

      Das er­weckt den Un­mut ei­ni­ger Mit­rei­sen­den. »Er gibt unser Geld zu leicht­fer­tig aus«, mel­det auch mein Va­ter Be­den­ken an. Kei­ner wagt je­doch, ihm Ein­halt zu ge­bie­ten. Al­le wol­len war­ten, bis Mr. Car­ver und Mr. Cush­man da sind, die mit der Grup­pe aus Lei­den kom­men.

      Wir ken­nen sie mitt­ler­wei­le als klu­ge, ge­wis­sen­haf­te Gent­le­men auf die wir ver­trau­en kön­nen. Ge­mein­sam ha­ben sie in Lon­don und Can­ter­bu­ry um­sich­tig Schiffs­zwie­back, ge­sal­ze­nes Schwei­ne-und Rind­fleisch, ge­trock­ne­te Erb­sen und Boh­nen und Bran­dy be­sorgt und auf die May­flo­wer brin­gen las­sen. Mit der Speed­well kom­men noch Werk­zeu­ge und Han­dels­wa­ren, wie Glas­per­len, für die In­dia­ner, so­wie noch mehr Pro­viant. In Sou­thamp­ton kauft jetzt Mr. Mar­tin fri­sche Le­bens­mit­tel wie Bier und But­ter, Kä­se und Früch­te, die ge­ne­rell teu­er sind.

      Es ist ein war­mer Som­mer­tag, als die Speed­well an­kommt und ich ma­che mit Cons­tan­ce eben einen Spa­zier­gang an Land.

      Wir pflü­cken Blu­men, als Cons­tan­ce mich ruft und auf das Schiff deu­tet, das lang­sam in den Ha­fen ein­fährt. Ich bin er­staunt, dass die Speed­well viel klei­ner ist, als die May­flo­wer. »Wie vie­le Leu­te pas­sen wohl auf die­ses Schiff? Sie sieht im Gegen­satz zur May­flo­wer ge­ra­de­zu win­zig aus«, fra­ge ich Cons­tan­ce. Sie zuckt mit den Ach­seln.

      Lang­sam schlen­dern wir zum Kai, um die Neu­an­kömm­lin­ge zu be­grü­ßen. Ei­ni­ge unse­rer Rei­se­ge­fähr­ten von der May­flo­wer er­war­ten be­reits vol­ler Auf­re­gung ihre An­kunft. Sie sind teil­wei­se be­kannt mit den Leu­ten aus Lei­den und die Til­le­ys ha­ben so­gar Ver­wand­te auf der Speed­well. Freu­dig be­grüßt John Til­ley sei­nen Bru­der Ed­ward mit sei­ner Frau Ag­nes. Sie trägt ein klei­nes Mäd­chen auf dem Arm und ein jun­ger Mann in mei­nem Al­ter folgt ih­nen.

      »Die Til­le­ys aus Lei­den ha­ben kei­ne eige­nen