S.C. Bauer

Wir kamen mit der Mayflower


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Män­ner aus Lei­den, als ar­me Schlu­cker, die froh sein durf­ten über­haupt mit da­bei zu sein. Mr. Car­ver, der wie du weißt, sehr wohl­ha­bend ist und sein Ver­mö­gen in die­se Rei­se ge­steckt hat, über­hör­te sei­ne Be­lei­di­gun­gen und ver­such­te, ihn sanft­mü­tig zur Ver­nunft zu brin­gen. Doch er wur­de von Mr. Mar­tin an­ge­brüllt, dass nie­mand das Recht hät­te sich zu be­schwe­ren außer ihm selbst.«

      Ich bin sehr er­bost, als ich hö­re, wie Mr. Mar­tin mit mei­nem ver­ehr­ten Mr. Car­ver um­geht. »Wie kann er so mit ihm re­den? Ich be­daue­re es, kein Mann zu sein, denn ich wür­de ihm ge­wiss Ma­nie­ren bei­brin­gen.«

      Pe­ter lacht, als ich das sa­ge und meint: »Die In­dia­ner müs­sen sich wohl vor dir in Acht neh­men, so krie­ge­risch wie du bist.«

      Das bringt auch mich zum La­chen. Ich bin sehr froh, dass Pe­ter uns be­glei­tet auf unse­rer Rei­se, denn ich ver­ste­he mich sehr gut mit ihm.

      Da Pe­ter viel Zeit bei der Mann­schaft des Schif­fes ver­bringt, er­fah­re ich von ihm auch mehr über die See­leu­te. Wir ha­ben einen jun­gen Arzt an Bord, Gi­les Hea­le, der bei einem Mr. Bla­nie eben sei­ne Leh­re als Bader­chi­rurg be­en­det hat. Ka­pi­tän Jo­nes hat sei­nen jun­gen Ver­wand­ten Ri­chard Gar­di­nar ein­ge­stellt und einen wei­te­ren Ver­wand­ten für die Rei­se an­ge­heu­ert. Es ist John Al­den, der Kü­fer, der mich vor dem Sturz be­wahrt hat. Ich er­wäh­ne mit kei­nem Wort, dass ich be­reits sei­ne Be­kannt­schaft ge­macht ha­be.

      In den fol­gen­den Ta­gen scheint es, als hät­ten die Leu­te aus Lei­den ihre Strei­te­rei­en mit Mr. Mar­tin bei­ge­legt. Mr. Cush­man hält jetzt ein wach­sa­mes Au­ge auf Mr. Mar­tins Aus­ga­ben. Da­rü­ber sind auch die Mit­rei­sen­den aus unse­rer Grup­pe er­leich­tert, al­len vo­ran mein Va­ter. Wir ha­ben eine Men­ge zu ver­lie­ren, das Geld ist knapp und wir kön­nen es uns nicht leis­ten, es zu ver­schleu­dern.

      In Sou­thamp­ton ge­hen noch mehr Pas­sa­gie­re an Bord der Speed­well. Mr. Cush­man und Mr. Car­ver neh­men vier frem­de Kin­der in ihre Ob­hut. Es han­delt sich um die Söh­ne und Töch­ter des ade­li­gen Mr. Mo­re aus Shrops­hi­re, die aus einer ehe­bre­che­ri­schen Be­zie­hung sei­ner Frau stam­men. Er will sie nicht in sei­nem Haus ha­ben und ver­fügt, dass sie in die Ko­lo­nien ge­schickt wer­den.

      »Wir wer­den gut für sie sor­gen«, trös­tet der gut­her­zi­ge Mr. Car­ver, ihre auf­ge­lös­te Mut­ter, die ab­so­lut nicht mit der Ent­schei­dung ihres Ehe­man­nes ein­ver­stan­den ist.

      Ich se­he zu, wie man die ängst­lich wir­ken­den Kin­der an Bord der Speed­well bringt.

      Wahr­schein­lich ha­ben sie in den Ko­lo­nien bes­se­re Chan­cen auf ein an­stän­di­ges Le­ben, als wenn sie in Lon­don in einem Wai­sen­haus auf­wach­sen, den­ke ich im Stil­len.

      Eine Fa­mi­lie na­mens Bil­ling­ton fällt un­an­ge­nehm auf, als sie an Bord der Speed­well ge­hen. Es sind ge­wöhn­li­che Leu­te, ein Mann und eine Frau in mitt­le­ren Jah­ren, die von ihren zwei he­ran­wach­sen­den Söh­nen be­glei­tet wer­den. Die Frau re­det laut und vul­gär. Ihr Kleid hat Fle­cken und als ich ver­stoh­len zu ihr hin­se­he, nimmt sie eben ihre Hau­be ab, schnäuzt sich ge­räusch­voll hi­nein und setzt sie wie­der auf. Ich schütt­le mich.

      Ihr Mann scheint be­trun­ken zu sein. Er lacht sehr laut und grölt. Sei­ne Söh­ne ha­ben schlech­te Ma­nie­ren und sto­ßen sich gegen­sei­tig rü­pel­haft an, als sie an uns vo­rü­ber ge­hen.

      Sie pas­sen nicht wirk­lich zu den üb­ri­gen Leu­ten aus Lei­den die ru­hig und höf­lich er­schei­nen und ich fra­ge mich, wie sie zu der Grup­pe ge­kom­men sind. Ihre Mit­rei­sen­den wer­fen ih­nen schee­le Bli­cke zu, doch nie­mand er­mahnt sie we­gen ihres Be­tra­gens.

      Ich bin mit mei­nem Va­ter und Jo­seph an Land, da mein Va­ter für uns fri­sches Obst be­sorgt hat. Ge­mein­sam tra­gen wir die Früch­te jetzt zu unse­rem Schiff. Als wir eben an Bord ge­hen wol­len er­regt eine Prü­ge­lei unse­re Auf­merk­sam­keit. Einer der Bil­ling­ton Jun­gen schlägt sich mit einem an­de­ren Jüng­ling ganz in unse­rer Nä­he. Mr. Brad­ford, ein Dru­cker aus Lei­den, den wir schon ken­nen­ge­lernt ha­ben, steht an der Re­ling der Speed­well und ruft einen wei­te­ren Mann zu Hil­fe, be­vor sie über die Plan­ken lau­fen, um die Streit­häh­ne zu tren­nen.

      Mein Herz setzt für einen Mo­ment aus, um dann wie wild wei­ter zu schla­gen. Der Mann bei Mr. Brad­ford ist je­ner Frem­de, der mich durch sei­nen in­ten­si­ven Blick so aus der Fas­sung ge­bracht hat.

      An die­sem Tag trägt er einen leich­ten Brust­pan­zer über sei­nem Wams und er sieht sehr ent­schlos­sen aus, als er die Rauf­bol­de grob von­ei­nan­der trennt. Of­fen­bar ist er kampf­erprobt und es ist gar nicht not­wen­dig, dass ihm Mr. Brad­ford be­hilf­lich ist.

      »Ver­zieh dich, Klei­ner«, schickt er den Ben­gel der nicht zu unsern Leu­ten ge­hört mit be­fehls­ge­wohn­ter Stim­me weg. Den jun­gen Bil­ling­ton hält er am Kra­gen ge­packt. »Hör zu Bürsch­chen! Be­nimm dich, oder ich ver­pas­se dir die Prü­gel dei­nes Le­bens«, droht er ihm und schüt­telt ihn be­kräf­ti­gend durch.

      Mr. Brad­ford sieht, wie wir mit gro­ßen Au­gen da­ste­hen und ge­bannt auf die Sze­ne star­ren, die sich vor uns ab­spielt. Er kommt zu uns und lä­chelt be­schwich­ti­gend. »Ich be­dau­re die­sen Vor­fall, Mr. Mul­lins und kann euch ver­si­chern, dass so et­was nicht wie­der vor­kommt«, ent­schul­digt er sich bei mei­nem Va­ter.

      »Nun ich hof­fe, es gibt nicht noch mehr ge­walt­tä­ti­ge Leu­te unter euch«, meint mein Va­ter pein­lich be­rührt. Ich ha­be ähn­li­che Sor­gen. Es wür­de sich als schwie­rig er­wei­sen mit sol­chen Men­schen zu­sam­men­zu­le­ben, an einem Ort wo je­der auf den an­de­ren an­ge­wie­sen ist.

      Der jun­ge Bil­ling­ton wischt sich sei­ne blu­ti­ge Na­se und trollt sich zu­rück auf das Schiff. Mr. Brad­ford ruft den Mann in dem Brust­pan­zer und winkt ihn zu uns he­ran, um ihn mei­nem Va­ter vor­zu­stel­len. Mir klopft das Herz bis zum Hals, als er nun zu uns rü­ber kommt. Ich ha­be kei­ne Ah­nung, was mit mir los ist, aber ich kann mei­ne Au­gen nicht von ihm las­sen.

      »Mr. Mul­lins, das ist Cap­tain Mi­les Stand­ish. Er sorgt da­für, dass die Ord­nung auf­recht bleibt«, stellt ihn Mr. Brad­ford zu­ver­sicht­lich lä­chelnd vor. Wir er­fah­ren, dass Cap­tain Stand­ish ein er­fah­re­ner Of­fi­zier ist, der in der kö­nig­li­chen Ar­mee ge­dient hat. Die Lei­de­ner Grup­pe hat ihn an­ge­wor­ben, da­mit er unser mi­li­tä­ri­scher Lei­ter in der Neu­en Welt wird.

      Er drückt mei­nem Va­ter kräf­tig die Hand. Dann fällt sein Blick auf mich und er lä­chelt mir zu. Wie­der ha­be ich das Ge­fühl, dass er mir bis in die See­le schaut und mer­ke, wie ich rot wer­de. Schnell hef­te ich mei­ne Au­gen auf mei­ne Schuh­spit­zen und murm­le einen Gruß. Sei­ne Stim­me ist voll und dun­kel, er wirkt sehr selbst­be­wusst. Mein Va­ter fin­det ihn of­fen­bar recht sym­pa­thisch, und sie be­gin­nen sich zu unter­hal­ten.

      Ich wa­ge es nicht, mei­ne Au­gen, zu heben, bis ich die sanf­te Stim­me einer Frau hö­re. Sie ist klein und zier­lich, hat gro­ße blaue Au­gen und fei­nes blon­des Haar. »Mi­les? Ich su­che dich schon seit einer gan­zen Wei­le«, sagt sie ein we­nig ver­zagt und schaut ihn da­bei vor­wurfs­voll an. Cap­tain Stand­ish lä­chelt ihr nach­sich­tig zu und nimmt ihren Arm. »Darf ich euch mei­ne Ge­mah­lin, Ro­se, vor­stel­len, Mr. Mul­lins?«, wen­det er sich an mei­nen Va­ter.

      Sie