S.C. Bauer

Wir kamen mit der Mayflower


Скачать книгу

      Aber Ka­pi­tän Jo­nes schüt­telt ener­gisch den Kopf: »Ich las­se sie nicht al­lei­ne den At­lan­tik über­que­ren und be­la­de mein Ge­wis­sen mit Schuld, wenn sie elen­dig­lich er­sau­fen«.

      Al­so be­glei­tet die May­flo­wer trotz der Pro­tes­te der Rei­sen­den die Speed­well nach Ply­mouth.

      »Ich wer­de mich wohl mit dem Ge­dan­ken an­freun­den müs­sen, mein Kind auf dem Schiff zu krie­gen«, sagt Mrs. Hop­kins be­un­ru­higt. Ihr Bauch ist rie­sig und die Ge­burt ihres Kin­des steht kurz be­vor. Mei­ne Mut­ter be­schwich­tigt sie, flüs­tert mir je­doch so lei­se zu, dass es nie­mand hört: »Wahr­schein­lich hat sie recht. Sie wird auf See ge­bä­ren.«

      Als wir in Ply­mouth an Land ge­hen, be­ob­ach­te ich, wie Ro­se Stand­ish ver­gnügt mit einer an­de­ren jun­gen Frau ki­chert und tu­schelt. Sie schnei­den Ge­sich­ter und be­neh­men sich recht al­bern für er­wach­se­ne Frau­en. Cons­tan­ce, die mei­nem Blick folgt, klärt mich auf, wer die Frau bei Ro­se Stand­ish ist. »Das ist Mr. Brad­fords Frau, Do­ro­thy. Die Brad­fords sind eng be­freun­det mit den Stand­ish´s und die bei­den Frau­en kle­ben förm­lich an­ei­nan­der.«

      »Du weißt aber auch Al­les«, er­wi­de­re ich ein we­nig lahm. Cons­tan­ce freut sich und ver­steht mei­ne Wor­te als Lob. Ver­stoh­len mus­te­re ich Ro­se Stand­ish. Sie ist wirk­lich un­ge­wöhn­lich hübsch und fast bin ich ein we­nig nei­disch auf sie.

      Kurz da­rauf er­le­ben wir die nächs­te Ent­täu­schung.

      Die Speed­well kann nicht so­weit see­tüch­tig ge­macht wer­den, dass sie die Über­fahrt auf dem stür­mi­schen At­lan­tik über­steht.

      Das ist ein har­ter Schlag für al­le, da das Schiff wich­tig ge­we­sen ist, für die Er­rich­tung der Ko­lo­nie. Es be­deu­tet zu­dem einen her­ben fi­nan­ziel­len Ver­lust, der al­le Mit­glie­der unse­rer Ge­sell­schaft be­trifft. Unser Geld ist mitt­ler­wei­le so knapp ge­wor­den, dass wir ei­ni­ge der teu­re­ren Le­bens­mit­tel, wie But­ter und Kä­se, in Ply­mouth wie­der ver­kau­fen müs­sen, um die Ha­fen­ge­büh­ren zu be­zah­len.

      Ei­ni­ge Mit­rei­sen­de bei­der Grup­pen sind so ent­mu­tigt, dass sie nicht mehr in die Neue Welt fah­ren wol­len. Sie über­le­gen, wie­der nach Lon­don oder Lei­den zu­rück­zu­keh­ren, und viel­leicht zu einem spä­te­ren Zeit­punkt nach­zu­kom­men. Re­ve­rend Car­ver steigt auf eine höl­zer­ne Bank und spricht zu ih­nen.

      »Brü­der in Chris­tus«, be­ginnt er und das auf­ge­reg­te Ge­re­de ver­stummt. Al­le se­hen jetzt zu ihm und hö­ren ihm zu. »Wir al­le sind ent­täuscht, doch es ist in Got­tes Hand, wel­che Prü­fun­gen er uns auf­erlegt. Ver­ges­sen wir nicht, dass wir Saints sind, aus­erwählt, Be­son­de­res zu leis­ten zu Eh­ren des Al­ler­höchs­ten. Muss­ten wir nicht schon zahl­rei­che Hin­der­nis­se über­win­den, als wir unse­re Hei­mat ver­lie­ßen we­gen unse­res Glau­bens, um in einem frem­den Land unser Le­ben neu auf­zu­bauen? Wie viel Blut, Schweiß und Trä­nen ha­ben wir ver­gos­sen, doch im­mer ist es uns ge­lun­gen, mit unser Hän­de Arbeit Neu­es zu er­schaf­fen. Es wird uns ge­wiss al­les ab­ver­lan­gen, in einem wil­den, frem­den Land er­neut von vor­ne zu be­gin­nen. Doch ist es nicht An­sporn ge­nug für uns al­le, dass wir in Frei­heit, nach den Re­geln unse­res Herrn, im rech­ten Glau­ben le­ben dür­fen? Sind wir es nicht unse­ren Kin­dern und all je­nen, die uns an­ver­traut sind, und auch al­len die auf uns ver­trau­en und uns unter­stüt­zen, schul­dig, jetzt unse­ren Teil zu er­fül­len? Ist es nicht unse­re Be­stim­mung, eine neue Hei­mat zu er­schaf­fen, für all je­ne, die ver­folgt und ge­knech­tet sind und de­ren Hoff­nun­gen auf eine bes­se­re Zu­kunft, nun auf uns ru­hen?«

      Re­ve­rend Car­ver hält eine wun­der­ba­re Pre­digt, die al­len zu Her­zen geht.

      Er be­schließt mit Wor­ten der Er­mu­ti­gung und er­mahnt uns, den Glau­ben, nicht zu ver­lie­ren und wei­ter­hin auf Gott zu ver­trau­en, doch er stellt je­dem frei zu ge­hen oder zu blei­ben.

      Vie­le von uns wol­len trotz al­ler Wid­rig­kei­ten die Rei­se fort­set­zen. Die Brad­fords, Car­vers, die Brews­ters, Mar­tins, Whi­tes, Wins­lows, Aller­tons, Ful­lers, Til­le­ys ja selbst die Hop­kins, ob­wohl Eli­za­beth´s Ge­burt na­he be­vor­steht, wir, die Mul­lins na­tür­lich und noch ei­ni­ge an­de­re Fa­mi­lien. Unser Wil­le ist un­ge­bro­chen und wir wol­len nicht auf­ge­ben.

      Wir hel­fen al­le mit, Werk­zeu­ge, Rüs­tun­gen, Waf­fen, Klei­dung und Bett­wä­sche von der Speed­well auf die May­flo­wer um­zu­la­den. Ich be­kom­me mit, dass auch Mi­les Stand­ish und sei­ne Frau Ro­se, bei uns an Bord blei­ben und kann nicht ver­hin­dern, dass mein Herz einen er­freu­ten Sprung macht. Ich schütt­le über mich selbst den Kopf.

      Ich be­mer­ke, dass Ed­ward und John Til­ley sich auf­fal­lend für die Ka­no­nen der May­flo­wer in­te­res­sie­ren. Sie be­gut­ach­ten sie ein­ge­hend und ich hö­re un­frei­wil­lig ihr Ge­spräch mit an.

      »Da­mit ha­ben wir schon ein sehr gu­tes Ar­gu­ment, wenn die In­dia­ner frech wer­den«, meint John Til­ley und streicht vol­ler Be­wun­de­rung über das Ka­no­nen­rohr.

      Ed­ward Til­ley lacht. »Da­mit wer­den wir ih­nen schon er­klä­ren, dass sie al­le ihre Pel­ze gegen unse­re Glas­per­len ein­tau­schen müs­sen«. Bei­de la­chen me­ckernd und ich füh­le mich ab­ge­sto­ßen von ihren Re­den.

      Als ich Pe­ter da­von er­zäh­le, meint er bloß: »Du bist eine Frau und ver­stehst das nicht. Män­ner müs­sen sich im­mer be­wei­sen, der Kampf­geist liegt uns im Blut.«

      Viel­leicht hat er recht, aber ich kann die­ser Ein­stel­lung so gar nichts ab­ge­win­nen.

      Es herrscht gro­ße Hek­tik und im­mer wie­der kommt es zu Strei­tig­kei­ten, we­gen der Din­ge, die zu­rück­ge­las­sen wer­den müs­sen. Der La­de­raum ist hoff­nungs­los voll­ge­stopft, mit Le­bens­mit­teln, Ge­rät­schaf­ten und Ge­brauchs­gegen­stän­den.

      Zahl­rei­che Mit­glie­der der Grup­pe aus Lei­den drän­gen sich mit eben­so vie­len Leu­ten unse­rer Lon­do­ner Grup­pe auf die May­flo­wer.

      Ei­ni­ge, die nun doch ger­ne mit­kom­men wol­len, müs­sen zu­rück­blei­ben. Mr. Cush­man und Re­ve­rend Car­ver ent­schei­den, dass Fa­mi­lien, die ge­sund­heit­lich an­ge­schla­gen oder sonst ir­gend­wie be­ein­träch­tigt sind, zu­rück­blei­ben sol­len. »Wir wer­den all unse­re Kraft brau­chen, um in der neu­en Ko­lo­nie zu über­le­ben, und brau­chen ro­bus­te Ge­fähr­ten«, er­klärt Mr. Cush­man.

      Die Zu­rück­blei­ben­den ha­ben Ver­ständ­nis da­für, be­son­ders als sich Mr. Cush­man frei­wil­lig zu­rück­zieht und sei­nen Platz zur Ver­fü­gung stellt. »Ich füh­le seit ge­rau­mer Zeit, ein Bren­nen und Ste­chen in mei­ner Brust. Ich den­ke nicht, dass ich noch lan­ge durch­hal­ten wer­de«, sagt er ge­zwun­gen und fasst sich über­trie­ben an die Brust.

      »Es ist ein Wun­der, dass er über­haupt noch lebt, so leicht er­reg­bar wie er ist«, raunt mein Va­ter ab­schät­zig.

      Cush­mans Freun­de Tho­mas Blos­som, der eben­so wie Mr. Cush­man Dia­kon ist, und Wil­liam Ring mit sei­ner Fa­mi­lie, be­schlie­ßen, ihn nach Lei­den zu­rück­zu­be­glei­ten. Nun ist neben Re­ve­rend Car­ver nur noch der Kir­chen­äl­tes­te Wil­liam Brews­ter zur geis­ti­gen Füh­rung der Leu­te an Bord.

      Es ist be­son­ders