S.C. Bauer

Wir kamen mit der Mayflower


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hat eine Frau«, wen­de ich zö­gernd ein.

      Su­san­nah gibt ein schnau­ben­des Ge­räusch der Ent­rüs­tung von sich. »Oh ja, die hat er. Ob­wohl er sie am liebs­ten ver­ges­sen wür­de. Er hat sie bei den Brad­fords unter­ge­bracht, wie du weißt, und sieht so sel­ten wie mög­lich nach ihr.«

      In der en­gen Ge­mein­schaft in der wir le­ben, ist es mir nicht ver­bor­gen ge­blie­ben, dass die Be­geg­nun­gen der Bei­den we­nig an­ge­nehm sind. So­bald Ro­se ihren Gat­ten zu Ge­sicht be­kommt, macht sie ihrer Ent­täu­schung Luft und ze­tert an­kla­gend, dass er sich so gut wie gar nicht um sie küm­mert, was of­fen­sicht­lich stimmt.

      Ich füh­le mich ge­drängt ihn den­noch zu ver­tei­di­gen. »Es ver­drießt ihn, dass sie stän­dig jam­mert, und klagt.«

      Su­san­nah nickt zu­stim­mend. »Ja, sie ist eine rech­te Heul­su­se, die sich nicht da­mit ab­fin­den kann, dass ein Ehe­mann sich an­ders ver­hält als der zärt­li­che Lieb­ha­ber, der er, wäh­rend der Braut­wer­bung war.«

      Ich schaue Su­san­nah über­rascht an. Ich ha­be das noch nie be­dacht, son­dern hän­ge eben­falls ger­ne ro­man­ti­schen Vor­stel­lun­gen nach.

      Su­san­nah lacht, als sie mein ver­wun­der­tes Ge­sicht sieht. »Pri­scil­la, du bist un­be­rührt, du kannst das nicht wis­sen. So­bald du einen Mann ge­hei­ra­tet hast, ver­wan­delt er sich vom strah­len­den Rit­ter in einen ge­wöhn­li­chen Men­schen. Wenn du klug ge­wählt hast, so wirst du den­noch zu­frie­den sein in eu­rer Ver­bin­dung. Die eins­ti­ge Ro­man­tik wird nun durch Ka­me­rad­schaft­lich­keit er­setzt und eu­re Lie­be wird tie­fer.«

      Ich lau­sche ge­spannt ihren Wor­ten. Sie hat eine Art, die Din­ge zu er­klä­ren, so­dass ich sie ver­ste­hen kann. Mei­ne Mut­ter be­schränkt sich stets da­rauf, mir bloß ein­zu­bläu­en, was ich zu tun oder zu las­sen ha­be.

      »Mi­les Stand­ish ge­hört zu je­nen Män­nern, die der ewi­ge Rit­ter sind. Auf­re­gend und ge­heim­nis­voll. Aber er taugt nicht für den All­tag, glaub mir. Sei­ne Frau kann ein Lied da­von sin­gen«, fährt sie fort.

      Ich fin­de ihr Urteil über ihn sehr hart.

      »Ich kann nicht glau­ben, dass er so einen schlech­ten Cha­rak­ter hat, wie du meinst«, er­wi­de­re ich ab­weh­rend.

      Su­san­nah sieht mich ver­schmitzt an. »Na­tür­lich nicht! Weil du in ihn ver­liebt bist!«

      Ich pro­tes­tie­re, aber sie winkt läs­sig ab. »Schon gut, Pri­scil­la. Spa­re dir die Wor­te. Ich ha­be nicht ge­sagt, dass er einen schlech­ten Cha­rak­ter hat. Er taugt nur nicht zum Ehe­mann.«

      Ich bin die­ses Ge­spräch nun leid und ver­su­che es zu be­en­den. »Es er­üb­rigt sich, wei­ter da­rü­ber zu strei­ten, Su­san­nah. Wie du be­reits ge­sagt hast, ist er ver­hei­ra­tet und so­mit ist unser Ge­spräch Zeit­ver­schwen­dung.«

      Aber sie ist noch nicht fer­tig, mir ihre Sicht der Din­ge zu of­fen­ba­ren. »Ge­nau. Eben da­rum soll­test du be­den­ken, was es über einen Mann aus­sagt, der schon eine Frau hat und einer an­de­ren nach­stellt. Oder glaubst du, dass er dir die Treue hal­ten wür­de, mit Leib und Geist?«

      Ich schaue sie sprach­los an. Da­rauf fällt mir nichts mehr ein.

      Sie nickt zu­frie­den. »Denk da­rü­ber nach Pri­scil­la, be­vor du dein Herz an den fal­schen Mann ver­lierst.«

      »Weil ja die Rich­ti­gen Schlan­ge ste­hen, nicht wahr«, er­wi­de­re ich sar­kas­tisch.

      Da­rü­ber muss Su­san­nah la­chen und ich stim­me in ihr Ge­läch­ter mit ein.

      Unser Ge­spräch ver­an­lasst mich je­doch da­zu, dass ich mich noch mehr be­mü­he, nicht zu viel über Mi­les Stand­ish nach­zu­den­ken. Aber er sitzt hart­nä­ckig wie eine Klet­te in den Haa­ren, in mei­nem Kopf fest und so­bald ich ihn se­he, klopft mein Herz wie wild in mei­ner Brust. Mir wird be­wusst, dass Kön­nen und Wol­len nicht das­sel­be sind und ich muss mir ein­ge­ste­hen, dass ich macht­los gegen die auf­kei­men­den Ge­füh­le in mei­nem Her­zen bin.

      Der Sturm

      Wir be­fin­den uns auf ho­her See, als die May­flo­wer in die Win­ter­stür­me ge­rät. Das Schiff tanzt wild auf und ab in dem un­ru­hi­gen Ozean und wir wer­den or­dent­lich durch­ge­schüt­telt. Ich den­ke be­un­ru­higt an Pe­ters Wor­te, die nun wahr zu wer­den schei­nen.

      Durch das Schau­keln des Schif­fes, wird das flaue Ge­fühl im Ma­gen, zu an­hal­ten­der Übel­keit.

      Unser Le­ben, das zu­vor schon sehr un­be­quem war, wird nun zur Qual.

      Der Sturm presst das Schiff in die Flu­ten und durch den Druck dringt Was­ser durch die Rit­zen des Schif­fes, und durch­nässt uns bis auf die Haut. Das sti­cki­ge feuch­te Zwi­schen­deck, auf dem wir zu­sam­men­ge­pfercht hau­sen, ist er­füllt von dem Wür­gen und Spu­cken, das uns der dau­ern­de Brech­reiz ab­ver­langt. Das Ge­räusch der ge­quäl­ten Men­schen, die ihren Ma­gen­in­halt wie­der nach oben be­för­dern und der wi­der­lich säuer­li­che Ge­ruch von Er­bro­che­nem wir­ken an­ste­ckend und kaum einer von uns bleibt von der See­krank­heit ver­schont.

      Die See­leu­te ma­chen sich über unser Elend lus­tig und be­schimp­fen uns als stin­ken­de lä­cher­li­che Land­rat­ten, die es ver­die­nen wür­den, dass die See sie ver­schlingt. Ein Mat­ro­se treibt es be­son­ders wild mit sei­nen Ver­un­glimp­fun­gen. »Ich freue mich schon da­rauf, euch den Fi­schen zum Fraß vor­zu­wer­fen. Hof­fent­lich kre­piert ihr bald an eu­ren Lei­den! Dann wer­de ich mir all eu­re Sa­chen neh­men und mir ein gu­tes Le­ben da­mit ma­chen«, ruft er uns ge­häs­sig zu. Mich er­schreckt sein Hass auf uns und ich ver­su­che, nicht hin­zu­hö­ren und ihn so gut es geht zu mei­den.

      Wil­liam But­ten, der jun­ge Mann, der mit Sa­muel Ful­ler, Su­san­nahs Bru­der, als Die­ner an Bord kam und der die gan­ze Zeit schon kränk­lich ist, geht es be­son­ders schlecht. Er ist blass und dünn und hat mit einem hart­nä­cki­gen Hus­ten zu kämp­fen. Nun macht ihm die See­krank­heit noch mehr zu schaf­fen, so­dass er apa­thisch auf sei­nem Stroh­sack liegt und sich kaum noch rührt.

      Sa­muel Ful­ler, der in Lei­den eine Aus­bil­dung als Chi­rurg ab­sol­viert hat, küm­mert sich um ihn. »Wir müs­sen ihn auf die Sei­te dre­hen, sonst er­stickt er an sei­nem Er­bro­che­nem«, be­merkt er und Su­san­nah und ich hel­fen ihm da­bei, den jun­gen Mann in die Sei­ten­la­ge zu dre­hen.

      »Ich blei­be bei ihm und ach­te da­rauf, dass er sich nicht wie­der auf den Rü­cken rollt«, er­klärt sich Su­san­nah be­reit. Ihr Bru­der nickt ihr dank­bar zu und geht zu sei­nem Stroh­sack, um ein we­nig zu schla­fen. Ich set­ze mich zu ihr und leis­te ihr Ge­sell­schaft.

      But­tens Zu­stand ver­schlech­tert sich im Lau­fe der Nacht. Er hat kaum noch Kraft, den zä­hen Schleim ab­zu­hus­ten, der ihm ab­wech­selnd mit der wäss­ri­gen Flüs­sig­keit hoch­kommt, die er er­bricht. Su­san­nah holt ihren Bru­der Sa­muel und ich pas­se auf, dass But­ten auf der Sei­te lie­gen bleibt. Dr. Ful­ler legt sein Ohr an den Brust­korb des Jun­gen und schüt­telt be­dau­ernd den Kopf. »Da ist ein Ras­seln und Pfei­fen zu hö­ren, ich fürch­te, er lei­det an der Schwind­sucht. Wir kön­nen nicht viel für ihn tun.« Sa­muel kehrt wie­der zu sei­ner Ko­je zu­rück.

      Mei­ne Mut­ter, die nach Eli­za­beth ge­se­hen hat, kommt zu uns he­rü­ber einen Lum­pen an den Mund ge­presst, um das gal­le­bit­te­re Zeug auf­zu­fan­gen, das