Wolfgang Cremer

Eine Insel in 650m Höhe


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keiner wird auf mich warten. Aber jede Verletzung ist ein Drama. Nicht vorstellbar wenn ich mir ein Bein breche oder gar einen Oberschenkelhalsbruch erleiden würde. Das wäre dann mein Todesurteil.

      Also packe ich mir wieder alles auf und gehe langsam und den Blick starr und aufmerksam nach unten gerichtet voran. Der Gedanke an eine Verletzung bereitet mir unglaubliche Angst. Mit aller Kraft versuche ich mich auf etwas anderes zu konzentrieren ohne jedoch meinen Weg aus den Augen zu verlieren. Nach vielleicht einer Stunde höre ich dieses verfluchte Grollen wieder und die Erde beginnt zu zittern. Augenblicklich sinke ich zu Boden und halte die Luft an. Doch noch bevor ich in Panik geraten kann, ist es wieder vorbei. Ich bleibe am Boden und ruhe mich etwas aus. Als nach einer Viertelstunde die Erde immer noch ruhig ist, stehe ich auf und gehe weiter. Unter anderen Umständen wäre ich jetzt begeistert. Die Sonnenstrahlen lassen den Laubwald wunderschön erscheinen. Die Vögel singen allesamt die tollsten Lieder und hier und da ist Wild zu sehen. Vom Hasen bis zum Reh zeigt sich eine große Anzahl dieser Tiere auf der Insel. Auch wenn ich zur Zeit nicht die geringste Ahnung habe wie ich ein solches Geschöpf töten, ausweiden und essen soll, gibt die Situation mir trotzdem ein kleines Stück Hoffnung. Ruhig und besonnen muss ich darüber nachdenken, was nun für mein Überleben in der Wildnis am Wichtigsten ist. Eine Prioritätenliste für das Überleben werde ich erstellen, nüchtern und sachgerecht planen und durchführen. Kein Wenn und Aber, keine Anstrengung zu groß, keine Entbehrung zu viel und kein Ekel zu extrem. Ja, rede ich mir ein, so ist es zu schaffen.

      Es ist später Nachmittag als ich wieder am LKW ankomme. Wie ein Fremdkörper steht er da. Irgendwann wird die Natur die Straße und den LKW überwuchert und verschlungen haben. Richtig, einen Friedhof mit einem männlichen Toten habe ich ja auch schon. Verdammt was für Gedanken. Ich mustere den LKW kurz und erkenne keinerlei Veränderungen. Logisch, wer sollte auch hier etwas verändern. Ich gehe weiter und suche die rechte Straßenseite nach dem Feldweg zur Hütte ab. Ich müsste ihn doch längst erreicht haben und dennoch ist nichts zu erkennen. Doch da ist meine Markierung auf der Straße und ich atme durch.

      Wenn ich die Markierung nicht gelegt hätte, wäre ich glatt daran vorbei gegangen. Ich mache die Markierung nochmals deutlicher und biege auf den fast nicht sichtbaren Weg ab. Klar, das Gras ist gewachsen und da längere Zeit hier keine Autoreifen mehr ihr Profil eingegraben haben beginnt die Natur bereits ihr Werk der Übernahme. Und das schein ihr sehr gut zu gelingen. Ich konzentriere mich auf den Weg und bin fast sicher, dass wenn ich jetzt zum ersten Male hier gehen würde, ich den Weg nicht mehr erkennen könne. Ich musste also unbedingt diesen Weg kenntlich machen, wie sollte mich sonst jemand finden wenn es überhaupt jemanden geben würde der hier auf dieser verlassenen Waldinsel jemanden suchen würde. Da war die Biegung und dann lag es vor mir.

      Die Wiederkehr

      Mein kleines Paradies. Ich will gerne zugeben, dass ich schon ein wenig das Gefühl hatte wieder nach Hause zu kommen. Ich legte alle Lasten auf der Terrasse ab und sah mir die Eingangstüre an. Beim Verlassen hatte ich einen Faden beim Zuziehen der Türe oben eingespannt. Wenn die Türe nun in der Zwischenzeit geöffnet worden wäre, wäre der für jeden Besucher unsichtbare kleine Faden zu Boden gefallen. Aber der Faden war noch genau da wo ich ihn eingeklemmt hatte. Ich betrat die Hütte und öffnete alle Fensterschläge um genügend Licht zu haben und packte dann meinen Rucksack aus. Es war noch richtig warm und ich beschloss vor dem Schlafen noch etwas für meine Hygiene zu unternehmen. Auch wenn es doch einiges an Aufwand bedeutete, ich bereitete mir ein Bad vor und genoss das warme fast heiße Wasser. Ich zwang mich zusätzlich noch zu einem Haarschnitt und einer Rasur um aus mir wieder einen kultivierten Menschen zu machen. Mittlerweile war es dunkel geworden und der Mondschein ließ den Weiher silbern glänzen. Es war noch warm und ich beschloss mein Abendessen draußen einzunehmen. Der ungarische Feuertopf machte seinem Namen alle Ehre und ich aß wirklich mit großem Appetit. Dann setzte ich mich entspannt in den Schaukelstuhl, zündete mit eine der Zigarren an und genoss den Grappa in kleinen Schlucken. Ja, ich war zu Hause und es war wirklich ein wunderbares Zuhause. Irgendwann bin ich dann wohl eingenickt denn zu meiner großen Überraschung wurde ich durch die Vögel geweckt und die Sonne erhellte bereits das Land.

      Nachdem ich mich gereckt und gestreckt hatte, konnte ich auf der oberen Weiherseite wieder das Wild an der Tränke sehen. Ein wunderschöner Anblick. Nach der Morgentoilette und einem Frühstück begann ich über meine Prioritätenliste nachzudenken. Gut die Hütte war natürlich ideal und bot mir jeden nur möglichen Schutz und das bei höchstem Komfort den ich mir hier vorstellen konnte. Brennholz war für viele Jahre im Voraus vorhanden. Fertig gesägt, gespalten und auf das Maß für den Supertollen Ofen in der Hütte bearbeitet. Natürlich wusste ich nicht wie viel der Ofen im Winter verbrauchte, aber ich würde die Vorratsmenge sicherlich auf mindestens 8 Jahre schätzen. Aber das war ja auch kein Problem. Hier gab es ja Holz in Hülle und Fülle. Die umgestürzten Bäume boten sich ja geradezu als Brennholz an. Also Heizen und Kochen war auch kein Problem, selbst auf viele Jahre war die komfortable Unterkunft gesichert. Das wichtigste überhaupt auf dieser Insel von Meerwasser umgeben, war das Trinkwasser. Von wo hob die Pumpe das Wasser in den Hüttentank. Wo kam es her und stand es eigentlich immer zur Verfügung? Diese Frage hatte höchste Priorität, denn ohne Essen konnte man einige Zeit leben, aber nicht ohne Trinkwasser. Die zweite Priorität war die Nahrung. Ich ging in den sogenannten Garten und schaute mich um. Ja hier waren jede Menge Sträucher die von Kartoffelpflanzen sein dürfen. Ich zählte 50 Sträucher und überlegte wann die wohl geerntet werden können. Die Erde war sehr weich und ich grub mit bloßen Händen eine Pflanzenseite frei. So in 20cm Tiefe fand ich die ersten beiden Kartoffelknollen. Sie waren noch relativ klein, schätzungsweise 3cm und daher würden sie noch einige Zeit benötigen. Ok, die Zeit sollten sie haben. Die Bohnen waren schon recht hoch an den Holzgestellen hochgewachsen und ich schätzte die Bohnenlänge auf vielleicht 5-6cm. Also auch hier war noch etwas warten angesagt. Mit großer Verwunderung bemerkte ich die große Menge an Champions unter den Bäumen. Zudem viele Butterpilze im Bereich der Kiefern. Das Abendessen war gesichert und das sollte auf Dauer eine willkommene Abwechslung sein. Auf der Wiese befanden sich einige Obstbäume. Obschon noch klein trugen sie aber bereits Früchte. Ich probierte einen Apfel und er schmeckte sehr gut. Es gab noch Pflaume und Birne. Kirchen auch, aber die schienen sich die Vögel bereits gesichert zu haben. Die Sträucher hatten ebenfalls schon Früchte. Himbeere, Stachelbeere und Johannisbeeren boten sich an. Also gut, ab jetzt würde es zwei Obsttage in der Woche geben. Ich ging kauend zurück zur Hütte und ja natürlich, ich musste lernen zu jagen. Sehr schnell lernen. Mit dem Bogen schießen und mit der Angel fischen mussten ein ständiges Tagesprogramm werden. Ich nahm mir vor jeden Morgen eine gefühlte Stunde Bogenschießen üben und anschließend eine Stunde oder mehr Angeln. Und abends das gleiche. Und über den Tag verteilt wollte ich zunächst nach dem Wasserursprung suchen und mit den Holzstangen die ich am Schuppen gesehen hatte kleine Brücken schaffen um die Spalten und Gräben bis zur Straße schneller begehen zu können. Wenn Hilfe kam, so würde diese von der Straße oder das was noch davon übrig war kommen. Also eine gut sichtbare Wegleitung von der Straße zur Hütte. In der Winterzeit bin ich garantiert auf meine Jagdergebnisse angewiesen um nicht hungern zu müssen. Also gehe ich in den Schuppen wo ich die unterschiedlichsten Zielscheiben finde. Ich befestige eine an einem Baum so etwa mit der Mitte in Augenhöhe als mir klar wird, so werde ich nie schießen. Das größte wird ein Reh sein und wenn ich es mir recht überlege wäre das völlige Verschwendung. Wie sollte ich dieses große Tier verarbeiten.

      Unmöglich selbst alles zu essen und keine Möglichkeit das Fleisch haltbar zu machen. Ja klar im Winter wenn es richtig frieren sollte war es kein Problem, aber ansonsten fehl am Platz. Das richtige wären die Hasen die scheinbar unbegrenzt zur Verfügung stehen oder eines der kleineren und jungen Wildschweine. Mein Gott, ich durfte nicht darüber nachdenken, dass ich diese Tiere töten und ausweiden musste. Aber zunächst einmal musste ich in der Lage sein überhaupt eines zu kriegen. Ich holte den kleineren Bogen aus der Hütte und einen Köcher mit 10 Pfeilen. Bei einem Abstand von 10m begann ich meine Karriere als Bogenschütze. Mit einer kleinen Harke grub ich eine Vertiefung in der ich die Zielscheibe stellte und mit Erde fixierte. Der rote Mittelpunkt war nun nur 20cm vom Boden entfernt und stellte das Ziel dar. Überrascht stellte ich fest wie stark man den Bogen spannen musste und nachdem ich die ersten 10 Pfeile verschossen