Wolfgang Cremer

Eine Insel in 650m Höhe


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Stelle schließen. Als ich das Fernglas schon ablegen wollte, sah ich es wieder. Sofort lenkte ich ein und fuhr auf diese Stelle zu. Natürlich nicht ohne immer wieder mit dem Fernglas zu schauen. Dennoch war ich bereits in den ersten Baumkronen als ich den Durchgang sah. Da kam also der Lichtblitz her. Wenn der Wind die Äste weit genug auseinander drückte, schien die Sonne kurz dadurch. Ich steuerte das Kanu durch die inzwischen vielleicht bis zu drei Meter hohen Baumkronen als sich unvermittelt eine größere Stelle öffnete.

      Wie eine Bucht reichte das Wasser in einem Halbkreis von vielleicht 150m bis auf eine Lichtung die früher wohl mal eine Wiese gewesen war. 5 Rehe und diverse Hasen schauten verwundert auf diesen Eindringling bevor sie in Fluchtgeschwindigkeit in den angrenzenden Laubwald verschwanden. Ein wunderschönes Stück Landschaft lag vor mir wie an einem Naturstrand fiel die Wiese ins Wasser ab. Die Breite der Lagune schätzte ich auf etwa 50m und die Wiese hatte bestimmt auch eine Tiefe von mehr als 80 Meter. Ich legte an und versuchte an Land meine Gelenke und Muskeln wieder in Schwung zu bringen. Lächelnd dachte ich an die Indianerfilme die ich als Kind gesehen hatte, wo nach vielen Stunden Kanufahrt die Kämpfer aus ihren Booten sprangen und leichtfüßig die tollsten Kämpfe ausstanden. Jetzt wusste ich dass das schier unmöglich war. Wer nach einigen Stunden aus einem Kanu steigt ist in seinem Bewegungsablauf in den Bewegungsabläufen wie ein alter Mann.

       Ich sah mir die Wiese etwas genauer an, konnte aber nichts Besonderes finden was auf einen früheren Besuch von Menschen hingedeutet hätte. Ich gönnte mir ein Mittagsmahl und eine kurze Pause die ich mit langsamen Gehen und Lockerungsübungen verbrachte. Ich ging die Wiese einmal rundherum und wunderte mich über den schmalen Kanal der mit Meerwasser gefüllt im Gestrüpp des Waldes verschwand. Sicher war das auch eine der Scharten die bei genügender Tiefe das Meerwasser mitführten. Wieweit mochte dieser Kanal in den Wald hineinreichen? Ich ging eine ganze Zeit an ihm entlang und er blieb so bei einer Breite von einem bis anderthalb Meter. An manchen Stellen halt was mehr oder weniger. Mit einem Ast von etwa 2m Länge konnte ich so gerade den Boden treffen. Ob sich das lohnen würde dem einmal nachzugehen und zu erfahren wo und wie das ganze denn endete. Ich kam zu dem Schluss, dass ich jetzt schon über eine halbe Stunde an diesem Kanal verplempert hatte und sah keinen direkten Erfolg darin. Also ging ich wieder zurück, packte alles zusammen und dann fuhr ich aus der Lagune heraus und nahm meine Fahrt wieder auf. Diese riesige Lagune war tatsächlich nicht vom Meer einzusehen, so sehr ich mich auch bemühte den Eingang nochmals zu entdecken. Das Wetter blieb gut und ich kam recht gut voran. Allerdings begannen meine Arme und Muskeln sich wieder eindrucksvoll zu melden und rieten mir zu einer längeren Pause. Am Ufer wechselte die Landschaft nun ständig. Nadelwald, Laubwald und Wiesenbereiche boten ein abwechslungsreiches Bild und ließen auch die Geschwindigkeit sicherlich höher erscheinen als sie eigentlich war. Es war bereits später Nachmittag als ich die Straße sah. Ich fuhr hin und legte an. Nichts hatte sich verändert in den Tagen seit ich hier war.

      Ich baute mein Zelt auf und richtete mein Nachtlager ein. Am liebsten hätte ich mich sofort hingelegt, zwang mich aber zu einer warmen Mahlzeit. Hier gab es in dem kleinen Bach genügend Wasser um meine Vorräte aufzufüllen und eine Suppe herzustellen. Voller Hoffnung war ich bis zu dieser Stelle gekommen und ich konnte mich noch gut an die Strapazen und Schmerzen meines Fußes erinnern. Diesem hatte die ruhige Zeit an der Hütte und jetzt im Kanu sehr gut getan. Doch wie ging es jetzt weiter. Wo würde ich morgen Abend sein, wo die nächste Nacht verbringen? Erschöpft stieg ich in meinen Schlafsack und hatte wieder eine traumlose Nacht die erst durch das laute Vogelgezwitscher beendet wurde. Voller Erwartung der heutigen Ereignisse die mich erwarten würden verstaute ich meine Habe in das Kanu und fuhr nach einem kurzen Frühstück ab mit ungewissem Ziel. Die Sonne scheint und es wird ein schöner warmer Tag. Weit rechts am Horizont ist ein dunkler Streifen der mit Sicherheit Land bedeutet. Aber diese weite Strecke völlig frei würde ich mich nie im Leben trauen. Nicht in einem Kanu und was anderes habe ich nicht. Klar den Angelkahn am Weiher. Aber der ist erstens so schwer, dass es sicher unmöglich ist ihn hier zu Wasser zu bringen und zum zweiten wäre er wohl auch nicht für diese große Strecke geeignet. Ich will nicht mit dem Schicksal hadern sondern konzentriere mich wieder auf meine jetzige Fahrt. Der Kompass wandert ständig hin und her, aber ich glaube, dass er zunehmend die Richtung nach Süden einschlägt.

      Eine Stunde später bin ich sicher, die Richtung hat gewechselt und es geht nach Süden. Der Landstrich ist nun hinter mir und verschwindet langsam. Nach rechts ist weit und breit nur Wasser auszumachen. Doch gerade vor mir habe ich den Eindruck ist ein neuer dunkler Streifen am Horizont. Viel kleiner als der auf der anderen Seite, aber er ist da. Nach einiger Zeit habe ich den Eindruck der Streifen wandert zur rechten Seite ab und ich starre auf den Kompass. Ich hoffe auf eine Täuschung und starre verzweifelt auf die tänzelnde Nadel die ständig in Bewegung ist. Dennoch bin ich nach einer weiteren Stunde sicher. Es geht wieder nach Westen. Schlagartig wird mir die Bedeutung dieser Tatsache bewusst. Ich bin nicht auf einer Halbinsel sondern ich bin einsam und verlassen sowie völlig auf mich alleine gestellt auf einer Insel. Eine Insel die meinen Berechnungen etwa 10km breit und 25km lang ist. Ein riesiges Gebiet sicherlich fast alles Wald und ohne Zweifel ohne Menschen. Ich lebe mit den Tieren dieses Waldes alleine in diesem Gebiet. Die Tränen kann ich nicht mehr unterdrücken. Zu groß ist die Enttäuschung und die Furcht vor der Zukunft. Wie soll ich überleben, wie diese Insel verlassen. Bin ich nun wirklich gezwungen das Risiko einzugehen und auf diese Landstriche am Horizont zuzuhalten. Ich erachte dies als nahezu unmöglich. Es gab bisher keinen Tag ohne Wind auf dieser Insel. Daher könnte ich auch nicht darauf hoffen eine solche Überfahrt ohne Wind zu schaffen. Der Wind jedoch, dass hatte ich bereits festgestellt, war der größte Feind für das Kanu. Wenn er seitlich kam, bot das an den Seiten sehr weit hochgezogene Boot eine zu große Angriffsfläche. Da konnte man paddeln wie man wollte. Der Druck des Windes war stärker und das das Kanu keinen Kiel hatte, gab es einfach kein halten. Der Wind drückte das Kanu seitlich unaufhörlich weg. Ich hätte nicht die geringste Chance mein Ziel zu erreichen und würde ohne eine vernünftige Navigation hoffnungslos verloren sein.

      Es ist keine Option denke ich und paddle verzweifelt weiter. Die Dämmerung setzt schon ein als das andere Ende der Straße in mein Sichtfeld kommt. Fast wäre ich auch noch vorbeigefahren. Das hätte jetzt auch noch in meinem Unglück gefehlt. Meine Verzweiflung steigert meine Wut und ich paddle wie wild zwischen die jetzt aus dem Wasser kommenden Baumspitzen durch. Dann ist die Straße da und ich laufe mit voller Geschwindigkeit auf den Teer auf. Dieses schabende Geräusch bringt mich zu den Tatsachen zurück. Ich Idiot, was mache ich da. Reicht das Problem mit der Insel noch nicht, muss ich auch noch das gute Boot zerstören. Ich steige aus und nachdem ich das Boot entladen habe drehe ich es zur Seite um mir den Schaden anzusehen. Ein Glück das der Besitzer viel Geld ausgegeben hat und eine so gute Qualität kaufte. Der Unterboden war lediglich angekratzt und hatte keine großen Schäden verursacht. Ich baute schnell mein Zelt auf und nahm widerwillig etwas Essbares zu mir. Morgen würde ich wieder in der Hütte sein und würde dann überlegen was nun zu tun wäre. Obwohl ich sterbensmüde und unglaublich erschöpft war konnte ich nicht einschlafen. Tausende Gedanken gingen mir durch den Kopf und ich fand keinerlei Lösung auf alle meine Fragen. Eine Insel, einsam und verlassen auf einer menschenleeren Insel. Immer wieder kam dieser Gedanke und ich konnte mich nicht davon entfernen. Wie auch, mein Leben hängt davon ab. Hatte ich hier überhaupt eine Chance zu überleben. Das für und wider jagte immer aufs Neue durch meinen Kopf und schließlich erbarmte sich der Geist und schickte mich in einen tiefen Schlaf.

      Als ich erwachte stand die Sonne bereits hoch. Es mochte vielleicht schon 10:00 Uhr sein und ich dachte böse darüber nach was es denn auch wohl ausmachte. Wen interessiert es wohl, wie lange ich in diesem kleinen Zelt schlafe. Ich stehe auf und beschäftige mich sehr unlustig mit der Morgentoilette. Dann frühstücke ich ohne großen Appetit und packe dann erst einmal das Kanu zusammen. Ich lade mir alles auf und beginne meine Wanderung zur einigen Zufluchtsstelle die ich habe. Die ich Gott sei Dank habe. Wirklich mein Gott wie danke ich dir für die Entdeckung dieses kleinen Paradieses. Ich stoße mit dem Fuß gegen eine hochstehende Wurzel und ein wilder Schmerz durchzuckt mich. Sofort lasse ich mich zu Boden gleiten und entlaste den Fuß. Das ist ja ein toller Beginn. Ich schnalle mir den Rucksack und das Kanupaket ab und überlege ob ich den Schuh ausziehen soll. Von früheren Wanderungen kenne ich die Situation mit Verstauchungen nur zu gut. Nein, keinesfalls ausziehen sondern ganz langsam und ohne große Belastung auftreten. Es schmerzt