Anita Florian

Die Ungeliebten


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mit gewissem Stolz, den sie auch vor anderen Menschen nicht verborgen hielt, ihn rigoros lobte und ihn ins hellste Licht stellte. Sie versorgte ihn mit Geld, wenn er sich wieder pleite vor ihr aufbaute und sie um mehrere Hundert Schilling bat. Er fühlte sich noch zu jung um zu arbeiten, das könne er sich für den Rest seines Lebens für später aufheben, erst einmal das Leben genießen, danach wird sich schon was finden. Mit seinen 22 Jahren lag die ganze Welt vor ihm, die Arbeit liefe nicht weg, es gab vorerst andere Dinge die wichtiger sind als eine dauerhafte Beschäftigung. Sein Drang, hinaus in die Welt zu schweifen wurde zunehmend größer. Geld spielte dabei keine Rolle. Es funktioniert auch ohne Geld, und irgendwie wird es ihm gelingen, sich das Nötigste zu beschaffen und durchzukommen. Schließlich bliebe er ja nicht für immer weg, seine geliebte Freundin würde warten und sich freuen, wenn er wieder auftauche und sie in die Arme nehme.

      Sie hielten vor einem grauen, gepflegten Haus inne in dem mehrere Parteien wohnten. Die Tür stand offen, eine abgetretene Holztreppe führte nach oben zu den Wohnungen. Ferry zog Franzine über die Eingangsstufe und führte sie in den ersten Stock. Das Holz knarrte, es roch nach frisch Gebackenen, irgendwo weinte ein Kleinkind, über ihnen übte jemand auf der Blockflöte.

      „Nur Mut“, redete er ihr zu, „meine Familie wird dich herzlich empfangen, sie sind schon sehr neugierig auf dich, keine Angst, mein Schatz.“ Er zog leicht an Franzines Zopf, schüchtern nickte sie, ihr Herz klopfte schnell und sie befürchtete, dass man es durch ihre Bluse sehen könnte.

      Ohne anzuklopfen traten sie ein, Stimmengemurmel trat aus der vor ihnen liegenden Tür, der Duft nach Zimt erfüllte die Luft. Gleich danach würde die Tür aufgerissen, eine dünne, weißhaarige Frau wischte sich rasch die Hände an der schwarzen Satinschürze ab und blickte freudig auf die Liebenden.

      „Guten Tag Mutter, das ist Franzine, meine Freundin“, sagte Ferry kurz und blickte auf Franzine, die etwas gebeugt ihre Hand zum Gruß ausstreckte.

      „Ich freue mich Sie kennen zu lernen“, ihre Stimme verlor sich beinahe und fast wäre sie in die Knie für einen Knicks gesunken. Sie schüttelten heftig die Hände, die weißhaarige Frau sah ihr lächelnd ins Gesicht, betrachtete die Zöpfe die ihr zu gefallen schienen. Franzine wurde rot, sie schämte sich, riss sich zusammen und lächelte ebenfalls.

      „ Ah, Franzine, nicht wahr? Ich bin Senta, du darfst mich gerne so nennen, Mutter sagt mein Bub auch nur selten, aber kommt rein, nehmt Platz , Annelie, Pepp und Thorsten sind da, der Kaffee ist gleich fertig, der Apfelstrudel kommt auch bald aus dem Rohr, kommt näher, Tanno wird gleich zurückkommen, bitte setzt euch hin.“ Sie betraten eine geräumige Küche, um den großen Tisch in der Mitte saßen Ferrys Verwandte und starrten neugierig auf Franzine, die sich unsicher näherte und jeden einzelnen die Hand schüttelte und freundlich grüßte. Beide setzten sich dazu und Annelie stellte sich und ihre Familie vor.

      „Das ist Joseph, mein Mann, wir nennen ihn alle Pepp, Ferrys Bruder, er sieht ihm zwar nicht ähnlich, aber irgendwie merkt man es schon. Neben mir sitzt mein Sohn Thorsten, unser Goldengelchen, er ist brav, lieb und ehrlich dank unserer Erziehung, wir sind alle sehr stolz auf ihn.“ Franzine betrachtete den dicken, kleinen Jungen der Schokobonbons futterte und so gut wie keinen Blick für sie übrig hatte. Gierig steckte er sich eins nach den anderen in den Mund, schmatzte und schluckte laut hinunter. Er muss so um die sechs Jahre alt sein, dachte Franzine und hielt sich ein lautes Lachen zurück. Pepp saß am anderen Ende des Tisches und nickte ihr zu.

      „Du kannst gerne Annelie zu mir sagen, Thorsten, gib der neuen Tante doch die Hand, sieh mal wie hübsch sie ist und wie lang ihre Zöpfe sind, ich habe ja leider nicht so schönes Haar, Thorsten, sag guten Tag, sei ein braver Junge.“ Annelie bemühte sich umsonst, ihr kleiner Sohn schmatzte weiter, er schien die Worte seiner Mutter nicht gehört zu haben. Franzine erkannte, dass seine Mutter nichts ausrichten konnte, Ferry indessen blickte den Jungen mit zornerfüllten Augen an, Thorsten begann zu wimmern und schmiegte sich an seine Mutter.

      „Er hat noch etwas Scheu vor dir, das gibt sich wenn er dich besser kennt“, entschuldigte Annelie das Verhalten ihres Sohnes und umarmte ihn zärtlich. Ferry verhielt sich still, er konnte die Auffassung Annelies nicht nachvollziehen, für ihn war diese Frau zu unfähig ihr Kind zu einem normalen Menschen aufzuziehen. Die Scham verbot ihm aufzubrausen und seine Meinung hinaus zu schreien. Unterdessen stellte Senta eine große Kanne Kaffee auf den Tisch und deckte die mit Vergissmeinicht geblümten Tassen und Unterteller vor jedem Gast auf. Aus dem Backrohr holte sie ein großes Blech mit Apfelstrudel heraus und der Duft dieses köstlichen Gebäcks strömte in den Raum. Jeder bekam ein großes Stück serviert, alle aßen mit großem Appetit, nur Franzine würgte jedes Stück tapfer hinunter. Ein lautes Poltern durchbrach die essende Runde und Ferrys Vater Tanno stürmte zur Tür herein.

      „ Da komme ich ja genau richtig“, rief er, trat auf Franzine zu und umarmte sie mit festem Druck. Er roch nach Alkohol und Tannennadeln, mit dunkler Knickerbocker bekleidet, kräftig an Statur, ließ er sich auf einen Sessel nieder, aß zwei riesige Stück Strudel und unterhielt die Anwesenden mit Witzen und Anekdoten aus seinem Leben. Der Nachmittag verflog im Nu, es wurde erzählt, gelacht und sogar gesungen, Thorsten schunkelte mit seiner Mutter, Pepp und Ferry besprachen ihren nächsten Ausflug der sie auf den Gipfel einer Alpe führen sollte, Franzine und Annelie schlossen Freundschaft und verabredeten sich schon nächste Woche in Pepps und Annelies Haus das nur einige Kilometer talaufwärts leicht zu erreichen wäre. Nach Einbruch der Dunkelheit verabschiedete sich Franzine von Ferrys Eltern und Verwandten, er brachte sie wohlbehalten wieder nach Hause und Franzine meinte, das dies ein gelungener Nachmittag gewesen war. Endlich war es überstanden, das Kennenlernen seiner Eltern verlief besser als sie es sich vorgestellt hatte. Nun lag ihrer Zukunft mit Ferry nichts mehr im Wege, die Weichen sind gestellt, ein neuer Lebensabschnitt der sie glücklich werden ließe und natürlich Ferrys Anhängerschaft, die sie sofort ins Herz geschlossen hatten, bedeuteten für sie ein sicheres Leben mit ihm, den Mann, den sie über alles liebte und begehrte. Keine Macht der Erde könnte sie noch aufhalten.

      Die Begegnung mit Franzines Mutter Freya verlief weniger erfolgreich. Wenige Tage nach Franzines Besuch bei Ferrys Eltern, vereinbarten sie bei ihr zu Hause den Tag, um ihren Zukünftigen Freya vorzustellen. Auch Freya servierte Selbstgebackenes, erzählte von Eduard, der nun nicht mehr am Leben war und betrachtete mit Sorge ihre Tochter. Ihr ist nicht entgangen

      welchen Blick Ferry in manchen Situationen an den Tag legte. Sofort fielen ihr seine starr wirkenden Augen auf, seine manchmal schwer zu verbergende aufbrausende Art und die lieblos, oftmals spöttischen unüberlegten Worte, die aus seinem Munde hervor kamen fast beleidigend wirkten. Er lachte laut auf, als Freya unabsichtlich ihre schön gestickte Tischdecke mit Kaffee bekleckerte. Franzine schien es nicht zu stören, sie war zu beschäftigt ihrer Mutter den Nachmittag bei Ferrys Familie genauestens zu erzählen. Neugierig sah sich Ferry in der hübsch eingerichteten Wohnung um und musste feststellen, dass hier Geschmack vorhanden war. Liebevoll platzierte Blumentöpfe aus denen es grünte und blühte, echte Meissner Porzellanfiguren arrangierte Freya durchdacht an den Kommoden, in der Vitrine stapelten sich Teller und Tassen mit echten Goldrand. Neidvoll betrachtete er die kultivierte Einrichtung, die bei ihm zu Hause nicht mal annähernd aufzuweisen war. Hier spiegelte sich Harmonie und Stil wider, seine Bewunderung hielt er in Grenzen, sein einziger Kommentar, dass es hier sehr nett wäre, war alles, was über seine Lippen kam.

      Nachdem er gegangen war, fühlte Freya Erleichterung, ein Gespräch mit Franzine war nun unvermeidlich, ihre Sorge um ihre Tochter und ihr ungutes Gefühl bei diesen Menschen mussten sich Luft machen.

      „Setz dich Franzine, der Abwasch kann warten“, sie nagte an der Unterlippe und suchte nach Worten.

      „Ja Mama, wie gefällt er dir? Ich bin so glücklich mit ihm, seine Familie ist wirklich nett, ich hatte mich umsonst auf das Treffen gefürchtet, aber du kennst mich ja, wenn das Eis einmal gebrochen ist, dann füge ich mich schnell ein, Mama, er ist der absolute Traummann für mich, mit ihm will ich mein Leben verbringen.“ Franzine strahlte, sie schrie ihr Glück beinahe hinaus.

      „Überlege dir das gut Kind, du weißt, ich brauche nur jemanden in die Augen zu sehen, dann erkenne ich schon was mit einem solchen Menschen los ist, und ich bin mir sicher, er wird dir viel Kummer bereiten, das