Alicia Sérieux

Die Magie der Mandalas


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solange du ihn nicht fragst,“ beharrte sie. „Hör mir jetzt gut zu, kleine Schwester. Denn ich sage es nicht noch einmal: Schlag.Es.Dir.Aus.Dem.Kopf! Ich werde ihn nicht fragen und damit basta!“ Sie funkelte mich zornig an, griff dann nach einem schwarzen Etuikleid, reichte es mir und sagte: „Da! Probier das an. Das kaschiert bestimmt hervorragend deinen überdimensionalen Dickschädel!“ Ich nahm es ihr aus der Hand und zog mich, wütend schnaubend, in die Umkleidekabine zurück. Wie es der Zufall wollte war es genau das Kleid, für das ich mich am Ende entschied. Es passte einfach perfekt! Es war schlicht und doch elegant. Zusätzlich machte Schwarz ja bekanntlich eine schöne Figur. Passende Schuhe fand ich zum Glück auch noch und kam am Ende des Tages mit reicher Ausbeute und höllischen Kopfschmerzen zu Hause an. Natürlich hatte meine Schwester nicht locker gelassen und immer wieder das Thema Heilig Abend angeschnitten. Aber das war indiskutabel. Er hatte wohl kaum ein Interesse daran, Heilig Abend mit mir und meiner Familie zu verbringen. Meine Eltern würden da sein. Allein die Vorstellung kam mir völlig absurd vor. Ich würde ihn erst gar nicht in die Verlegenheit bringen, sich dieser Peinlichkeit auszusetzen. Davon abgesehen hatte ich jetzt erst einmal die Veranstaltung der Anwaltskanzlei vor mir. Sie fand in einem großen Festsaal im Zentrum Londons statt. Am Tag des großen Ereignisses entschied ich mit für einen klassischen Dutt. Dazu würde ich meine Brillantohrringe anziehen, die ich von meiner Großmutter geschenkt bekommen hatte. Diese trug ich nur zu ganz besonderen Anlässen. Die Schuhe drückten schon vom Weg von meiner Wohnung zum Wagen, in dem Rahul auf mich wartete. Aber da musste ich durch. Ich hatte erwartet, dass Ajit vor dem Wagen warten würde. Doch dem war nicht so. Rahul stand da. In einem maßgeschneiderten, schwarzen Smoking. Sein Haar trug er nach hinten gekämmt was ihm ein smartes Erscheinungsbild verlieh. Er musterte mich und sagte: „Du siehst wirklich umwerfend aus.“ Der lange, schwarze Mantel, den ich mir von meiner Schwester geliehen hatte, war offen und er konnte einen Blick auf mein Kleid werfen. Peinlich berührt murmelte ich ein „Danke“ und ließ mir von ihm die Tür aufhalten. Im Wagen saß ich zwischen ihm und Ajit, der die ganze Zeit telefonierte. Wir saßen so nah beieinander, dass sich Rahuls und mein Knie berührten. Ich konnte die Wärme seiner Haut durch den kostbaren Stoff seines Smokings spüren. Nervös fummelte ich an meiner kleinen, schwarzen Handtasche herum. Warum war ich nur so aufgeregt? Wir sahen uns kurz an und er schenkte mir ein Lächeln. Auch ich konnte nun nicht ernst bleiben und schmunzelte verlegen. Nach einer kurzen und peinlichen Schweigepause sagte er plötzlich: „Ich weiß jetzt übrigens, warum ich ausgerechnet auf dieser Veranstaltung eingeladen wurde.“ „Ach ja? Weshalb denn?“ fragte ich nach und hoffte verzweifelt, dass nun ein ungezwungenes Gespräch zustande kommen würde. „Diese Kanzlei ist interessiert daran, mich in England zu vertreten,“ erklärte er. Ich nickte und fragte: „Wie heißt diese Kanzlei eigentlich?“ Er dachte kurz nach, griff dann in die Innentasche seines Jacketts und warf einen Blick auf die Einladung. „Bernstein & Smith,“ las er vor. Ich glaubte, der Blitz würde mich treffen. Meine Hände wurden taub und in meinen Ohren rauschte es. Das durfte nicht wahr sein! Die Kanzlei, die sich um Rahul bemühte, war die Kanzlei, in der mein Exmann arbeitete! „Ist dir nicht gut?“ fragte Rahul und sah mich mit besorgtem Blick an. Ich räusperte mich kurz und sagte dann: „Doch… doch… es ist nur etwas warm hier drin.“ Sofort drehte sein Bodyguard die Heizung herab. Er schien wirklich alles mitzubekommen. Aber die Heizung war nicht Schuld an meinen Hitzewallungen. Diese Nacht hatte das Potenzial, zu meinem leibhaftigen Albtraum zu werden. Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend. Immer wieder schickte ich Stoßgebete zum Himmel, dass uns ein Reifen platzen würde oder irgendetwas dergleichen geschah, das uns von diesem Empfang fernhielt. Doch nichts geschah. Natürlich nicht. Als wir vor dem Gebäude hielten, in dem die Veranstaltung stattfand, stieg ich mit weichen Knien aus dem Wagen. Rahul bedachte mich noch immer mit seinem aufmerksamen Blick, sprach mich aber nicht auf mein stilles Verhalten an. Reiß dich zusammen! Du schaffst das! ermahnte ich mich selbst und ging neben Rahul auf den Eingang zu. Dort zeigte er dem Sicherheitspersonal seine Einladung und wir wurden sofort eingelassen. Ich musste zugeben, dass sich Bernstein & Smith richtig ins Zeug gelegt hatte. Der riesige Festsaal war weihnachtlich geschmückt und ein überdimensionales Buffet erstreckte sich am hinteren Ende des Raumes. Hungrige Gäste scharten sich dort bereits um das opulente Mahl. Mir war jeglicher Appetit vergangen. Nervös sah ich mich um. Ich konnte James, meinen Exmann, nirgends entdecken. Natürlich war das kein Wunder, da der Saal voll von Menschen war. Aber selbst wenn er hier war, war die Wahrscheinlichkeit vielleicht gar nicht so groß, dass wir uns über den Weg liefen. Wir gaben unsere Mäntel ab und blieben am Rande des Geschehens stehen. Doch allein blieben wir nicht lange. Kaum hatten die Teilhaber Rahul entdeckt, stürmten sie schon auf ihn zu, um ihn für ihre Kanzlei zu gewinnen. Zum Glück hatte ich James nie zu solchen Veranstaltungen begleitet und konnte unerkannt durch die Menge schlüpfen, um mir ein Glas Champagner zu holen. Rahul war beschäftigt und würde mich für ein paar Minuten entbehren können. Mit einem gut gefüllten Glas drehte ich eine kleine Runde durch den Saal. Aufmerksam ließ ich meinen Blick durch die Menge schweifen. Nein, James konnte ich nicht sehen. Wahrscheinlich war er wieder mal im Ausland unterwegs wie schon so oft in der Vergangenheit. Hatte ich tatsächlich einmal Glück und wurde von diesem mehr als unangenehmen Aufeinandertreffen verschont? Ohne es zu merken hatte ich mein Glas bereits geleert und griff nach dem Nächsten. Meine Nervosität schien sich etwas zu legen. Kurz darauf kam Rahul zu mir, nahm sich ebenfalls ein Glas Champagner und seufzte: „Die sind ja wie die Geier. Das wird noch ein langer Abend.“ „Du schaffst das schon,“ sagte ich schmunzelnd und leerte das halbe Glas Champagner in einem Zug. Rahul bedachte mich mit einem irgendwie besorgten Blick und fragte mit gedämpfter Stimme: „Bist du dir sicher, dass alles in Ordnung ist?“ „Mhm,“ murmelte ich bloß und griff nach dem nächsten Glas. „Okay,“ entgegnete er mit skeptischem Unterton und nahm ebenfalls einen Schluck von seinem Champagner. Aus den Augenwinkeln betrachtete ich ihn, während er seinen Blick durch die Menge schweifen ließ. Der Smoking saß wirklich perfekt und man konnte sehen, wie gut er in Form war. Sein tiefschwarzes Haar schimmerte und mein Blick fiel auf seine gepflegten Hände, in denen er sein Glas hielt. Lange, schlanke Finger. Als er sein Glas zu seinen schönen Lippen führte, sah ich verlegen zur Seite. Doch plötzlich wurde meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Hinter Rahul sah ich einen der Teilhaber, wie er einem anderen Mann in einem edlen, grauen Anzug die Hand reichte. Und ich kannte diesen Mann. „James. Verdammt,“ flüsterte ich. „Wie bitte?“ fragte Rahul, den ich anscheinend aus seinen eigenen Gedanken gerissen hatte. Schnell leerte ich mein drittes Glas, stellte es einer vorbei gehenden Bedienung auf das Tablett, packte Rahul an seiner Smokingjacke und zog ihn mit mir hinter einen der großen Pfeiler. Mit dem Rücken lehnte ich gegen den kühlen Stein des Pfeilers und lugte über meine Schulter dahinter hervor in James Richtung. Er schien mich nicht gesehen zu haben. Noch nicht. „Was um Himmels Willen hast du denn?“ hörte ich Rahul fragen. „Psst!“ ermahnte ich ihn, ohne ihn anzusehen. Erst als James aus meinem Blickfeld verschwunden war, lehnte ich meinen Kopf an den kühlen Stein des Pfeilers. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen. „Leah, was soll das?“ fragte Rahul ungeduldig. Ich dachte über eine plausible Erklärung für mein Verhalten nach, die ihm alles glaubhaft erklären konnte. Doch als ich meine Augen öffnete und ich ansah bemerkte ich, wie nah er bei mir stand. Ich hatte ihn in meiner Panik so dich an mich gezogen, dass ich wieder seinen Duft wahrnahm. Seine honigbraunen Augen sahen mich verständnislos an und mir wurde klar, dass ich mich wie eine Verrückte aufführte. Erschrocken stelle ich fest, dass ich ihn noch immer an seiner Smokingjacke festhielt. Schnell ließ ich los und murmelte: „Tut mir leid. Es ist alles ein wenig… kompliziert.“ Ich erwartete einen Ansturm von Fragen, wie es wohl jeder andere Mann getan hätte. Doch stattdessen fragte er plötzlich: „Willst du tanzen?“ Irritiert sah ich zu ihm auf und fragte ungläubig: „Tanzen?“ Er schmunzelte und antwortete: „Ja, tanzen. Dich amüsieren. Los, komm!“ Noch bevor ich protestieren konnte, zog er mich auf die Tanzfläche. Schnell sah ich mich um. Keine Spur von James. Dann legte Rahul meine Linke Hand auf seine Schulter, nahm meine Rechte in seine und wir begannen uns zum Takt der Musik zu bewegen. Sie spielten ein langsames Lied, was ich viel zu spät bemerkt hatte. Sonst hätte ich mich nie von ihm auf die Tanzfläche entführen lassen. Seine Hand, die meine umschlossen hielt, war warm und seine Berührung fühlte sich angenehm an. Er umschloss meine Hand nicht zu fest, aber auch nicht zu halbherzig. So wie es wohl sein sollte, vermutete ich. Der Stoff seines Anzuges fühlte sich sehr kostbar an. Der Geruch