Alicia Sérieux

Die Magie der Mandalas


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nichts geplant. Immerhin werde ich dreißig und das ist kein Grund zum Feiern. Lass uns den Termin morgen Abend machen,“ erklärte ich und lächelte ihn an. Er zog überrascht die Augenbrauen nach oben und fragte: „Bist du sicher? Du willst an deinem Geburtstag arbeiten?“ Ich nickte und entgegnete: „Warum nicht? Es ist ein Tag wie jeder andere auch.“ Er schien kurz über meine Worte nachzudenken, dann sagte er: „Na schön, wie du willst. Wir treffen uns in meinem Hotelzimmer. Da steht ein überdimensional großer Fernseher, den ich noch nicht ausprobiert habe. Einverstanden?“ Ich nickte lächelnd und trank mein Glas aus. Er tat das gleiche und fragte: „Machen wir Schluss für heute?“ „Ja, morgen geht es dann ans Eingemachte,“ scherzte ich und wollte meinen Geldbeutel aus meiner Tasche fischen. Doch wieder hob er die Hände und sagte: „Nein, bitte nicht. Lass mich das machen.“ „Rahul, du hast bisher jedes Mal bezahlt. So war das nicht abgesprochen,“ protestierte ich. „Bitte, lass mich das übernehmen. Ich mach es gern,“ bat er und sah mich mit seinen honigbraunen Augen so flehend an, dass ich seufzte und meinen Geldbeutel zurück in die Handtasche gleiten ließ. Zufrieden grinsend winkte er die Bedienung heran und bezahlte. „Danke für die Einladung,“ bedankte ich mich wieder einmal und stand auf. Galant nahm er meine Jacke und half mir hinein. „Nichts zu danken,“ erwiderte er und stand in diesem Moment so nah hinter mir, dass sein Atem meinen Nacken streifte. Ein Schauer lief über meinen Rücken. Verwirrt registrierte ich diese Reaktion und brachte gleich einen größeren Abstand zwischen uns, indem ich auf den Ausgang zuging. Er folgte mir und gemeinsam traten wir hinaus in die Kälte. Mittlerweile war es Mitte November und der Winter hatte London fest im Griff. Ich fröstelte. „Lass uns schnell ins Auto einsteigen. Die Kälte ist ja schrecklich!“ jammert er und schlang seinen großen Schal enger um seinen Hals. „Oh, ich gehe zu Fuß. Ich wohne in der Nähe,“ erklärte ich. „Das kommt nicht in Frage! Ich lasse dich doch nicht allein in der Dunkelheit nach Hause gehen!“ protestierte er fassungslos und winkte seinem Wagen. „Das ist wirklich nicht nötig. Ich wohne doch gerade dort drüben,“ erklärte ich und wies auf die gegenüberliegende Straßenseite. Er folgte meinem Blick und sagte dann erstaunt: „Tatsächlich. Da ist es ja schon.“ Ich musste über seinen überraschten Gesichtsausdruck schmunzeln und sagte: „Ja, also, ich denke nicht dass mir auf dem kurzen Stück etwas passieren wird.“ Er schmunzelte ebenfalls und erwiderte: „Das lasse ich durchgehen. Also, dann morgen Abend um sieben?“ Ich nickte und entgegnete: „Um sieben, ja. Bis morgen, Rahul.“ „Bis morgen,“ sagte er mit einer seltsamen Sanftheit in der Stimme, die ich bislang noch nicht bei ihm bemerkt hatte. Der kalte Herbstwind wirbelte sein Haar durcheinander und einige Strähnen fielen ihm in seine Stirn. Fasziniert beobachtete ich dies. Seine ausdrucksstarken Augen waren auf mein Gesicht gerichtet und nahmen einen seltsam nachdenklichen Ausdruck an. Ich schenkte ihm noch ein nervöses Lächeln und ging dann über die Straße in Richtung meiner Wohnung. Sah er mir etwa nach? Mir war, als würde ich seinen Blick noch auf mir spüren, bis ich durch die Eingangstür in das Mietshaus gegangen war. Doch ich wagte nicht, mich noch einmal umzudrehen und ihn anzusehen.

      Happy Birthday, Leah!

      *

      „Mach keine große Sache daraus. Ich werde heute Abend den Termin bei Rahul machen und basta!“ begehrte ich auf, nachdem mich meine Schwester für meine Pläne an meinem Geburtstag ausgiebig beschimpft hatte. „Das ist doch nicht normal! Wenigstens einmal im Jahr kannst du dich doch mal wie ein normaler Mensch verhalten!“ zeterte sie. „Ich BIN ein normaler Mensch! Es ist mein Tag und den werde ich doch wohl verbringen können wie ich will!“ zischte ich in den Hörer und zog die dritte Jeans aus meinem Kleiderschrank, um sie zu begutachten. „Immer nur Arbeit! Arbeit, Arbeit und nochmal Arbeit! Das kann doch nicht gesund sein!“ rief sie verärgert. „Jetzt mach mal einen Punkt! Zufälliger Weise mag ich meine Arbeit und ich mag Rahuls Gesellschaft. Er ist ein interessanter Gesprächspartner,“ erklärte ich genervt und holte zwei verschiedene Blusen aus meinem Schrank, um sie zu den Jeans zu legen. Schweigen. Der Kommentar meiner Schwester blieb aus. „Hallo?“ fragte ich um zu testen, ob sie etwa schon aufgelegt hatte. „Hab ich da gerade richtig gehört? Du magst seine Gesellschaft?“ hakte meine Schwester mit ungläubiger Stimme nach. „Unter anderem, ja. Es ist ein interessanter Job und davon abgesehen meine Chance auf eine Festanstellung bei der Times,“ erklärte ich und betrachtete mein Gesicht kritisch in meinem Schlafzimmerspiegel. Die Augenbrauen mussten auf jeden Fall noch in Form gebracht werden. Vielleicht würde ich mir auch mal eine Gesichtsmaske gönnen. Ich nahm die Augenbrauenpinzette aus meinem Kosmetiktäschchen und war mir nicht ganz schlüssig, wie ich anfangen sollte diesen Wildwuchs in Form zu bekommen. Nach einer kurzen Denkpause fragte meine Schwester vorsichtig: „Leah, ist das etwa ein Date heute Abend?“ Erschrocken ließ ich die Pinzette auf den Boden fallen, mit der ich gerade meine Augenbrauen traktieren wollte und entgegnete empört: „Jetzt sei nicht albern! Natürlich ist das kein Date!“ „Es hört sich aber ganz danach an,“ meinte Laura und ich konnte ihr Grinsen förmlich vor mir sehen. „Ich muss jetzt auflegen. Ich melde mich morgen bei dir,“ würgte ich sie ab. „Viel Spaß“ hörte ich sie noch sagen, bevor ich auflegte. Genervt warf ich das Telefon auf mein Bett. So ein Blödsinn! Wie kam sie nur darauf, dass das ein Date sein könnte? Das war absurd! Rahul und ich? Ein Date? Lächerlich! Ich schob diesen ungeheuerlichen Gedanken schnell zur Seite und fand endlich die geeignete Kombination für mein Outfit. Dunkelblaue, enge Jeans und eine braune Blusen-Tunika, die mir fast bis zu den Knien reichte, jedoch figurbetont war. Dazu würde ich meine Stiefel anziehen und auch mein neuer Mantel würde perfekt dazu passen. Zufrieden nickte ich meinem Outfit zu und ging ins Badezimmer, um mir ein Bad einzulassen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass schon drei Uhr nachmittags war. Bis auf meine Schwester und meine Eltern hatte mich noch niemand angerufen, um mir zu gratulieren. Mein Bruder würde sich später melden, ganz angepasst an die spanischen Zeitverhältnisse. Als ich nun endlich in der Badewanne lag und den Lavendelduft meines Badezusatzes genoss, dachte ich über die Worte meiner Schwester nach. Sah das wirklich wie ein Date aus? Von der Seite her hatte ich es noch gar nicht betrachtet. Aber was wusste sie schon? Ajit würde dort sein und seine Bodyguards ebenfalls. Es war nichts dabei. Es war ein Termin wie jeder andere. Wobei ich zugeben musste, dass unsere Treffen sehr freundschaftlich und irgendwie vertrauter geworden waren. Es waren weniger Interviews als lange Gespräche. Aber war das nicht der Weg, auf dem ich an meine Informationen kam? Gewiss. Aber ich musste mir eingestehen, dass ich die Gespräche und Rahuls Gesellschaft genoss. Es war schön, sich mit einem anderen Menschen zu unterhalten der einen zu verstehen schien. Zumindest hatte ich den Eindruck und an diesem Abend würde es wieder solche netten Gespräche geben. Oh mein Gott! Freute ich mich etwa auf ihn? Erschrocken setzte ich mich auf und starrte gegen die weiß geflieste Badezimmerwand. Ich musste zugeben, dass der Gedanke an Rahul nicht unangenehm war. Ich mochte seine unbeschwerte Art, sein aufrichtiges Lächeln und die Art und Weise, wie seine wachsamen Augen funkelten wenn er über seine Arbeit sprach. „Blödsinn!“ sagte ich zu mir selbst und lehnte mich wieder zurück. Ich freute mich nicht auf ihn, sondern auf das Interview. So wie es jede Journalistin tat, die ihren Beruf liebte. Also kein Grund zur Panik. Ich war es einfach nicht mehr gewohnt, zwischenmenschlichen Kontakt zu haben. Das war alles. Es war alles ganz harmlos.

      Die Zeit bis zu dem Termin verstrich ungewöhnlich langsam. Ich war tatsächlich viel zu früh fertig. Meine Kleiderwahl stellte sich als ausgezeichnet heraus. Mein Haar band ich locker im Nacken zusammen, sodass mir einige Strähnen locker ins Gesicht fielen und entschied mich für die großen, silbernen Ohrringe, die mir mein Bruder vor einiger Zeit aus Spanien geschickt hatte. Sogar ein wenig in den Schminktopf hatte ich gegriffen. Zumindest hatte ich es geschafft, mit etwas Kajal und Wimperntusche meine Augen zu betonen. Immerhin hatte ich heute Geburtstag und wenn ich schon arbeitete, dann wollte ich wenigstens gut dabei aussehen. Gut gelaunt zog ich meinen Mantel an, schnappte meine Tasche und verließ meine Wohnung. Meine Nachbarin, die alte Hexe, streckte gerade ihren Kopf aus ihrer Wohnung und musterte mich überrascht. „Sie gehen aus?“ fragte sie überrascht. „Nein, tue ich nicht,“ antwortete ich genervt und beeilte mich, die Treppen so schnell wie möglich hinter mir zu lassen um ihr die Möglichkeit zu nehmen, mich mit weiteren Fragen zu löchern. Dieses penetrante Weib! Wenigstens war ich so früh dran, dass ich mich nicht beeilen musste um meine Bahn rechtzeitig zu erwischen. Doch als ich ins Freie trat, stand da Rahuls Wagen und einer seiner Bodyguards