Alicia Sérieux

Die Magie der Mandalas


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und er sagte: „Sagen wir mal, er hat sich einigermaßen mit meiner Entscheidung arrangiert.“ Ich nickte, da ich nicht wusste, was ich darauf entgegnen sollte. Ich spürte, dass ihm das Thema nicht wirklich angenehm war und hatte Skrupel, weiter zu fragen. Wir hatten genug Zeit. Früher oder später würde er mir vielleicht mehr von dem Verhältnis zu seinem Vater erzählen. „Was ist mir deiner Mutter? Was hält sie von deiner Schauspielkarriere?“ fragte ich ihn. „Oh, meine Mutter ist natürlich stolz. Aber ein Mutterherz zu enttäuschen ist auch ziemlich schwer. Sie wollte immer nur, dass ich glücklich bin,“ erzählte er. „Und bist du das?“ fragte ich frei heraus und merkte erst dann, wie persönlich diese Frage war. Er sah mich überrascht aus seinen wachsamen, braunen Augen an. Ich räusperte mich nervös und wollte mich gerade für meine Forschheit entschuldigen, als er entgegnete: „Du verlierst keine Zeit, was?“ Ich suchte verzweifelt nach den richtigen Worten und sagte dann: „Ich frage mich nur wie es wohl sein muss, als Filmstar verehrt zu werden. Wenn alle Menschen einen kennen und bewundern. Das muss einen doch glücklich und stolz machen. Man wird für seine Arbeit bewundert.“ Er schien kurz über meine Worte nachzudenken, sagte dann aber: „Da hast du wohl recht. Es ist schön. Meistens zumindest. Aber oft ist es auch ein wenig beängstigend.“ Ich musste sofort an die Fans in der Lobby denken und versuchte mir vorzustellen wie es wohl sein musste, wenn tausende solcher Menschen einem auf der Straße verfolgten. Ich schauderte bei dem Gedanken. Aber ich war ja auch kein Mensch, der gern im Mittelpunkt stand. Doch ich verstand, was er meinte. „Hast du Geschwister?“ fragte ich, um das Thema ein wenig zu entschärfen. „Eine Schwester. Sie ist drei Jahre jünger als ich. Und du?“ stellte er eine Gegenfrage. „Ich?“ fragte ich verwundert. „Ja, du. Hast du auch Geschwister?“ wiederholte er seine Frage. Ich war verwirrt. Warum wollte er das wissen? Immerhin ging es doch um ihn. Um seine Reportage. Er schien meine Verwirrung zu bemerken, denn er sagte amüsiert lächelnd: „Komm schon, interviewe mich doch nicht bloß. Unterhalte dich mit mir.“ Seine lockere Art verwirrte mich. Doch irgendwie schaffte er es auch, mich mitzureißen. Also fing ich mich wieder und antwortete: „Na schön. Ähm.. ja, ich habe Geschwister. Einen Bruder und eine Schwester. Beide sind jünger als ich.“ „Und wie verstehst du dich mit ihnen?“ fragte er interessiert nach und nahm einen Schluck von seinem Guiness. „Also… gut. Wir verstehen uns wirklich gut,“ antwortete ich knapp. „Leben sie in deiner Nähe?“ fragte er weiter. „Meine Schwester wohnt nicht weit von Camden entfernt. Mein Bruder lebt in Spanien. Ihn sehe ich nur zu Feiertagen und Familienfesten. Meine Schwester sehe ich sehr oft. Wie ist es mit deiner Schwester?“ stellte ich eine Gegenfrage um das Gesprächsthema wieder auf ihn zu lenken. „Sie lebt bei mir in Mumbai und studiert dort. Ich konnte meine Eltern überreden sie zu mir ziehen zu lassen,“ erzählte er und krempelte die Ärmel seines Sweatshirts etwas nach oben. Seine Haut hatte die Farbe von Karamell. „Das ist ja nett von dir. Meine Schwester nimmt mich auch immer wieder auf, wenn ich…,“ brach ich ab. Wenn ich mich einsam fühle hätte ich beinahe gesagt. Aber das ging ihn nichts an. Warum war mir das denn nur fast herausgerutscht? „Wenn du was?“ fragte er interessiert nach. „Ach nichts. Möchtest du etwas essen?“ fragte ich und nahm schnell die Karte, um seinem Blick ausweichen zu können. „Nein, danke. Aber ich kann verstehen, dass du die Nähe deiner Schwester suchst. Ich bin ebenfalls froh, Priya bei mir zu haben. Man fühlt sich dann und wann doch ein wenig einsam,“ sagte er und nahm mir die Karte aus der Hand, sodass ich ihn wieder ansehen musste. Der Blick aus seinen honigbraunen Augen machte mich irgendwie nervös. „Du und einsam? Wie passt denn das zusammen? Du hast doch so viele Fans, die dich verehren,“ sagte ich um von mir abzulenken. Er nickte und sein Blick wurde nachdenklich. „Fans sind keine Freunde, Leah. Freunde habe ich nicht viele,“ sagte er und über sein Gesicht huschte ein Anflug von Bedauern. Er tat mir in diesem Moment wirklich ein bisschen leid, denn ich verstand ihn. „Die habe ich auch nicht. Aber lieber wenige gute als viele schlechte, oder?“ fragte ich und lächelte ihn aufmunternd an. Er erwiderte mein Lächeln und sagte: „Da hast du wohl recht.“ Ich nickte zustimmend und griff wieder nach meinem Glas. Wir unterhielten uns lange über Gott und die Welt und das Interview entwickelte sich tatsächlich zu einer Unterhaltung. Der Mensch, der hinter dem großen Schauspieler steckte, machte mich immer neugieriger. Wenn man bedachte, was für einen Erfolg er hatte und wie wohlhabend er sein musste, war er doch ein relativ normaler und bescheidener Mann geblieben. „Wie geht diese Reportage jetzt weiter? Was steht auf dem Plan?“ fragte er, nachdem wir uns schon zum dritten mal Getränke nachbestellt hatten. „Naja, ich werde dich zu allen Veranstaltungen begleiten und über diese dann berichten. So läuft das,“ antwortete ich und lehnte mich entspannt zurück. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal eine so ungezwungene Konversation geführt hatte. Er nickte, dachte kurz nach und fragte dann: „Aber wir könnten solche Abende wie heute verbringen, oder? So unterhält es sich doch um einiges leichter als auf irgendwelchen steifen Veranstaltungen.“ Ich dachte kurz darüber nach und antwortete dann: „Ja, ich denke, das geht in Ordnung. Immerhin sind wir heute sehr weit gekommen. Ich habe einiges, was ich über dich schreiben kann.“ „Ja? Ich hoffe, nur Gutes,“ scherzte er. Ich lachte auf und merkte, dass mir das Cider langsam zu Kopf stieg und antwortete: „Natürlich. Ich schreibe eine Reportage, keine Filmkritik.“ Er lachte ebenfalls auf und sagte: „Autsch! Du hältst wohl nicht viel vom indischen Film?“ Fangfrage!! Meine Alarmglocken schrillten. Ich fasste mich schnell und antwortete: „Ich muss zugeben, dass ich bisher nicht viele indische Filme gesehen habe. Und das was ich gesehen habe, habe ich teilweise nicht verstanden.“ „Wie meinst du das?“ fragte er interessiert nach. „Naja, mal abgesehen von der Tanzerei und der Sprache verstehe ich die Körpersprache nicht. Oder die Rituale, die oft eine Rolle zu spielen scheinen,“ erklärte ich und war überrascht über meine eigene Ehrlichkeit und darüber, dass es ihm nichts auszumachen schien. Er dachte kurz über meine Worte nach und sagte dann: „Wenn du möchtest, können wir uns in nächster Zeit einen Film zusammen anschauen. Ich könnte es dir erklären. Vielleicht findest du dann ja einen Zugang zu meiner Welt.“ Er sagte das mit einem schelmischen Augenzwinkern, das mich amüsiert schmunzeln ließ. Sein Vorschlag überraschte mich. Er würde sich die Zeit tatsächlich nehmen? Aber warum? Ein Blick in seine Augen schien mir die Antwort zu verraten. Er versuchte, eine freundschaftliche Atmosphäre zwischen uns zu schaffen. Vielleicht half ihm das, mehr von sich Preis zu geben und das sollte mir recht sein, wenn es meiner Arbeit diente. „Das wäre sehr nett von dir, Rahul,“ sagte ich und prostete ihm nochmals zu. Er lächelte und stieß mit seinem Glas an meins. „Dann machen wir das,“ sagte er und trank sein Glas fast in einem Zug aus. Ich musste lachen und hätte mich beinahe verschluckt. „Du meine Güte, ich glaube, ich bin angetrunken!“ lachte er und stellte sein Glas mit einem lauten Scheppern ab. „Dann sollten wir lieber gehen,“ meinte ich und wischte mir die Tränen aus den Augen, die ich gelacht hatte. „Du hast vielleicht recht,“ stimmte er mir ebenfalls lachend zu. Ich griff in meine Handtasche und holte meinen Geldbeutel heraus. „Nein! Bitte! Ich möchte dich einladen,“ sagte er und hob abwehrend die Hand. „Das ist doch nicht nötig,“ entgegnete ich verlegen. „Ich möchte es aber. Das war der unterhaltsamste Abend, den ich seit langem hatte. Tu mir den Gefallen,“ bat er. Ich spürte, wie ich rot wurde. „Na gut. Aber das nächste Mal zahle ich,“ gab ich nach. Er nickte und winkte dem Wirt zu. Nachdem er bezahlt hatte, gingen wir hinaus zu dem Wagen und lachten noch immer wie zwei alberne Teenager. „Was ist denn mit euch los?“ fragte Ajit verwirrt, als er uns die Autotür öffnete. „Rutsch mal zur Seite!“ sagte Rahul und schob ihn an die Autotür, damit er in der Mitte zwischen Ajit und mir sitzen konnte. Wieder musste ich lachen, als ich Ajits verdutzten Gesichtsausdruck sah. „Bist du betrunken?“ fragte er entsetzt und sah Rahul forschend ins Gesicht. „Nein du Spaßbremse! Wobei.. vielleicht ein bisschen,“ fügte er kichernd hinzu. Auch ich musste albern kichern. „Miss Johnson! Was hat das zu bedeuten? Ist das Ihre Vorstellung von Professionalität? Ich glaube, ich muss mit ihrem Chef ein ernstes Wort reden!“ ereiferte sich Ajit. Plötzlich schien Rahul wieder komplett nüchtern zu sein, denn er hob warnend den Finger und sagte an Ajit gewandt mit ernster Stimme: „Untersteh dich! Leah ist wie geschaffen für die Reportage! Wenn du ein Problem damit hast, machen wir die Reportage gar nicht!“ „Ist ja gut. Reg dich nicht auf,“ entgegnete Ajit mit etwas versöhnlicherem Ton, warf mir aber einen vorwurfsvollen Blick zu. Schuldbewusst senkte ich den Blick. Vielleicht war ich wirklich etwas zu weit gegangen. Aber das Eis war nun gebrochen und ich wusste, dass an diesem Abend etwas