Alicia Sérieux

Die Magie der Mandalas


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Ich dachte kurz an den letzten Abend, ob er mir das angekündigt hatte. Doch ich konnte mich nicht daran erinnern. „Oh.. naja… danke!“ bedankte ich mich verwundert und stieg ein. Ich sah zu, wie er um den Wagen herum ging und dann einstieg. Bevor er den Motor startete sagte er plötzlich: „Happy Birthday, Miss Johnson.“ „Äh.. d.. danke,“ stotterte ich und spürte, wie ich rot wurde. Es war mir mehr als unangenehm und ich fühlte mich überrumpelt. Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend. Aus irgendeinem Grund war ich plötzlich aufgeregt. Was hatte das Ganze zu bedeuten? Als wir am Hotel ankamen, hielt er mir die Tür auf und ich stieg aus. „Den Weg kennen Sie ja. Ich muss das Auto noch parken,“ brummte der riesige Mann und ließ mich stehen. Ich nickte bloß und betrat das Hotel. Zielstrebig ging ich auf den Fahrstuhl zu. Wieder standen einige Fans in der Empfangshalle und betrachteten mich aufmerksam. Ich fühlte mich unwohl denn ich mochte es nicht, angestarrt zu werden. Zum Glück ließ der Fahrstuhl nicht lange auf sich warten. Der Weg zu Rahuls Zimmer kam mir viel länger vor, als ich es in Erinnerung hatte. Als ich endlich vor der Tür stand, atmete ich kurz durch und ärgerte mich über meine eigene Nervosität. Wie blöd war ich eigentlich? Er wollte nur nett sein und mir die U-Bahn ersparen. Das war es aber auch schon. Jetzt wurde gearbeitet. Gleich würde mir Ajit die Tür öffnen und alles würde wie immer sein. Vorsichtig klopfte ich an. Kurz darauf öffnete sich die Tür. Rahul hatte mir selbst geöffnet und begrüßte mich mit einem breiten Lächeln. „Hallo Leah! Ich hoffe, der Große war freundlich zu dir,“ scherzte er. „Ja, war er. Aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen,“ erwiderte ich verlegen. „Ich bitte dich! Komm doch rein,“ sagte er gut gelaunt und trat zur Seite. Er trug eine dunkle Jeans und ein weißes Hemd, das locker über dem Hosenbund hing. Als ich eintrat und ihm etwas näher als normal kam, nahm ich den Geruch von Sandelholz war. Es schien sein Parfüm oder Aftershave zu sein. Für einen kurzen Moment war ich abgelenkt und bemerkte erst die Veränderung in dem Hotelzimmer, als ich bereits meinen Mantel abgelegt hatte. Der große Tisch, an dem wir unser erstes Interview geführt hatten, war mit bunten Blumen dekoriert und ein verführerischer Duft erfüllte den Raum. Es roch nach exotischen Gewürzen und ich sah an den vielen kleinen Schüsseln, dass er wohl etwas zu Essen hatte kommen lassen. „Erwartest du noch weiteren Besuch?“ fragte ich verwirrt und dachte schon, ich hätte unseren Termin irgendwie verwechselt. Er lächelte, nahm meinen Mantel um ihn an die Gardarobe zu hängen und antwortete: „Nein, keinen weiteren Besuch.“ Ich sah mit fragenden Blick von ihm zu dem Essen und dann wider zurück zu ihm. „Schau nicht so. Du hast heute Geburtstag und ich wollte dir wenigstens eine kleine Freude machen,“ erklärte er und trat näher zu mir. Fassungslos sah ich ihn an. Was sollte ich sagen? Damit hatte ich nicht gerechnet. Wieder schenkte er mir ein verschmitztes Lächeln, ging zum Tisch, schob einen Stuhl zu recht und sagte: „Möchtest du dich nicht setzen?“ Ich bemerkte, wie dämlich mein Verhalten war und setzte mich langsam in Bewegung. Auf dem Tisch sah ich viele verschiedene Soßen und frisch gebackenes Brot. Es dampfte noch. „Das wäre doch nicht nötig gewesen, Rahul“ sagte ich peinlich berührt, während ich mich hinsetzte. Er ging zu dem Stuhl mir gegenüber, setzte sich und entgegnete: „Ich habe ohnehin noch nichts gegessen. Also können wir das auch gleich zusammen tun, meinst du nicht?“ Seine fröhliche Art steckte mich allmählich an und ich konnte mich eines Lächelns nicht erwehren. So etwas Nettes hätte ich nicht erwartet. Mein Blick fiel auf die Kochnische, die schräg hinter ihm lag. Dort erkannte ich einige Töpfe, die in der Spüle lagen. Benutze Messer und Kochlöffel. Er hatte doch nicht etwa… „Hast du das selbst gekocht?“ fragte ich ungläubig. Er folgte meinem Blick und sah kurz in Richtung der Kochecke. Dann winkte er ab, wandte sich mir wieder zu und entgegnete: „Das sind doch bloß ein paar Chutneys. Keine große Sache.“ Es war mir unangenehm, dass er sich so viel Mühe gemacht hatte. Immerhin war das ein geschäftliches Treffen. Ein Interview. Nichts weiter. Oder? „Jetzt mach nicht so ein betroffenes Gesicht. Iss!“ riss er mich aus meinen Gedanken und reichte mir den Teller mit dem frischen Fladenbrot. „Danke,“ sagte ich und nahm ein Stück. „Na also. Guten Appetit,“ sagte er und schenkte mir wieder sein fröhliches Lächeln. Ich hatte so etwas noch nie zuvor gegessen. Das Brot wurde in die vielen verschiedenen Soßen gestippt und dann mit der Hand gegessen. Eine Soße schmeckte süß und irgendwie nach Mango, eine andere wiederum war eher salzig und scharf. Es war auf jeden Fall ein neues Geschmackserlebnis. Und ein angenehmes dazu. „Schmeckt es dir?“ fragte Rahul und schenkte mir ein Glas Wein ein. „Ja, das ist großartig! Du bist ein guter Koch,“ lobte ich ihn. Er schmunzelte, erhob sein Weinglas und sagte: „Auf deinen Geburtstag. Mögen alle deine Wünsche in Erfüllung gehen.“ Ich erhob ebenfalls mein Glas und stieß mit ihm an. Der Wein war sehr süß, doch ich mochte ihn. Ich hatte noch nie zuvor einen Mann getroffen, der solche Weine ebenfalls mochte. „Zu Hause in Mumbai koche ich oft für Priya. Das entspannt mich irgendwie,“ erklärte er. „Deine Schwester hat Glück. Meine Schwester kocht auch viel besser als ich. Ich würde mich wohl nur von Tiefkühlpizza ernähren, wenn ich nicht ab und an bei ihr zum Essen eingeladen wäre,“ erklärte ich und nahm noch einen Schluck von dem Wein. Er schmunzelte und entgegnete: „Es gibt nichts schöneres, als in netter Gesellschaft zu essen. In Indien sind die großen Familienfeste meiner Eltern mit dem gemeinsamen Essen berühmt berüchtigt.“ „Das muss schön sein,“ sagte ich und versuchte mir diese Szene vorzustellen. Wie wohl seine Eltern und seine Schwester so waren? „Das ist es wirklich. Priya und ich verpassen kein einziges Fest. Egal wie beschäftigt ich bin,“ erzählte er und reichte mir noch mehr Brot. Ich winkte ab und sagte: „Danke, aber ich platze gleich.“ Er lachte und entgegnete: „Meine Mutter würde daran verzweifeln, wie wenig zu isst.“ Auch ich musste lachen. Manche Dinge waren anscheinend überall auf der Welt gleich. Nachdem auch er aufgegessen hatte, fragte er: „Sollen wir mit dem Film anfangen?“ Ich sah auf meine Armbanduhr und antwortete: „Ja, warum nicht.“ Wir standen beide auf und gingen zu dem großen Sofa, das vor dem überdimensionalen Flachbildfernseher stand. „Dass es noch so früh ist, ist sogar gut. Immerhin geht der Film fast drei Stunden,“ erklärte er und nahm die Fernbedienung, um den Fernseher einzuschalten. Hatte ich richtig gehört? Drei Stunden? „Okay,“ sagte ich bloß und setzte mich. Nachdem er es geschafft hatte, dieses Wundewerk der Technik zum Laufen zu bringen, setzte er sich neben mich. Etwas näher, als ich es erwartet hatte. Wieder roch ich sein Parfüm und sah auf seine gepflegten Hände, die die Fernbedienung hielten. „Fertig?“ fragte er. Ich fühlte mich ertappt und sah schnell zu dem großen Bildschirm. „Ja, es kann losgehen,“ antwortete ich. Daraufhin begann der Film, in dem er die Hauptrolle spielte. Aufmerksam verfolgte ich die Handlung. Er spielte den tragischen Helden, der einer hoffnungslosen Liebe nachjagte. Natürlich. Immer wieder wurde gesungen und getanzt. Die vielen Farben waren eine richtige Reizüberflutung. Doch aus irgendeinem Grund fesselte mich die Geschichte. Es war seltsam, ihn in diesem Film zu sehen. Aber er machte seine Sache gut. Soweit ich das beurteilen konnte. In einer Szene brachte er seine große Liebe mit in sein zu Hause. Dort angekommen begrüßte das Paar die Mutter und diese malte der jungen Frau einen roten Punkt auf die Stirn. „Was ist das?“ fragte ich, ohne meinen Blick von der Szene zu wenden. „Das ist das Bindi. Wenn man zu einer indischen Familie kommt, bekommt man es von der Hausherrin oder Hausherrn mit dem Finger auf die Stirn getupft. Das soll dem Besucher Segen bringen und Glück,“ erklärte er. „Darf das nur die Hausherrin?“ fragte ich nach. „Nein, jeder darf das. Oft machen das auch Ehefrauen bei ihren Männern oder umgekehrt. Es geht darum zu zeigen, dass einem das Wohl des anderen am Herzen liegt,“ antwortete er. „Ein schöner Brauch,“ sagte ich, denn die Erklärung und diese rührende Szene in seinem Film bewegten etwas in mir. Diese ganze Gefühlsduselei wurde zum Ende des Films hin immer schlimmer. Erschrocken stellte ich fest, dass ich einen Kloß im Hals hatte. Vor allem in der Szene, als der Held seiner Angebeteten sein Herz ausschüttete und ihr ewige Liebe schwor. Ich wusste es besser. Ewige Liebe gab es wohl nur in diesen Filmen. Doch etwas fehlte. „Auf den finalen Kuss warte ich vergeblich, nicht wahr?“ fragte ich mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen und nahm noch einen Schluck Wein. Er lachte leise und antwortete: „Ganz genau. Den wirst du in meinen Filmen nie finden.“ Ich sah ihn erstaunt an und fragte: „Wirklich? Gar keine Küsse?“ Er schüttelte seinen Kopf und bestätigte: „Keine Küsse.“ Mein Blick streifte seine schön geschwungenen Lippen. Wie schade für seine Schauspielkollegin. Plötzlich merkte ich, dass ich rot wurde und sah schnell wieder zu dem Fernseher. Den Rest des Filmes sahen wir uns schweigend an. Immer wieder spürte ich seinen Blick auf mir. Doch ich widerstand