Sabine von der Wellen

Die Hoffnung aus dem Jenseits


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um sie vor den Traualtar zu führen. Aber das hätte auch geheißen, ich hätte allein gehen müssen, und das war mir nicht möglich.

      Mein Blick gleitet zu meiner Mutter, die mich erneut nachdenklich mustert. Neben ihr sitzt Frau Maddisheim, die Carolin weinerlich anstarrt.

      Schnell sehe ich Carolin an, die nur steif auf ihrem Stuhl sitzt. Ihre Sommersprossen scheinen sich versteckt zu haben. Aber sie drückt meine Hand und ich schenke ihr ein winziges, verkniffenes Lächeln. Zu mehr bin ich nicht in der Lage.

      Mein Blick läuft in Daniels Gesicht, der mir zunickt, als wolle er mir zu verstehen geben, dass alles in Ordnung ist und keine Gefahr droht.

      Ellen sieht nur wütend aus.

      In dem Moment erhebt sich der Standesbeamte und begrüßt die Gäste, die in ihren aufgeregten Gesprächen verstummen. Seine laute Stimme hallt seltsam durch den Raum, als wäre die Zeit der letzten Jahrhunderte hier gefangen worden und seine Worte müssen sie durchdringen.

      „Liebes Brautpaar, Trauzeugen, Eltern, Verwandte und Freunde. Ich freue mich, euch hier begrüßen zu dürfen, um diese Beiden - Erik und Carolin - in den Bund der Ehe zu führen.“

      Mir wird noch übler. Ich konzentriere mich auf die schmale Hand in meiner. Mein Rettungsanker. Ein schneller Blick in Carolins Gesicht, aber sie sieht nur mit großen Augen den Standesbeamten an.

      Der geht mit viel Humor ganz darin auf, unsere Personalien festzustellen und meint bei Daniel erklären zu müssen, dass er als Trauzeuge eine Mitverantwortung trägt, dass ich auch immer brav auf meinem nun angehenden Eheweg wandele, während Ellen sich um Carolins zu kümmern hat. Dabei macht er schwungvolle Sprüche, die Gelächter hinter und neben uns auslösen.

      Ich kann nur schmunzeln und mache das nur aus reiner Höflichkeit. Aber Carolin lächelt zumindest wirklich freundlich und Daniel und Ellen versprechen ihr Möglichstes zu tun. Dann fragt der Standesbeamte nach den Ringen, die unseren Ehebund besiegeln sollen und deutet auf den reich verzierten Teller, der auf seinen Einsatz wartet.

      Daniel pult nervös die Ringe hervor und legt sie auf den Teller. Natürlich falsch herum und der Standesbeamte legt Carolins an meine Seite und meinen an Carolins. Dabei lächelt er Daniel gnädig an, der von mir zu Carolin und zu Ellen schielt, die ihm ein beruhigendes Lächeln schenkt.

      Der Standesbeamte hat sich wohl vorgenommen, uns mit ein paar Witzchen aufzulockern. Aber als er sieht, dass ich nicht in der Lage bin, seine Witze überhaupt bis in mein Hirn dringen zu lassen, gibt er es auf.

      „So möchte ich dich, Erik, und dich, Carolin, bitten, euch zu erheben.“

      Wir stehen auf und Carolin legt ihren Brautstrauß hinter sich auf den Stuhl. Sie sieht mich an und ich spüre das leichte Zittern, das durch ihre Hand in meine fließt.

      „Ihr beide habt euch gefunden, erkannt, dass ihr gut zusammenpasst und beschlossen, euer Leben zusammen zu meistern. In eurer bisherigen Zeit werdet ihr festgestellt haben, dass ihr zwei eigenständige Personen seid, die beide einen eigenen Kopf haben. Dieses Wissen solltet ihr euch auch in eurer Ehe erhalten. Eigenständigkeit und eure verschiedenen Persönlichkeiten halten eure Liebe in einem stetigen Wandel der Zeit aufrecht und lassen es niemals eintönig werden. Und ihr wollt doch bestimmt keine Langeweile aufkommen lassen, in der langen, gemeinsamen Zeit, die nun vor euch liegt“, sagt er und zwinkert uns zu.

      Leises Lachen erklingt hinter uns und auch Ellen kichert nervös.

      „Da ihr hier vor mir steht, mit Daniel und Ellen als Verstärkung und einer Armee aus Verwandten und Freunden, denke ich, dass ihr es ernst meint und ich euch in den Bund der Ehe überführen kann. Darum frage ich dich, Erik, ist es dein freier Wunsch und fester Wille, die Ehe mit der hier anwesenden Carolin einzugehen und sie zu lieben und zu ehren? Dann antworte mit Ja.“

      Das ist der Moment aller Momente. Ich halte Carolins Hand ganz fest und wende mich ihr zu. Und sie sieht mich aus großen Augen an.

      „Ja! Das will ich!“, sage ich mit lauter, alles übertönender Stimme, als müsse ich einen Kampfruf ausstoßen.

      Carolin blinzelt einen Augenblick und ein Schmunzeln huscht über ihre Mundwinkel. Sie lässt mich nicht aus den Augen, auch wenn der Standesbeamte sich nun ihr zuwendet. Aus den Reihen der Gäste erklingt das erste Hüsteln und Schluchzen. Letzteres hört sich nach Carolins Mutter an.

      „Carolin, ich frage nun auch dich, ist es dein freier Wunsch und fester Wille die Ehe mit dem hier anwesenden Erik einzugehen, ihn zu lieben und zu ehren? Dann antworte mit Ja.“

      Ellen fängt hinter Carolin leise zu schniefen an. Aber für mich gibt es nur Carolin, die schwer schluckt und haucht: „Ja, ich will!“ fast zu leise, als dass jemand es hören kann. Das fällt ihr auch wohl auf und sie räuspert sich und sagt laut und deutlich: „Ja!“

      Ich drücke ihre Hand.

      „Dann nehmt nun die Ringe, die diesen Bund besiegeln sollen und steckt sie euch an die Finger, als Bund für euer gemeinsames Leben.“

      Ich sehe auf den Teller und greife nach dem Ring. Alle anderen im Raum blende ich aus und sehe nur in Carolins Gesicht, die mir erwartungsvoll ihre Hand reicht, die ich erneut ergreife. Aber mir reicht plötzlich nicht mehr, ihr einfach nur den Ring aufzustecken und fertig. In meinem Kopf rumpeln Gedanken und Wünsche um die Wette und ich sehe ihr in die Augen, spüre ihre Hand in meiner und spreche aus, was nach außen drängen will. Es sind Worte, die Carolin mir einst schrieb, um mich vor einem erneuten Absturz zu retten und die ich wiederholte, um sie nach ihrem Unfall aus dem Coma zurückzuholen.

      „Carolin, ich sage dir diese Worte, weil du die Einzige bist, die sie verdient.“

      Meine Stimme klingt belegt und ich räuspere mich leise, um fortzufahren: „Sie erzählen von Gefühlen, die ich nie vorher kannte, so unglaublich tief in mich hineinreichend, so schmerzhaft, wenn ich denke, sie werden nicht erwidert und so süß, wenn du sie mit mir teilst. Ich will diese Gefühle ein Leben lang.“

      In dem großen Raum ist es mucksmäuschenstill. Selbst das verhaltene Schluchzen scheint erstarrt zu sein. Carolins Augen weiten sich einen Moment vor Erstaunen und sie schluckt schwer.

      Ich sage noch eine Nuance lauter, während ich ihr den Ring langsam auf den Finger schiebe: „Sie erzählen von Liebe, die mich wie ein Nebel durchdringt und wenn ich an dein Gesicht denke, spüre ich eine Wärme in mir aufsteigen, die alle Kälte des Lebens verjagt. Wenn ich daran denke, wie du mich in deinen Armen hältst und unsere Körper verschmelzen lässt, wird diese Wärme zur Hitze, die selbst die Antarktis schmelzen kann und wenn du mich an dich ziehst, damit keiner mir zu nahekommt, spüre ich, dass wir zusammengehören. Ich will diese Liebe ein Leben lang.“

      Ich ignoriere die ergriffenen Laute, die aus der Menge hinter uns zu hören sind und behalte meinen Blick in Carolins Gesicht gerichtet, die in diesem Moment alles ist, was ich sehen und fühlen will.

      Carolin reißt sich mit Tränen in den Augen von meinem Blick los, entzieht mir ihre Hand und greift zu dem Teller, um meinen Ring zu nehmen. Ihre Hand nimmt meine und zieht sie zu sich heran. Sie sieht mit feuchten Augen in mein Gesicht und sagt unsere alte Liebeserklärung, die uns mehr als einmal aufrichtete und uns immer wieder zusammenführte weiter auf. „Und sie erzählen vom Schmerz, wenn wir uns dem Leben nicht gewachsen fühlen, das uns immer wieder mit Problemen überhäuft. Dieser Schmerz versucht das Gefühl und die Liebe zu mindern und mich von dir fernzuhalten. Aber er kann mich verbrennen, er kann mich zerstückeln oder mich quälen, bis ich ohnmächtig werde. Aber er wird nie die Kraft aufbringen, mich von dir zu trennen … denn das wäre ein Schmerz, der mit nichts vergleichbar mich vernichten würde.“ Sie schiebt den Ring auf meinen Finger, während sie fortfährt: „Ich liebe dich, mehr als mein Leben, mehr als meine Freiheit, mehr als irgendetwas auf dieser Welt“, und ihre andere Hand sucht meine andere Hand und unsere Finger verschlingen sich ineinander. Wir sehen uns tief in die Augen und man könnte im Saal eine Stecknadel fallen hören. Erst Ellens Schluchzer reißt mich aus meiner Benommenheit und lässt mich erkennen, wo wir sind und dass wir nicht allein sind. Carolin und ich heiraten gerade! In diesem Moment! Oh Mann.

      „Ich