Sabine von der Wellen

Die Hoffnung aus dem Jenseits


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geht es nicht anders.

      „Gut! Alles klar! Wir machen eine Runde durch Osnabrück. Zur Beruhigung. Und ich mache ein wenig Musik und ihr entspannt euch, ja?“

      Timo redet mit uns, als läge ihm höchstpersönlich viel daran, dass es uns gut geht, während er den Bentley vom Hof lenkt. Uns folgt Papas Merc mit Ellen und Daniel.

      „Können wir die abhängen?“, frage ich Timo, der in den Rückspiegel grinst. Bevor er antwortet, biegt er schon in eine Nebenstraße ein und kurz darauf in die nächste und wir fahren wieder zurück Richtung Villa.

      „Ich muss vorsichtig fahren … wegen der Blumen“, entschuldigt er sich. „Sonst würde ich eben einen Abstecher über die Autobahn machen und euch zeigen, was das Baby kann.“

      Ich sehe Carolin an und sie mich und wir müssen lachen. „Ja, wirklich schade“, sage ich. „Eine wilde Fahrt über die Autobahn zu machen klingt wirklich verlockend. Das würde auch gut zu uns passen. Aber du hast recht. Wir sollten versuchen, die Blumen zu schonen.“

      „Natürlich, Chef!“, sagt Timo und beginnt uns von anderen Paaren zu erzählen, denen auch der Arsch auf Grundeis ging. „Eine Braut hat sich das Kleid vollgekotzt, bevor ich sie bei der Kirche abliefern konnte. Das war echt Krass! Also ihr seid nicht die einzigen, die so aufgeregt sind. Dabei ist das ganz allein euer Tag und ihr müsst euch am wenigsten Gedanken machen und nur dafür sorgen, dass er für euch schön wird.“

      „Das stimmt!“, kann ich nur bestätigen. „Und das haben wir auch vor. Und der Anfang ist ja schon gemacht … dank dir.“

      Ich sehe die blauen Augen wieder im Rückspiegel, als wir an einer Ampel warten müssen, an der einige Autos zu hupen beginnen.

      „Ich fahre euch, solange ihr wollt. Wann ist die Trauung?“

      „Sechzehn Uhr.“

      „Gut! Dann haben wir noch ein bisschen Zeit.“

      Die Ampel wird grün und wir fahren quer durch die Stadt.

      Immer wieder hupen Autos und Timo sagt: „Das ist für euch. Als Ehrerbietung, weil ihr euch traut.“

      Ich sehe Carolin verdutzt an, die mich nur anlächelt und sich an mich schmiegt, ihre Haarpracht völlig außer Acht lassend.

      Ich schiebe ihr meinen Arm um die nackte Schulter und sehe an ihr hinunter. Meine Kette liegt in ihrem Dekolleté.

      „Solltest du nicht eine weiße Perlenkette tragen?“, frage ich sie und erinnere mich daran, dass sie mit Ellen darüber gesprochen hatte.

      „Das ist unser Tag und wir tun, was für uns gut ist. Also trage ich deine Kette und deine Ohrringe und deine Ringe. Das ist, was zu mir gehört und zu mir passt. Ich habe es nicht übers Herz gebracht auch nur ein Stück davon ausgerechnet heute abzulegen.“

      Ich lege meinen Finger unter ihr Kinn und schiebe ihren Kopf in den Nacken, um sie zu küssen. Ihr süßes Lipgloss lädt zu mehr ein und ich freue mich unglaublich auf das Ende unserer Hochzeitsfeier. Meine Hand auf ihrem nur von dem seidigen Stoff der Strumpfhose verdeckten Knie legend, könnte ich sie endlos küssen. Fast selbstständig schiebt sich meine Hand hoch und finde auf ihrem Oberschenkel ein seltsames breites Gummi. Ich beende den Kuss und hebe ein wenig ihren kurzen Rock. „Wow, das sind ja Strapse!“

      „Mit allem Drum und Dran“, erwidert sie mit leuchtenden Augen.

      Mir wird klar, dass es eine meiner besten Einfälle war, als ich unsere bevorstehende Nacht plante.

      Bedauernd raunt Carolin: „Aber schade, dass ich dir das nicht vorführen kann. Wir müssen schließlich gleich nach der Feier los.“ Sie wirkt ein wenig traurig und ich küsse sie erneut. „Wer weiß, was alles passiert“, antworte ich nur und lasse sie weiter ahnungslos.

      Timo hat eine Art, uns die Angst vor dem Bevorstehenden zu nehmen, die einzigartig ist. Er erzählt uns ein paar wirklich tolle Geschichten und Brautwitze und wir haben einiges zu Lachen und werden lockerer. Dazu noch das Wissen, das alles ein Ende haben wird und Carolin und ich dann in unser hauseigenes Glück fallen können - und es geht mir wieder einigermaßen gut.

      Das ändert sich schlagartig, als wir vor dem Rathaus auf den Platz fahren, auf dem schon eine ziemlich große Menschenansammlung auf uns wartet.

      „Okay Freunde, jetzt müsst ihr euren Weg allein weitergehen. Ich erwarte euch dann nach der Zeremonie und bringe euch zum Saal.“

      „Danke Timo“, raune ich und mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Carolin ist auch eine Nuance blasser.

      In dem Moment werden auch schon unsere Türen aufgerissen und mein Vater steht vor mir. „Um Gottes Willen, Erik! Wo bleibt ihr denn?“ Er ist sichtlich nervlich am Ende.

      „Wir haben mit dem schönen Brautwagen noch eine Runde durch die Stadt gedreht.“

      Mein Vater schüttelt nur den Kopf, während Carolin schon an der anderen Seite von Ellen und ihrer Mutter aus dem Wagen gezerrt wird. Ich werde sofort von einer Traube Menschen umringt, die mich alle begrüßen wollen und auch Carolin muss wohl erst Rede und Antwort bei ihren Eltern und Ellen stehen. So geht alles sehr schnell und wir finden uns im Rathaus wieder, vor einem Raum, der mir den Atem nimmt. Er ist groß und alt eingerichtet. An den Seiten sind Bänke an der Wand angebracht, die mit weißen Kissen ausgelegt sind. Die Fensterbänke schmücken riesige Blumenbuketts und überall stehen riesige Schalen auf massiven Ständern, die auch solche Blumenarrangements zur Schau stellen. Alles wirkt unglaublich feierlich. Stühle mit weißen Stuhlhauben stehen in Reihen bis vor einem alten hölzernen Tisch, vor dem vier Stühle stehen und einer dahinter. Auf dem Tisch steht nur ein winziges Blumenarrangement, weil für mehr kein Platz ist.

      Ich werfe einen Blick in diesen imposanten Raum und suche verzweifelt nach Carolin, die aus der Menge auf mich zu schwebt. Ich sehe an ihrem Blick, dass sie mich jetzt braucht, und ich brauche sie.

      Als sie mich erreicht, greife ich nach ihrer Hand, weil ihr Vater auf sie zustürmt. Ich weiß genau, was er will. Aber fast schon panisch drehe ich mich mit Carolin um und ziehe sie durch den Gang dem Tisch entgegen, hinter dem ein älterer Mann uns erwartungsvoll entgegensieht.

      Hinter uns spüre ich die Meute, die in den Raum drängt und höre die Ah und Ohs, was den Raum betrifft. Ich sehe die Portraits irgendwelcher Leute an den Wänden, die uns zu beobachten scheinen, sehe die unglaublichen Holzschnitzereien, die die Bänke und Wände schmücken und den riesigen Kerzenleuchter, der von der Decke baumelt und ausgesprochen altertümlich wirkt … wie alles hier.

      Carolin sieht sich auch um und unsere Blicke treffen sich. „Das ist ja unglaublich!“, sagt sie ergriffen und lässt ihren Blick erneut um uns herumschweifen. Hinter uns ist die Menge immer noch unruhig und wir hören Stühle verrücken und geflüsterte Platzanweisungen.

      Ich kann nichts sagen. Ich starre nur noch auf den Mann, auf den wir zugehen.

      Er reicht uns über den Tisch hinweg die Hand und stellt sich vor. Aber in meinem Kopf will sein Name nicht auch nur annähernd Fuß fassen.

      „Erik Zeiss-Clarkson“, antworte ich ihm nur und Carolin nuschelt ein: „Carolin Maddisheim.“

      Daniel taucht neben mir auf und sieht mich beunruhigt an. Neben Carolin erscheint Ellen. Auch die beiden geben dem Standesbeamten die Hand und er deutet uns, dass wir uns setzen können. Rund um uns postieren sich zwei Fotografen. Einer mit einer Videokamera und einer mit einem riesigen Fotoapparat. Ich überlege kurz, ob die von der Zeitung sind. Aber dann wird mir klar, dass sie unsere Hochzeitsfotografen sein müssen, die meine Mutter engagiert hat.

      Carolins Hand fest in meiner, sehe ich zurück in den Raum. Meine Eltern und die Maddisheims sitzen in der ersten Reihe, mit Julian und seiner Freundin. Dahinter verteilen sich unsere Gäste. Marcels Gesicht taucht aus der Menge auf und er nickt kurz grüßend. Ich nicke zurück. Ich sehe unseren Arzt Dr. Bremer und Herr Thomas, den Juwelier. Auf der anderen Seite sitzen Torben, Steffen, Ralf und Ulf aus meiner Uni und davor Carolins Mädels. Alle anderen haben für mich auf die