Sabine von der Wellen

Die Hoffnung aus dem Jenseits


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Carolin, die ihnen einschenkt, was gerade gewünscht wird.

      Ich nehme mir ein alkoholfreies Bier und stoße mit ihnen an. Mein Vater taucht hinter dem Trecker auf und grinst, während er fröhlich in der Runde aufgenommen wird.

      Er war doch nicht irgendwo im Grünen pinkeln?

      Ich sehe ihn überrascht an und er zwinkert mir zu, als wüsste er, was ich denke.

      „Komm, Walter. Ein unglaublich gut geratenes Bürschchen hast du da. Kein Wunder, dass unsere Carolin sich den gleich gegriffen hat“, meint einer und schlägt meinem Vater auf den Rücken.

      „Ich weiß! Ich weiß!“, sagt der und kippt sich den Jägermeister in den Hals, den Carolin ihm reichte.

      Heute fährt wohl meine Mutter, da sie am Samstag angeblich schon wild gezaubert hatte. Zumindest war mir so etwas in der Arbeit zu Ohren gekommen. Sie hatte das angeblich selbst dort zum Besten gegeben.

      Ich sehe mir das Ganze mit etwas gemischten Gefühlen an. Dass meine Eltern so sein können, hätte ich niemals für möglich gehalten. Aber vielleicht kenne ich sie einfach nicht richtig, genauso, wie sie mich nicht kennen.

      In dem Moment ruft Carolin laut gegen das illustre Stimmengewirr an: „Ich habe den gleich verhaftet und jetzt bekommt er lebenslänglich.“ Dabei lacht sie und alle lachen mit.

      Ich sehe sie verdattert an. Cooler Spruch. Bloß das eigentlich ich es war, der sie verhaftet hatte. Es hatte mich viel Einsatz und Nerven gekostet, ihr dieses „Lebenslang“ aufzubrummen. Aber ich finde es süß, dass sie mich hier so hochhebt. Und dann sieht sie mich an und wirft mir einen Luftkuss zu.

      Ich kann nicht anders. Ich schiebe mich an den Männern vorbei, die zwischen uns stehen. Mit einer Hand die offenen Pralinenkisten ausbalancierend, greife ich sie mir und küsse sie.

      „Uuuuh, und so leidenschaftlich. Nah kein Wunder!“, ereifert sich einer lachend und alles grölt mit.

      Das ist eine Welt, die sich um nichts schert und ich fühle mich hier eigentlich ganz wohl.

      Als wir spät am Abend wieder wegfahren, habe ich das Gefühl, auf einen wirklich netten Menschenschlag getroffen zu sein. Freitag wollen sie den Kranz aufhängen und ich habe fest vor auch Anwesend zu sein und ihnen zu helfen. Ich darf das, haben sie gesagt. Weil ich so ein netter Bursche bin.

      Ihre offenen Freundschaftsbekundungen machten mich so manches Mal verlegen. Außerdem habe ich schon lange nicht mehr so gelacht, wie an diesem Abend. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass diese Leute mich wirklich mögen.

      Freitag werde ich Daniel mitnehmen. Der soll diese lustigen Leute, die sich so viel Arbeit für mich und Carolin machen, auch kennen lernen. Der wird mir gar nicht glauben, dass die selbst den Kranz gebunden haben und sogar meine Eltern mithalfen.

      Ich finde es an diesem Abend seltsam aufbauend, meine Eltern wegen mir so ausgelassen und gut zufrieden zu sehen. Keiner weiß so gut wie ich, dass das nicht immer so war. Aber die Vergangenheit scheint an diesem Abend vergessen zu sein, und das ist gut so.

      Am Freitag treffen wir uns alle vor dem Saal wieder und hängen den Kranz auf. Das droht erneut ein sehr feuchtes Unterfangen zu werden … und auch ein unglaublich lustiges. Auch diesmal lassen meine Eltern es sich nicht nehmen, dabei zu sein und Ellen und Daniel sehen dem Ganzen fasziniert zu.

      Der Kranz umschließt die riesige Tür, wie bei meinen Eltern damals bei ihrer Silberhochzeit. Sie hatten den von einem Blumengeschäft anfertigen lassen. Dieser hier ist aber viel schöner und er reicht auf jeder Seite fast vier Meter auf den Parkplatz hinaus. Unglaublich! Und oben, in der Mitte der Tür, bringen sie ein Schild an, das zwei goldene Ringe zeigt, die ineinandergreifen und unsere Namen tragen.

      „Donnerwetter!“, sagt Daniel beeindruckt und grinst mich an.

      „Ja, echt Hammer!“, raune ich und fühle mich ein wenig ergriffen.

      Carolin schlingt ihre Arme um meine Mitte und wirkt auch ein wenig gerührt, während Ellen zu Carolins Nachbarn sagt: „Wo muss ich hinziehen, um euch als Nachbarn zu bekommen. Ich will auch so etwas, wenn ich heirate.“

      „Wenn du uns so nett versorgst wie dein Bruder, und deine Eltern wieder so tatkräftig ihren Einsatz leisten, dann machen wir dir auch einen“, meint eine Frau sofort und alle stimmen zu.

      „Wir wären auf alle Fälle wieder dabei!“, ruft mein Vater und lädt alle in das Gasthaus ein. Das wird mit aufrichtiger Freude aufgenommen und der Abend erneut sehr lustig. Dabei vergesse ich ganz meine Unruhe wegen dem bevorstehenden großen Tag.

      Ellen fährt uns weit nach Mitternacht nach Hause und Carolin und ich fallen todmüde und betrunken ins Bett. Es ist gut, dass der Alkohol meinen Verstand lahmlegt, sonst würde ich wahrscheinlich gar nicht schlafen können.

      Als wir um zehn von dem Wecker geweckt werden, sind wir beide überrascht, dass wir so gut geschlafen haben. Ich nehme Carolin mit unter die Dusche, was sie zurückhaltend quittiert. Als ich sie an mich ziehe, bittet sie: „Schatz, nicht! Lass uns keinen Sex mehr vor unserer Hochzeitsnacht haben.“

      Sie hat recht. Wir sollten uns das für heute Nacht lassen.

      Wir frühstücken wenig später mit nur mäßigem Appetit, was einerseits an dem Alkoholkonsum des vergangenen Abends liegt und auch daran, dass wir beide langsam vor Nervosität durchdrehen. Danach räumen wir die Wohnung auf. Schließlich werden wir sie eine Woche lang nicht wiedersehen und ich habe darauf bestanden, dass alles ordentlich ist, damit wir uns wohlfühlen, wenn wir wieder von unserer Hochzeitsreise zurückkehren. Zumindest hatte ich das Carolin so dargelegt. Aber es gibt auch noch einen anderen Grund, den ich ihr verschweige.

      Kurz vor Mittag machen wir uns auf den Weg zur Villa. Carolin hat noch ein volles Programm. Es kommt eine Friseurin, die ihr die Haare frisiert, und dann erfolgt das lange Ankleideprozedere.

      Ich will in der Zwischenzeit mit Daniel noch einige Vorbereitungen treffen, was unsere Hochzeitsreise angeht, die nicht ganz gewöhnlich beginnen wird. Wenn ich auch zur Hochzeit selbst nicht viel beitrug, so habe ich einen festen Plan, was danach geschehen wird. Und Daniel ist eingeweiht. Aber um diesen Plan umzusetzen, muss Carolin in den festen Händen von Ellen, der Friseurin und meiner Mutter sein.

      Daniel und ich fahren zu unserer Wohnung zurück und bereiten alles vor. Während ich noch die letzten Griffe erledige, flitzt Daniel in seine Wohnung, um sich umzuziehen und hochzeitsfertig zu machen.

      Um zwei fahren wir zur Villa zurück. Nun bin ich an der Reihe.

      Ich bin aufgeregt und mir ist übel. Was ich auch versuche, es wird immer schlimmer. Mir geht erschreckend der Arsch auf Grundeis und mir kommt seit langem mal wieder der Gedanke an eine Line.

      Daniel grinst mich nur an. „Du wolltest es so“, sagt er schadenfroh und ich murre: „Ich will nur Carolin heiraten. Nicht das, was jetzt kommt …“

      „Das gehört dazu und du hast schon Schlimmeres überstanden.“

      Er hat eigentlich recht. Ich muss mich zusammenreißen.

      Gerne würde ich zu Ellen hinüberlaufen und nach Carolin sehen. Wie es ihr wohl geht? Aber ich muss mich selbst anziehen und darf sie nicht eher sehen, bis Ellen es zulässt.

      Die kommt gerade aus ihrem Reich und begrüßt Daniel, selbst schon wunderschön hergerichtet. Sie hat ein dunkelblaues Kleid an, das mit einem dunkelblauen Petticoat über ihren Knien aufbauscht. Es ist schulterfrei und neckisch am Rücken mit einer Schnürung auf Figur gebracht worden. Ihre Haare hat sie hochgesteckt und sie ist geschminkt. Daniel bleibt einen Moment fassungslos vor ihr stehen und schluckt schwer, und ich kann es kaum abwarten, Carolin endlich zu sehen.

      Ellen hilft mir mit der Fliege und Papa kommt mit Manschettenknöpfen. Ich hätte auch welche gehabt. Die waren bei dem Hemd dabei. Aber Papas sind der Hit. Es ist ein E+C eingraviert.

      „Poor, Danke!“, kann ich nur mit belegter Stimme raunen und er reißt mich kurz in seine Arme. „Bitte, mein Junge. Aber passende Manschettenknöpfe sind in unserer Familie ein Muss,