Kendran Brooks

Justice justified


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      »Hallo Schatz. Bist du zu Hause?«

      Michael Langton hatte aufgeschlossen und war in den Flur getreten, der die einzelnen Räume des Apartments miteinander verband, rief seine Frage laut in Richtung des Wohnzimmers.

      »Brüll doch nicht so herum«, kam eine recht gehässige Antwort durch die offenstehende Türe zurück.

      Michael seufzte leise, hängte seine Lederjacke an einen Bügel und diesen an einem der Haken an der Garderobe auf, legte seinen Schlüsselbund in den schweren Vulkanstein-Aschenbecher auf der Ablage, ging in die kleine Küche hinüber, nahm sich eines der noch nicht gespülten Gläser vom Abtropfbrett und füllte es am Wasserhahn, trat damit zurück in den Flur und dann ins Wohnzimmer. Gin Davis lag auf der Couch und blätterte in einem Modeblatt. Sie blickte schräg an der Zeitschrift vorbei ihren Freund abwartend an, kaute dabei wie eine Kuh und blies dann einen Kaugummi zum Ballon auf, bis dieser platzte und sie die Überreste mit den Lippen und der Zunge wieder in ihren süßen Mund zurückschob.

      »Erfolg gehabt?«

      Ihre Stimme drückte keine Hoffnung aus, eher Häme. Michael schüttelte verneinend und resigniert den Kopf.

      »Nein. Sie haben sich für einen anderen Makler entschieden, der wohl etwas günstiger war. Jedenfalls haben sie mir das in ihrer Absage geschrieben.«

      Gin Davis setzte sich abrupt auf, starrte ihren Freund wütend an.

      »Du Schlappschwanz. Du Niete. Wie haben sie dich denn diesmal ausgebootet? Haben sie wieder auf die Tränendrüse gedrückt? Oder was? Wie kannst du dich immer wieder von allen möglichen Leuten treten lassen, du Wurm? Du Versager. Du hast mir doch erzählt, sie hätten den Vorvertrag bereits unterzeichnet? Wie können sie dann noch abspringen? Los. Rede endlich.«

      Sie war aufgesprungen, stand wie die Rachegöttin in Person vor ihm, starrte ihn zornig und aufgebracht an. Ihre Wangen hatten sich vor Wut gerötet und ihre Augen ließen Blitze in die seinen zucken. Herrlich lebendig war sie anzusehen, diese gertenschlanke Amazone, dieses wilde Weibsbild, diese Ausgeburt der himmlischen Hölle, wie Michael seine Freundin in Gedanken manchmal nannte, vor allem nach dem wilden Sex, mit dem sie ihn immer und immer wieder begeisterte, der alles von ihm forderte und ihm auch alles zurückgab.

      Michael konnte die Verärgerung seiner Freundin durchaus verstehen. Denn immerhin hatte er ihr noch vor zwei Tagen versprochen, nach dem Abschluss des anstehenden Maklergeschäfts für sie die Fuchspelzjacke in der Boutique an der On Lan Street zu kaufen. Sobald der Vertrag über die Damenbinden unter Dach und Fach gewesen wäre, wollten sie zudem endlich wieder einmal groß Ausgehen, im Above & Beyond Essen gehen und dort vor all den schwerreichen Pinkeln angeben, danach im Beijing Club bis zum Morgengrauen tanzen. Doch nun kam er mit einer weiteren seiner Niederlagen zu ihr zurück. Überhaupt war sein neues Unternehmen äußerst zäh gestartet und kämpfte ums Überleben. Die Vermittlung von dreißig Millionen Damenbinden an eine große Drugstore Kette in den USA hätte ihm für das nächste halbe Jahr Miete und Essen bezahlt.

      »Ach, Ginnie, sie konnten sich leider auf die Ausstiegsklausel beziehen. Ich musste nachgeben.«

      »Und wie viel haben sie locker machen müssen?«

      Ihre Frage klang kalt, aber auch gierig, aus ihrem sonst so süßen Mund, deren schmale Lippen in perfektes Dunkelrot getaucht waren, zugleich Sinnlichkeit wie Zügellosigkeit versprachen.

      »Fünfzehnhundert US-Dollar«, gab er kleinlaut bekannt.

      »Nur fünfzehnhundert? Warum nur fünfzehnhundert? Du hast gesagt, das Geschäft brächte dir mindestens Zwanzigtausend ein? Und dann speisen Sie dich mit fünfzehnhundert ab?«

      »Sollte ich für ein paar Tausender mehr mit denen etwa vor Gericht ziehen?«

      Das erste Mal an diesem Tag zeigte sich ein klein wenig Härte in seiner Stimme, auch wenn sie wohl weniger aus innerer Stärke, als vielmehr aus genervter Verzweiflung geboren war.

      »Die sitzen letzten Endes doch eh am längeren Hebel, können den Fall über drei Instanzen ziehen und darauf warten, wie mir die Kohle ausgeht.«

      Gin ließ sich auf das Sofa zurück plumpsen, beachtete ihren Freund nicht länger, starrte stattdessen auf den Fußboden, der mit einem langhaarigen, weißen Kunstfaserteppich ausgelegt war. Sie dachte angestrengt nach, war immer noch aufgebracht und wütend.

      »Schau, Ginnie, wir gehen heute Abend trotzdem im Above & Beyond Essen. Ja? Wir lassen uns die Laune nicht verderben.«

      Sie schaute nicht zu ihm auf, musterte weiterhin den Teppichflor zu ihren Füssen.

      »Ich hab uns bereits einen Tisch reserviert. Auf acht Uhr.«

      Hoffnung klang aus dem Mund von Michael Langton, die Hoffnung auf Ruhe und Frieden, auf Vergebung.

      »Vergiss es, du Versager«, zischte sie ihn plötzlich an, sprang auf und eilte aus dem Wohnzimmer, verschwand im Schlafraum. Michael setzte sich seufzend auf das Sofa nieder, nahm einen Schluck aus seinem Glas, wirkte ausgebrannt und resigniert. Nach kaum einer Minute trat seine Freundin wieder in den Flur. Sie trug immer noch den enganliegenden Gymnastikanzug, hatte sich bloß einen modischen Rock darüber gezogen und trug die neuen, schwarzen High-Heels mit den Pfennigabsätzen, dazu die ultrakurze, schwarze Lederjacke.

      »Wart nicht auf mich«, rief sie ihm zu, ohne ihn anzusehen, zog bereits die Haustüre auf, »ich bin bei einer Freundin.«

      Sie warf die Tür hinter sich laut knallend zu.

      Endlich begann Michael Langton innerlich zu kochen, nun, da seine Freundin nicht mehr in der Nähe war, er ihre starke Präsenz und Persönlichkeit nicht mehr spürte, auch nicht sein Verlangen nach ihrem Körper, ihrem Mund, den kleinen, ach so festen Brüsten mit den langen, harten Nippeln, nach ihrer nicht rasierten, jedoch kurz geschnittenen Scham mit dem glatten, drahtigen Haar, das sich frisch gestutzt wie die Borsten eines Ferkels anfühlten, das Michael vor vielen Jahren beim Besuch eines Streichelzoos auf seinen Armen tragen durfte. Bei diesem Gedanken verflog seine Wut auf die Freundin auch schon wieder. Wie schön war es doch, mit einer solch attraktiven Frau zusammen zu leben, immer wieder heißen Sex mit ihr zu haben und auf der Straße und in den Geschäften von allen Männern bestaunt und beneidet zu werden. Nein, er konnte seiner Ginnie nicht wirklich böse sein. Sie hatte im Grunde genommen auch Recht.

      *

      Jules wollte an diesem Abend im Stockyard Café das beinahe berühmte Fried Chicken Steak mit viel Gravy essen gehen. Doch Alabima war dagegen und schlug stattdessen das Denny’s Family Restaurant vor. Als ihr Gatte protestierte, entschied sie resolut: »Unsere Tochter braucht heute ein paar Kohlenhydrate und Vitamine, nicht bloß Eiweiß und Fett, basta«, fügte aber versöhnlicher hinzu, »wir können doch gleich Morgen dort Frühstücken gehen. Dann kannst du dein Fried Chicken Steak immer noch verputzen, okay?«

      Und so saßen sie wenig später in einer der Sitzecken des Denny’s und studierten die Karte. Während der Kellner ihre Bestellung aufnahm, schoss Jules auf einmal ein Gedanke durch den Kopf, den er auch gleich aussprach: »Eigentlich könnten wir morgen ein weiteres Mal ausreiten, doch diesmal hoch zum Raton Pass. Na, wie wär’s?«

      Mei, Chufu, Alabima und selbst Alina sahen den Schweizer gleichermaßen gespannt und abwartend an, wobei Chufu und Alabima eher negativ, Mei und Alina eher positiv gestimmt schienen.

      »Ach, ihr kennt ja nicht all die Geschichten um diesen berühmten Pass, der zum legendären Santa Fe Trail gehört. G. F. Unger ist euch bestimmt auch keine Begriff? Nein? Also gut. G. F. Unger ist der erfolgreichste Western-Autor der deutschen Sprache. Er hat mit seinen Erzählungen über den Wilden Westen eine weit höhere Auflage erreicht als Karl May mit seinen Winnetou und Old Shatterhand-Geschichten. G.F. Unger war der Held meiner Jugend, ich meine, als Schriftsteller. Alle zwei Wochen kam ein neues Romanheft heraus und ich hab sie geradezu verschlungen.«

      »Romanheft? Etwa Schundromane, Jules?«, fragte Chufu spöttisch lächelnd.

      »Was sind Schundromane?«, wollte Alina sofort von ihrer Mutter wissen.

      »Das