Kendran Brooks

Die neunschwänzige Katze


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zwischen seine Lippen einsog und sie weich massierte, dann wieder ihre äußeren Schamlippen mit der Zungenspitze umspielte und mit seiner Zunge auch immer wieder in sie eindrang, da dachte Alabima an einen anderen Mann, einen, den sie nicht kannte, der in ihren Gedanken auch gar kein Gesicht besaß, sondern nur einen Körper. Er war stark beharrt, fast wie ein Affe. Und sein Schwengel war lang und dick wie eine Keule. Sie hatte ihre Augen geschlossen gehalten und mit ihren Händen ihre Brüste massiert und gestreichelt, stellte sich vor, wie der Behaarte zwischen ihren Schenkeln lag und sie einfach nahm, animalisch wild, wie ein Tier das andere. Rasch war sie zum Höhepunkt gesegelt, wohl zu rasch, wie ihr später der leicht irritierte Blick von Jules verriet.

      »Es ist halt schon eine Weile her«, versuchte sie eine Erklärung und Entschuldigung zugleich. Jules hatte sie angelächelt und genickt, hatte sich neben sie gelegt und noch ein wenig gestreichelt, war darüber wenig später eingeschlafen.

      Auch sie hatte ihm zuvor einen Blowjob verpasst, hatte ihn in kürzester Zeit zum Erguss getrieben und es schien ihm ganz Recht gewesen zu sein. Überhaupt fand kaum mehr richtiger Beischlaf zwischen ihnen beiden statt. Der letzte Koitus, das Eindringen und Stoßen mit dem Glied, die wirkliche Besitznahme ihres Körpers, lag schon lange zurück, mehrere Monate. Seitdem bekam sie nur noch Fast Food vorgesetzt, mit den Fingern oder der Zunge, mehr ein Abreagieren als wirklicher Genuss. Was war mit Jules bloß los? Lag es immer noch an ihrem früheren Verhältnis mit dem Studenten Jean-Robert? War es weiterhin die Eifersucht, die Jules den Geschlechtsverkehr mit ihr vermieste? Was konnte sonst der Grund für seine Zurückhaltung sein? Er liebte sie immer noch. Das sagte er nicht nur regelmäßig, er ließ es sie auch andauernd spüren. Und trotzdem lag ihm kaum mehr etwas an der intimsten Ausdrucksweise ihrer Zusammengehörigkeit. Sollte sie sich mit seiner Psychologin Dr. Grey in Verbindung setzten? Jules ging immer noch zu ihr hin, nicht jede Woche, aber doch zweimal pro Monat. Womöglich konnte ihr Dr. Grey einen Tipp geben? Oder irgendwie auf Jules einwirken?

      Ihr Ehemann bewegte sich unruhig neben ihr, drehte sich auf den Bauch, wachte nicht auf.

      Sie zog das verrutschte Laken über seine Schultern hoch, betrachtete sein Gesicht von der Seite her, das sich in der Dunkelheit des Zimmers wenig vom hellen Bettzeug abhob.

      Der Schweizer atmete schwer, weil seine Nase tief im Kissen vergraben lag. Er grunzte unwillig, drehte den Kopf auf die Seite, blickte nun Alabima direkt, aber mit geschlossenen Augen an, murmelte etwas Unverständliches.

      Armer Liebling, dachte die Äthiopierin, was dich in dieser Nacht wohl wieder plagen mochte?

      Sie rückte ein wenig von ihm ab, legte sich auf die Seite, versuchte einzuschlafen. Doch Morpheus verweigerte ihr die Bewusstseinslosigkeit noch immer, quälte sie mit weiteren Gedanken.

      Mittlerweile war sie sich klar geworden. Die Schweiz, in der sie seit mehr als sechs Jahren lebte, würde ihr wohl nie zur zweiten Heimat werden. Lange Zeit hatte sie dies jedoch gedacht, es beinahe gefühlt, das Wohlbefinden, die Akzeptanz, die Ehre. Doch dann hatte ihr Jules das Vertrauen entzogen und damit den so sicher geglaubten Boden unter ihren Füssen. Verwandte besaß die Äthiopierin keine in der Schweiz, nur wenige Freunde, kaum Bekannte.

      Was hielt sie noch in diesem Land?, fragte sie sich immer noch wach liegend und einmal mehr. Die Schulen waren gut, für Alina und deren Zukunft. In Äthiopien hätte sie weit weniger Chancen auf eine adäquate Ausbildung, müsste später auch weit stärker für einen Studienplatz kämpfen. Doch konnte sich ihre Tochter irgendwann tatsächlich heimisch in der Schweiz fühlen, wenn sich ihre Mutter im Land immer fremder und ausgeschlossener vorkam?

      Eine Rückkehr nach Äthiopien war jedoch keine Alternative. Das wusste Alabima. Und doch konnte dieser Schritt eines Tages notwendig werden.

      Durfte sie egoistisch an sich und ihr Wohlbefinden denken? Musste sie nicht Rücksicht auf Alina und auch auf Jules nehmen?

      Nein, auf Jules nicht, entschied sie sogleich und nicht zum ersten Mal, denn er nahm auch kaum Rücksicht auf sie. Er war doch der Grund, warum sie hier in der Schweiz so isoliert lebten und kaum Freundschaften pflegten.

      Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Sie wollte die perfekte Mutter für ihr Kind sein, auch eine gute Ehefrau. Das verlangten Familiensinn und Moral von ihr. Und doch genügte dies nicht. Nicht für ein ganzes Leben.

      Warum wollte sich bei ihr in dieser Nacht der Schlaf nicht einstellen? Warum wurde sie von ihren Gedanken gequält? Sie führten zu nichts, zu keiner Lösung. Oder doch?

      Sie drehte sich erneut zu Jules um, rückte auch wieder etwas näher, lag mit ihrem Gesicht nur noch Zentimeter von dem seinen entfernt, spürte den Luftzug seines Atems auf ihrer Brust.

       Konnte sie Jules verlassen? Musste sie Jules verlassen?

      Ihre Gesichtszüge entspannten sich, zeigten ein etwas verlorenes, mitleidiges Lächeln.

      Mein Liebling …, dachte sich Alabima, … mein Liebling.

      *

      Es war eine dunkle, enge Quergasse, die von der Rua Joaquim de Queiroz abzweigte. Schon nach wenigen Metern begann die Treppe, die einen immer höher den Hang hinaufführte und an der Haltestelle der Seilbahnstation Alemão endete. Nur wenige Bewohner dieser Favela benutzten jedoch diesen Weg, denn links und rechts gingen immer wieder Türen von ihm ab, die zu kleinen und schmutzigen Zimmern führten. Davor standen oder saßen die Frauen und boten ihre Dienste an, manchmal zurückhaltend, wenn die Geschäfte an diesem Tag bereits gut gelaufen waren, meistens jedoch aufdringlich oder gar aggressiv. Viele von ihnen besaßen Kinder, zwei oder drei, von zwei oder drei verschiedenen Männern, Irrtümer eines nicht allzu langen Lebens, das sie Stufe um Stufe tiefer geführt hatte, bis es kaum mehr weiter hinuntergehen konnte.

      Carlos benutzte stets diese Treppe, denn sie brachte ihn nicht nur von der Busstation auf kürzestem Weg zur Quergasse hoch, in der er mit seiner Mutter und seinen drei Geschwistern in einer Drei-Zimmer-Wohnung von wenig mehr als vierzig Quadratmetern lebte, sondern führte auch an der Tür von Manuela Hernandoz vorbei, seiner derzeitigen Favoritin auf dem Markt der käuflichen Liebe des Quartiers. Denn seit er bei den Lings arbeitete, hatte er stets ein paar Reais übrig, für eine entspannende Handmassage oder einen Blowjob. Manuela mochte ihn sogar. Das sagte sie ihm nicht nur jedes Mal, wenn er bei ihr war. Sie strömte es auch aus, mit jeder Faser ihres noch jungen und schlanken Körpers. Ihr Gesicht war etwas breit geraten, ebenso ihre Nase, aufgrund ihrer indianischen Wurzeln. Doch ihre Wangenknochen saßen hoch und ihr Mund besaß diese kirschroten und breiten Lippen, die Wollust und Sinnlichkeit verrieten. Eine Viertelstunde ohne Geschlechtsverkehr kosteten bei ihr 30 Real. Das war doppelt so viel wie bei der Konkurrenz in unmittelbarer Nachbarschaft. Doch Manuela war dieses Geld wert. Man musste sie sich nur leisten können.

      Carlos verdiente sich nebenbei einiges an Geld und er war keinem Geschäft abgeneigt. So hörte er beispielsweise stets sehr genau hin, wenn sich Senhor Ling während des Essens über die Politik oder die Wirtschaftslage oder die Restaurant-Kette ausließ. Vieles verstand er zwar nicht oder nicht richtig. Doch sein Kopf funktionierte gut, konnte die Worte des Hausherrn beinahe wörtlich abspeichern. Und Pedro Alavalon bezahlte ihn für jede solche Information aus dem Hause Ling. Ihn hatte er vor ein paar Wochen in einer der Bars getroffen und sie waren seitdem befreundet. Fünfzig bis hundert Real waren Pedro die Neuigkeiten aus der Familie Ling jeweils wert. Wozu Pedro sie benutzte, wusste Carlos nicht, interessierte ihn auch nicht. Auch empfand er seine Auskünfte nicht als einen Treuebruch gegenüber seinem Arbeitgeber. Denn schauten nicht auch die Lings auf jeden Real, den sie irgendwie und irgendwo einsparen und so verdienen konnten? Ihre Tischgespräche bewiesen es ihm.

      Und so steuerte Carlos auch an diesem Abend die Türe von Manuela Hernandoz in freudiger Erwartung an, spürte bereits die Erregung in seiner Hose, wenn er an ihre schlanken Finger mit den purpurnen Nägeln dachte und wie sie sich sanft in die Haut seines Stängels bohrten, während ihre Lippen und ihre Zunge ihn verwöhnten. Oder sollte er sie diesmal aufsitzen und reiten lassen? Vierzig kostete das zusätzlich, ohne Kondom sechzig. Carlos fuhr sich bei diesem Gedanken nervös geworden mit der Zungenspitze über die Oberlippe. Aber nicht etwa, weil Manuela mit Aids infiziert war und dies auch jedem neuen