Kendran Brooks

Die neunschwänzige Katze


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bei ihrer Mutter.

      »Noch nicht, Liebes. Warte damit, bis wir am Tisch sitzen.«

      »Falls das heute noch was wird«, kam der bissige Kommentar ihres Gatten.

      Endlich kehrte der Zerberus der Tischreservationen zurück, lächelte einschmeichelnd schmierig. In seinem Schlepptau war ein Kellner, der sie wohl führen sollte.

      »Alles in bester Ordnung«, vermeldete der Tischanweiser gesalbt, als hätte er einen Segen zu vergeben, »Jean-Luc wird Sie zu Ihrem Tisch begleiten.«

      »Steht der in Täsch?«, fragte Jules anzüglich und angriffslustig zurück.

      Der Empfangschef des Restaurants blickte ihn irritiert an.

      »Na, weil sie so lange brauchten, bis zu unserem Tisch hin und wieder zurück?«, half ihm Jules auf die Sprünge und der Mann verzog ärgerlich seinen Mund, sah danach betont am Schweizer vorbei und beachtete ihn nicht weiter.

      Alabima ging mit dem Kellner und mit Alina an ihrer Hand, Jules zockelte den beiden hinterher, war stinksauer und erntete entsprechend verwunderte Blicke von den anderen Gästen, die bereits vereinzelt im Lokal saßen. Der Ansturm würde wohl erst in einer halben Stunde einsetzen.

      Ihr Tisch stand neben dem großen Kamin, in dem ein Meter lange Holzscheite brannten. Alabima nickte und lächelte dankbar, als ihr der Kellner den Stuhl zurechtrückte, während Alina den ihren selbstständig erklomm. Jules dagegen blickte betont skeptisch ins Feuer und in die heiße Glut, setzte sich zögernd.

      »Meine Frau stammt aus dem Hochland Äthiopiens«, wandte er sich an den Kellner, der bislang die Speisekarten unter seinem rechten Arm eingeklemmt hatte und sie nun verteilte.

      »Wie bitte?«

      »Na, im Winter wird’s dort auch gegen Null Grad kalt. Ist also gar nicht nötig, uns Sitzplätze in ihrer Sauna anzubieten.«

      Alabima verdrehte ihre Augen, Alina lachte fröhlich, auch wenn sie den Witz nicht so ganz verstanden hatte, sondern nur aufgrund der Betonung ihres Vaters erkannte, dass es sich um eine Art von Scherz handeln musste, während der Kellner zwar nur kurz, aber verdutzt den Kamin musterte.

      »Wenn es Ihnen zu warm ist, dann kann ich schauen, ob ich einen anderen Tisch für Sie finden kann?«

      Jules sah den Mann zynisch an.

      »Nicht nötig. Wir können uns bei Bedarf ausziehen.«

      Der Mann nickte, nicht zustimmend, sondern quittierend. Dann verließ er ihren Tisch für den Moment, hatte glatt weg vergessen, nach einem gewünschten Aperitif zu fragen.

      »Einundzwanzig, zweiundzwanzig, ...«, begann Jules zu zählen und Alabima schaute ihn kopfschüttelnd an.

      »Du bist heute Abend wieder einmal unmöglich«, zischte sie ihm zu, »was kann der arme Mann dafür, dass du schlechte Laune hast? Warum?«

      Jules wusste es selbst nicht recht, zuckte deshalb mit den Schultern.

      »Vielleicht Langeweile?«, mutmaßte er.

      Dem Kellner war mittlerweile sein Versäumnis eingefallen und er kehrte zu ihrem Tisch zurück.

      »Wünschen Sie einen Aperitif? Vielleicht ein Glas Champagner? Wir haben heute Roederer Cristal 2002 im Angebot.«

      Der Mann stammte aus Frankreich und war in seinem Beruf recht gut ausgebildet, wie Alabima fand. Doch für Jules spielte dies keine Rolle. Der Schweizer befand sich weiterhin auf Konfrontationskurs.

      »Wir sind keine Schnäppchenjäger«, stellte er klar, »haben Sie auch La Grand Dame von Veuve Clicquot?«

      »Selbstverständlich.«

      »Welche Jahrgänge?«

      »Da müsste ich nachschauen.«

      »Dann tun Sie das bitte.«

      Der Mann war sichtlich genervt, entfernte sich zu einem der Anrichte-Tische und schaute in der Weinkarte nach.

      »Einen 1996er«, vermeldete er nach seiner Rückkehr, »doch wir verkaufen ihn leider nicht offen, sondern nur als ganze Flasche.«

      »1996 ist okay.«

      Der Kellner nickte und entfernte sich, kam wenig später mit dem Sektkübel, der Flasche und zwei Champagnerschalen zurück.

      »Haben Sie keine Kelchgläser?«, mäkelte Jules wieder an ihm herum, während der Mann die Folie und den Draht vom Zapfen löste und sie öffnete.

      »Sehr wohl«, gab dieser trocken und unterkühlt zurück, schnappte sich die beiden Gläser und kam wenig später mit den gewünschten Kelchen zurück.

      »Wir sind auch keine Russen«, stellte der Schweizer klar.

      Der Mann sah ihn diesmal kurz und kalt an, öffnete dann stumm die Flasche, füllte den Probierschluck in eines der Gläser, stellte es vor Jules hin. Der nahm es auf, prüfte die Farbe, schnüffelte den Duft und nickte.

      »Wunderbar«, sagte er, ohne zu probieren. Der Kellner verstand und schenkte das zweite Glas korrekt voll, servierte es Alabima, füllte danach den Kelch von Jules auf dieselbe Höhe auf.

      »Wo haben Sie gelernt?«, wollte Jules nun von ihm wissen. Der Mann versteifte sich und schien recht genervt.

      »In der Villa Florentine in Lyon.«

      »Das merkt man«, gab der Schweizer zweideutig zurück.

      Der Mann stellte die Flasche wortlos in den Kübel mit dem Eis, platzierte ihn auf dem Anrichtetisch in ihrer Nähe.

      »Am Ende spuckt er dir noch ins Essen«, meinte Alabima warnend und tadelnd zugleich, worauf Alina prustend auflachte.

      »Papa muss Speichel essen, Papa muss Speichel essen«, zog sie ihren Vater auf.

      Doch der blickte seine Tochter schelmisch an und meinte: »Sobald die Teller serviert werden, tausche ich meinen mit deinem aus, ätsch.«

      »Nein«, rief sie laut und erzürnt aus und Alabima verdrehte ihre Augen über Jules unnötige und dumme Provokation der Kleinen.

      »Ihr benehmt euch wie Bauerntrampel«, meinte die Äthiopierin und sah ihren Ehemann streng an.

      »Wieso? Spucken die auch in ihr Essen?«, fragte Jules mit naiver Stimme zurück, worauf Alina wieder zu kichern begann und den kurzen Anflug von Ärger bereits wieder vergessen hatte.

      Sie bestellten wenig später ihr Essen und Jules entschuldigte sich wortreich bei ihrem Kellner für sein Verhalten vorhin, sprach von schlechter Laune und einem miesen Tag, aber auch von der bewunderungswürdigen Engelsgeduld des Mannes und er lobte ihn für seine hohe Professionalität. Der Franzose akzeptierte und glaubte die Worte des Schweizers, wie ihnen seine anschwellende Brust verriet.

      »Zufrieden?«, fragte er Alabima schelmisch, nachdem sich der Kellner entfernt hatte.

      »Du bist ein Idiot«, gab sie zurück, doch nicht mehr böse, sondern wie zu einem Kind.

      »Papa ist ein …«, begann Alina fröhlich zu singen, wurde jedoch von ihren Eltern mit einem laut gezischten »Pssst« vor dem letzten Wort noch gestoppt. Sie grinste sie jedoch an wie ein Honigkuchenpferd und war mit sich zufrieden.

      Den Rest des Essens verbrachten sie in gemütlichen Gesprächen und überraschend gutem Essen. Jules ließ der Küche über ihren Kellner recht detaillierte Komplimente ausrichten. Er lobte die Idee, die gegrillten und nur leicht mit weißem Pfeffer und einem Hauch Knoblauch gewürzten Jakobsmuscheln in einem Schaum aus Thymian und fruchtigem Aprikosen-Gelee, zusammen mit einem Klecks Püree aus Kichererbsen, zu servieren. Oder er sprach über die perfekte Konsistenz der Entenbrustpastete, deren Fleischstückchen auf der Zunge geradezu zergingen, während das mit Kräutern gewürzte Kalbsbrät die Komposition geschmacklich perfekt abrundete.

      Alabima war versöhnt, Alina vor allem mit dem Dessert sehr zufrieden und Jules entsetzt, als er die Flasche Grand Dame von 1996 später auf der Rechnung mit einem Betrag