R.J. Simon

Bis dass der Tod euch vereint


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erinnerte sich Brigitte an jenem Tag an ihre Jugend, und damit an den Anfang ihrer Liebe zu Dominik.

      Seinerzeit träumte Brigitte mit offenen Augen an der Seite Dominiks von ihm, ihrer ersten großen Liebe. Oder von der sinnesraubenden Begegnung mit Dominik, wie man es auch nennen könnte, als sie sich zum ersten Mal trafen. Damals, als sie diese Erinnerungen überkamen, herrschte gleichfalls ein Wetter voller Sonnenschein und frühlingshafter Luft, bei dem der niedergeschlagenste Mensch hätte mindestens Lächeln müssen. Ein Tag eben, der die schlechteste Laune fortzutreiben in der Lage war. Brigittes kleine Welt verlief in geregelte Bahnen, war in Ordnung und sie eine zufriedene Ehefrau.

      2.

      Die Mittagssonne schien warm und hell auf die Küste der Riviera. Brigitte und Dominik schlenderten Hand in Hand, wie ein junges verliebtes Pärchen, die Strandpromenade von San Remo entlang. Obwohl sie beide keine Teenager mehr waren und sich bereits vor über zwanzig Jahren in den heiligen Stand der Ehe begaben, erzeugten sie eher diesen Eindruck, als den eines alten Ehepaares.

      Brigitte zählte seit acht Wochen 41 Jahre, und ihr Gatte sogar 56. Auch Dominik sah man sein vorangeschrittenes Alter nicht unbedingt an. Er konnte sich immer noch an einer einigermaßen sportlichen Figur erfreuen, ohne den üblichen Bierbauch vor sich her zu tragen und war flott in seinen Bewegungen. Dominik war ein lustiger Mensch und stets zu einem Ulk aufgelegt, was seine Lachfältchen um die Augen bestätigten. Sein Gesicht war von leicht ovaler Form, braungebrannt und ein munteres Augenpaar registrierte alles um ihn herum. Er erweckte auf den ersten Blick also keinesfalls den Eindruck eines älteren, oder gar senilen Herrn.

      Dominiks gewelltes Haar trug er zurückgekämmt und nicht zu lang, wodurch seine Geheimratsecken zwar deutlich hervortraten, aber auch das machte ihn keineswegs älter. Denn er litt nämlich nicht zusätzlich an Haarausfall, wie die meisten Männer seiner Generation. Sein Haupthaar war recht dicht und nur an den Schläfen stark angegraut. In den sonst schwarzen Haaren konnte man nur bei genauem Hinsehen vereinzelt silbrig glänzende Härchen ausmachen. Man sah also, dass Dominik keine zwanzig mehr war, aber sein tatsächliches Alter von 56 Jahren hätte ein Fremder wohl kaum erraten.

      Vor gut zwanzig Jahren heiratete Brigitte den strammen und jugendlichen Dominik, zu einem großen Teil aus Liebe, andererseits sicher seines Geldes wegen. Womöglich entstand ihre Liebe zu ihm einst, oder dieses Gefühl welches Brigitte dafür hielt auch deshalb, weil sie wusste, dass ihr Verehrer reich war. Oder stellte diese Tatsache nur ein höchst positives willkommenes Attribut dar, das ihr in Verbindung mit dem sympathischen Mann ein schönes Leben versprach?

      Heute kann Brigitte das nicht mehr beurteilen. Sie vermag nicht genau zu sagen, welche Gefühle sie damals für Dominik wirklich empfand. Brigitte war jung gewesen und es ist inzwischen eine so lange Zeit vergangen, die vieles an Erinnerungen schon verblassen und verschwimmen ließ. Sie konnte nur noch mutmaßen, wie ihre Empfindungen für Dominik zu Anfang waren. Ihre Romanze mit Dominik und ihre spätere Hochzeit, ergab sich nach und nach. Er interessierte sich ganz offensichtlich für Brigitte, umwarb sie und überhäufte sie mit Geschenken, bei denen er keinesfalls kleinlich war. Bis er dann schließlich bei ihren Eltern um Brigittes Hand anhielt.

      Kennen lernte Brigitte ihren späteren Ehemann 1965 im zarten und tugendhaften Alter von 18 Jahren. Die allererste Begegnung fand in einem Café statt, wo sich Brigitte mit einer Handvoll Freundinnen und Arbeitskollegen nach Geschäftsschluss traf. Dort gedachten die Angestellten gemeinsam den Feierabend in gemütlicher Runde zu genießen. Von Beruf war Brigitte einstmals, in dem Leben vor Dominik, Sekretärin in einem Großraumbüro bei einer der bekannteren Versicherungsgesellschaften in Frankreich.

      In dem kleinen, verträumten Café, das ein bekannter Treff für junge Menschen war, spielte üblicher Weise gedämpfte Musik. Somit wurde eine passable Voraussetzung geschaffen, dass sich die jungen Leute ungestört unterhalten und kennenlernen konnten. Mit ihren Kolleginnen und Kollegen saß Brigitte an diesem frühen Abend an einem großen Tisch in einer der Nischen. Allesamt guter Laune, erzählten sie ausgelassen, lachten und scherzten.

      Die lustigen Vorgänge tagsüber im Büro standen dabei anfänglich im Vordergrund. Denn dort verging kein Tag, an dem es nichts zu lachen gegeben hätte. So riefen sie sich zum Beispiel mit höchstem Vergnügen das Gesicht eines Kollegen ins Gedächtnis, der sich übermütig bei einem anderen auf den Schreibtisch setzte und dabei genau mitten in dessen Frühstücksbrot. Sie spotteten und ulkten weiter, denn es ereigneten sich noch jede Menge anderer Vorfälle, die zur Erheiterung aller beitrugen.

      Auf der kleinen schwarzen glatten Tanzfläche des „Café Heart“ wiegten sich derweil zwei, drei Paare zu der langsamen und zum Schmusen animierenden Musik. Die fühlten sich jedoch nicht gestört durch das Lachen in der Nische. Wahrscheinlich hörten sie es auf der Tanzfläche gar nicht. Denn natürlich versuchte jeder in der kleinen Gesellschaft sich zu beherrschen, um nicht zu laut zu sein, damit die Atmosphäre in dem Café erhalten blieb. Lautes Gelächter verdarb nun mal Kuschelstimmung ganz schnell.

      Die Gruppe um Brigitte empfand die Stimmung und die Umgebung in dem Tanzcafé derart gemütlich, dass keiner von ihnen auch nur einen Gedanken daran verschwendete, aufbrechen zu wollen. So vergingen die Stunden, es wurde später und gemütlicher, und die Laune wurde noch ausgelassener.

      Nach einiger Zeit, es war bereits Abend geworden, wurde Brigitte auf einen elegant gekleideten Herrn aufmerksam, der einsam zwei Tische weiter saß. Dieser sah oft, wie Brigitte glaubte zu bemerken, zu ihr herüber. Sie schielte nach dieser Vermutung nun ihrerseits einige Male zu ihm, um das zu überprüfen. Tatsächlich war es so, dass dieser Herr auffallend oft an ihren Tisch blickte und dabei genau in die Richtung von Brigitte. Nach dieser Feststellung bemühte sich Brigitte nun, Blicke von sich in dessen Richtung zu vermeiden, denn es war ihr unangenehm, dass der Mann glauben könnte, sie sehe nach ihm.

      Brigitte war von Natur aus schüchtern und durch ihre aufsteigende Unsicherheit störte es sie deshalb, dass und wie dieser Mann sie ansah. Sie konnte mit der Situation nichts anfangen, die Zeichen nicht deuten, und das machte sie verschämt und unsicher. Er musterte Brigitte zeitweise ungeniert, aber wohlgemerkt in keiner gaffenden oder unflätigen Art, sondern mit Augen, die Interesse bekundeten. Diese auffallende, bewundernde Beachtung, die er somit Brigitte schenkte, machte sie ein wenig nervös und verlegen.

      Andererseits bewies Brigitte die Aufmerksamkeit, die der Herr für sie aufbrachte, dass sie scheinbar attraktiv genug aussah, um den Männern aufzufallen. Diese Bestätigung wiederum gab Brigitte eine gewisse Selbstsicherheit und wirkte ihrer Nervosität entgegen. Denn in ihrem damaligen Alter war sie sich ihrer Wirkung auf Männer noch im Unklaren. Ihr Erscheinungsbild und die damit verbundene Anziehungskraft auf das andere Geschlecht, stufte sie selbst sehr bescheiden ein. Brigittes Selbstvertrauen wurde dadurch wenig aufgebaut.

      Bei einem ablenkenden Gespräch mit zweier ihrer Kolleginnen vergaß Brigitte vorübergehend die Anwesenheit des Herren und ihren daraus folgenden, persönlichen Konflikt ganz. Aber als die Band etwas später begann, einen sehr schönen Blues zu spielen, musste Brigitte zwangsläufig wieder auf ihn reagieren. Sie konnte sich ihm, selbst wenn Brigitte es gewollt hätte, nicht entziehen.

      Plötzlich stand nämlich genau dieser groß gewachsene Mann an dem Tisch der kleinen Gesellschaft. Sein Auftreten war imposant und galant wie er so dastand und liebenswürdig auf Brigitte herab sah. Mit einer angedeuteten Verbeugung, begleitet von einem einnehmenden Lächeln, fragte er höflich, ob er Brigitte um den nächsten Tanz bitten dürfe.

      Damit erfasste Brigitte ihre Schüchternheit wieder mit voller Wucht. Sie wusste nicht wohin mit ihren Blicken und sah deshalb immer wieder verlegen zur Seite oder zu Boden. Brigitte zögerte mit ihrer Antwort, weil sie sich nicht falsch verhalten wollte und ihr nicht einfiel, was sie am besten erwiderte. Hilflos suchte sie zuerst den Blickkontakt zu ihrer Freundin, die ihr aber auch nicht weiterhelfen konnte. In ihrer Verwirrung hatte Brigitte sogar kein Gefühl mehr dafür, ob sie überhaupt die richtige Stimmung und Lust für einen Tanz aufbrachte.

      Der Druck, den die anwesenden Arbeitskollegen um sie herum auf sie ausübten, stieg. Denen gefiel diese Situation natürlich. Ihre Stimmung baute zu dem Zeitpunkt gerade auf die verschiedenen