R.J. Simon

Bis dass der Tod euch vereint


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heraus kam. Abwechselnd redeten sie Brigitte aufmunternd zu, sie solle aufstehen und „ja“ sagen. Eigentlich wollte Brigitte das auch, denn der Mann gefiel ihr gut, der so mutig zu ihr herkam und so Achtung gebietend dastand. Aber ihre Verlegenheit hielt sie vorerst noch davon ab.

      Erst als ihre beste Freundin sie in die Seite stieß und sie leise anzischte: „Nun geh` schon und lass den armen Kerl nicht so lange schmoren“ löste sich Brigitte aus ihrer Starre und entschied sich endlich positiv für den Bewerber.

      Der stand die ganze lange Bedenkzeit über regungslos und hoffnungsvoll abwartend vor Brigitte und lächelte sie mit schwärmerischem Blick an. Er sah ihr dabei sehr genau und tief in die Augen, sofern sie nicht gerade wegsah. Brigitte konnte diesem Gesichtsausdruck, in dem etwas Geheimes, Bettelndes lag, kaum standhalten.

      Ihm dann ebenfalls tief in die Pupillen blickend, erhob sich Brigitte und ging diesen einen Schritt, der als Distanz zwischen ihnen lag, auf ihn zu. Nun, da sie sich entschieden hatte, konnte Brigitte auch tatsächlich seinen Blick voll erwidern und ihre Anspannung löste sich. Die Verlegenheit wich spürbar von ihr. Brigitte wusste nicht mit Bestimmtheit, warum sie eigentlich mit diesem Mann tanzte. Womöglich, weil sie ihn in seinen Bemühungen, die ihr schmeichelten, nicht enttäuschen wollte. Kann sein, dass Brigitte durch das Drängen ihrer Begleiter eher nachgab, um nicht als Feigling oder Spielverderberin zu gelten. Oder einfach, weil er ihr doch gleich von Anfang an sehr gefiel und er sie mit seiner Faszination fesselte? Er war ein eindrucksvoller Mann. Ihre Entscheidung für ihn kam wohl automatisch, wie vom Unterbewusstsein gesteuert, oder wie im Traum.

      Er schritt mit ihr zur Tanzfläche, nahm Brigitte in den Arm, ohne ihr jedoch, ganz Kavalier, zu nahe zu treten. Die Beiden hatten gerade so richtig ihren Takt gefunden, da war das Musikstück auch schon zu Ende. Durch Brigittes Unentschlossenheit gingen zu viele Minuten verloren, so dass sie erst gegen Ende des Songs auf der Tanzfläche ankamen und ihnen nicht mehr viel Zeit zum Tanzen übrig blieb.

      Er schaute Brigitte wieder so flehend wie vorher an und drückte durch ein leises, knappes und traurig klingendes „Schade“ seine volle Enttäuschung über den vorzeitigen Schluss des gemeinsamen Tanzes aus. In diesem „Schade“ lag merklich das gesamte Elend, das er in diesem Moment empfand.

      Damit sprach er aber auch genau das aus, was Brigitte gleichfalls dachte. Bei dem kurzen Vergnügen mit ihm, erwachte nämlich ihre Lust zu tanzen und das Wohlgefallen an dem galanten Mann. Nun wollte auch Brigitte gerne eine weitere Runde mit dem jugendlich wirkenden, im Vergleich zu ihrem Alter allerdings reiferen Herrn, drehen. Ihre Schüchternheit war wie weggewischt, als sie mit einem selbstsicheren Lächeln, das den Rest ihrer Verlegenheit eliminierte fragte, ob nun sie nicht um den nächsten Tanz bitten dürfte.

      Die ihn überflutende Freudenwelle spürte Brigitte regelrecht überschwappen, denn die sprang ihr sprichwörtlich entgegen, als ihr Tanzpartner diese Frage hörte. Mit den, aus ihm heraussprudelnden Antworten: „Aber ja, natürlich gerne, mit Vergnügen, jederzeit“, zeigte er überdeutlich sein Entzücken über diese Bitte. Seine Augen verrieten außerdem die überschwängliche Freude, die ihn damit packte. Er legte galant den Arm um Brigitte und genau zum Einsatz des nächsten Liedes standen sie bereit.

      Bei diesem zweiten Tanz kamen sie sich dann etwas näher, denn er dauerte, im Gegensatz zu dem vorhergehenden, doch wesentlich länger. Zuerst erfuhren sie gegenseitig ihre Vornamen, die sie bis dahin noch nicht kannten. Jeder erzählte dem anderen kleinere, unbedeutende, persönliche Dinge und winzige Bruchteile aus dem eigenen Leben. Viel Zeit blieb bei einem Tanz nicht. Doch die Sympathie füreinander wuchs mit jedem Schritt.

      Auf diesen zweiten Tanz folgte ein dritter, dann ein vierter, ein fünfter, sechster......... Brigitte wüsste heute nicht mehr zu sagen, wie viele es endgültig wurden. Sie hatte verständlicher Weise nicht mitgezählt, aber es waren eine Unmenge. Woran sich Brigitte jedoch noch erinnerte war, dass ihr am nächsten Tag die Füße schmerzten. Das sagte alles über die Anzahl der Tänze aus. Dieses Schmerzgefühl nahm sie aber gerne hin, denn die Füße hätten niemals so sehr brennen können, als dass Brigitte jenen Abend missen oder gar bereuen wollte.

      Wenn Brigitte gelegentlich zwischen zwei Tänzen zu dem Tisch mit ihren Kollegen und Kolleginnen kam, um etwas zu trinken und um sich wieder einmal zu zeigen, fragten die einen mit einem verschmitzten Grinsen, ob sie auch noch da wäre. Andere wollten wissen, ob der Flirt Spaß bereite und wie weit sie dabei seien. Diese Fragen waren keinesfalls als böse, oder als Missgunst aufzufassen. In ihnen spiegelte sich vielmehr auf leicht ironische Art das Wohlgefallen ihrer Kolleginnen und Kollegen wieder. Sie alle freuten sich für Brigitte, dass sie sich offensichtlich so gut amüsierte. Der ein oder andere erahnte eine aufkeimende Romanze und gönnte ihr diese. Am meisten gewährte natürlich Brigittes damalige beste Freundin Jasmine ihr dieses Glück.

      Früh am nächsten Tag verließen Brigitte und Dominik das Café, nachdem er sie um Erlaubnis gebeten hatte, sie nach Hause bringen zu dürfen. Alles andere wäre ohnehin schier sträflich und gegen alle guten Manieren gewesen. Denn ihre Freunde brachen schon viel früher auf und Brigitte stünde ansonsten ganz alleine da. Sie selbst rechnete schon damit, dass es später als gewöhnlich werden würde. Das hatte Brigitte auch ihren Eltern so gesagt, die das akzeptierten. Die Begründung dafür war eigentlich, dass es mit ihren Kollegen bekannter Maßen immer länger dauerte, bis sie nach Hause kam. Dass sie jedoch dann erst früh am Morgen den Heimweg antrat, hätte Brigitte selbst nicht gedacht und erwartet. Sie tanzte mit Dominik die ganze Nacht hindurch ohne Ermüdungserscheinungen und zu merken, wie die Zeit dahin floss.

      `Noch besser, ein Auto hat er also auch`, dachte Brigitte, als Dominik vor dem Café sagte, es stünde um die Ecke. Damals besaßen nicht viele Leute einen eigenen Wagen. Das galt schon als etwas Besonderes.

      Brigitte gestattete Dominik, sie in den Arm zu nehmen, als sie losgingen. Er steuerte sie nach der Ecke auf ein wunderbares Automobil zu. Als Brigitte damit glaubte sein Ziel zu erkennen, rief sie mit großer Entzückung aus: „Ist das dein Auto?“

      Mit dem Zeigefinger deutete Brigitte auf den Wagen, zu dem sie meinte, dass Dominik sie hindirigierte. Er nickte nur als sei das selbstverständlich, ohne weiteren Kommentar.

      „Stark, Spitzenklasse...,“ Brigitte fand keine weitere Vokabel, die ihrer Begeisterung für dieses Auto den gebührlichen Ausdruck verleihen konnte.

      Die Bewunderung für Dominik stieg in dieser Sekunde unbändig an, als Brigitte den Sportwagen sah. Oder war es zu diesem Zeitpunkt schon eine gewisse Verliebtheit? Heute vermochte Brigitte nicht mehr zu erklären, was für ein Gefühl sie wirklich für diesen Mann empfand, den sie so leicht und unverhofft durch reinen Zufall kennen lernte und der sich dann sehr bald als ihr ganz großes Glück herausstellte.

      Brigitte war bis dahin niemals ein materiell denkendes Mädchen gewesen. Geld oder Prestigeobjekte bedeuteten ihr eigentlich gar nichts. Das ließ die Vermutung aufkommen, dass dann zu Anfang weniger das schneeweiße Sportcabriolet mit seinen roten Ledersitzen, als vielmehr doch der Mann an sich für ihre Liebe ausschlaggebend war. Wenn ein interessanter Mann allerdings ein solch tolles Auto besaß, schadete das natürlich keinesfalls der Sympathie, die man ihm entgegen brachte. Der daraus gerade entstehenden Liebe tat das ebenso wenig Abbruch.

      Vor Brigittes Elternhaus verabschiedete sich Dominik von ihr mit den Worten: „Das war ein sehr schöner Abend für mich gewesen und wenn er dir auch gefallen hat, bin ich mehr als froh darüber. Noch glücklicher würde ich mich schätzen, wenn wir uns wiedersehen könnten.“

      Da dieser Abend für Brigitte genauso wunderbar gewesen war und sie merkte, dass er etwas Besonderes in ihrem bisherigen Leben darstellte, verabredete sie sich gleich für den nächsten Tag mit Dominik. Sie wollte ihn unbedingt wiedersehen und auch näher kennenlernen. Irgendetwas im Innern von Brigitte zwang sie, ihm zuzusagen. War es Liebe, Neugier, oder die erkannte große Chance?

      Für Dominik war es, wie er Brigitte einige Zeit darauf gestand, ganz klar Liebe auf den ersten Blick, wie der Volksmund eine solche Begegnung so schön nannte. Dominik offenbarte Brigitte bei diesem Geständnis, dass er in dem Augenblick, als er sie das erste Mal in dem Café sah, zu sich selbst sprach: „Das ist die Frau. deine Frau! Die, oder keine andere!“

      Anschließend