Wolfgang Wirth

look back again


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Unterton. „Ich glaube, selbst ein Deutscher mit guten Englischkenntnissen kommt da nicht drauf, dass das eine Übersetzung ist.“

      „Jetzt hab ich’s auch“, gab Laetitia zu. „klingt wirklich ein wenig seltsam im Deutschen. Aber es soll ja auch schmecken und es scheint gemütlich zu sein.“

      Sie setzten sich an einen kleinen Tisch am Fenster, auf der Terrasse war es den Damen zu frisch.

      „Also, was kannst du uns empfehlen, Alex?“ fragte Brian in bester Laune und rieb sich erwartungsvoll die Hände.

      Alex empfahl den Cocktail nach Art des Hauses. Sie berichtete, dass sie schon öfter mit ihrer Freundin hier gewesen sei und so einige Kreationen probiert habe, aber der Haus-Cocktail sei mit Abstand das beste Getränk. Die anderen Drei folgten Alex’ Ratschlag und so bestellte sie viermal den Cocktail mit dem zweideutigen Namen „Special Cock“.

      „Ich habe Alex erzählt, dass du Schweizerin bist“, begann David die Unterhaltung nach einem Moment des Schweigens. „Sie liebt die Schweiz!“

      „Ja!“, bestätigte die junge Frau etwas abwesend und steckte ihr Mobiltelefon, in das sie gerade vertieft gewesen war, schnell wieder in die Tasche. „Ich fahre fast jedes Jahr zum Skifahren dorthin. Die Schweizer sind so freundlich und weltoffen.“

      „Ja, das stimmt, ich bin Schweizerin, aber in Paris geboren. Wir sind ohnehin eine multikulturelle Familie. Brian ist Amerikaner und David Deutsch-Amerikaner.“

      „Und wir essen am liebsten chinesisch!“, fügte Brian verschmitzt hinzu. „Und was hast du zu bieten? Vielleicht italienisches Blut?“

      „In der Tat habe ich russische Wurzeln“, antwortete Alex zögerlich. „Meine Eltern sind aber schon in Deutschland aufgewachsen und ich bin eine echte Berlinerin.“

      „Das lassen wir gerade noch gelten“, lachte Brian und blickte erwartungsvoll die grünhaarige Kellnerin an, die ihr Tablett mit vier kunstvoll dekorierten Gläsern auf den Tisch stellte und dabei die mehrfach beringten Lippen zu einem Lächeln auseinanderzog. Als sie wieder gegangen war, sagte er leise in die Runde: „Schade eigentlich, die könnte auch nett aussehen mit einer normalen Haarfarbe und einem Kilo weniger Metall im Gesicht.“

      „Dad, jetzt sei mal ein wenig toleranter“, ermahnte ihn David. „Du hörst dich ja an wie ein alter Spießer.“

      „Jetzt sag nicht, dass sie deinem Geschmack entspricht, mein toleranter Sohn. Ich bin jedenfalls froh, dass wir Alex hier am Tisch sitzen haben und nicht so eine bunte Splittergranate.“

      Brian spürte plötzlich den Ellbogen seiner Frau in den Rippen und zuckte zusammen.

      Laetitia warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und ergriff ihr Glas. „Auf unser junges Paar und einen schönen Abend!“

      Alle erhoben die Gläser mit einem dreifarbig abgesetzten Inhalt und stießen an. Das grelle Getränk schmeckte wirklich gut, wobei man allerdings mit Sicherheit schon nach einem einzigen Glas das Auto stehen lassen musste.

      David erzählte von seinem neuen Programm, das er für eine Werbeagentur geschrieben hatte und seine Eltern lauschten begeistert seinen euphorischen Detailschilderungen. Alex beteiligte sich wenig an der Unterhaltung und zog immer wieder ihr Handy aus der Tasche, um auf das Display zu blicken. Ihr sorgenvolles Gesicht verriet dabei, dass sie entweder eine unangenehme Nachricht erwartete oder sogar schon bekommen hatte.

      „Alles okay?“, fragte Laetitia, der das Verhalten der jungen Frau nicht entgangen war.

      Alex blickte sie erschrocken an. „Ja, ja. Alles in Ordnung. Entschuldigung.“ Dann lächelte sie verlegen und steckte das Telefon wieder weg.

      „Wir sollten aber auch jetzt los!“, sagte sie dann plötzlich. „Sonst sehen wir nicht mehr so viel vom Lichterfest.“

      Sie tranken aus und machten sich auf den Weg zur Innenstadt. Inmitten der anderen staunenden Festbesucher genossen die Vier das bunte Treiben auf den verschiedenen Plätzen und folgten dann der Menschentraube zum Abschlussfeuerwerk.

      Laetitia beobachtete an diesem Abend aber nicht nur das Farbenspektakel an den Monumenten und am Himmel, sondern auch Alex‘ anhaltendes und nervöses Betrachten ihres Handys.

      Gegen zweiundzwanzig Uhr wurde Alex immer unruhiger und erhielt eine weitere Nachricht auf ihr Telefon.

      „Tut mir leid, Leute“, sagte sie versucht beiläufig. „Ich muss jetzt los, muss morgen früh raus. Und heute Abend noch bei Lara vorbei. Zwecks Alibi, ihr wisst schon!“ Sie lächelte künstlich.

      „Schade“, betonte Laetitia bewusst deutlich. „Wir wollen doch gerade zum Feuerwerk.“

      Auch David sah seine Freundin überrascht und verständnislos an. „Hattest du nicht gesagt, du hast morgen keine Vorlesungen?“

      „Ja, stimmt“, gab Alex zu, ihre Stimme klang unsicher, fast ein wenig ängstlich. „Aber ich habe meinem Vater versprochen, ihm im Büro zu helfen. Da muss ich früh hin. Du weißt, David, wie schwer ich morgens aus dem Bett komme.“

      „Na, du musst es wissen“, antwortete David enttäuscht. „Ich ruf dich morgen früh an!“

      Alex drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen, winkte seinen Eltern nur kurz zum Abschied und lief davon.

      Brian schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. „Was ist denn mit der heute los? Wenn sie nicht genauso aussähe wie gestern, hätte ich gesagt, es wäre jemand anderes gewesen. Irgendwie seltsam!“

      „Wahrscheinlich hat sie Stress zuhause“, suchte David nach einer Begründung. „Das kommt öfter mal vor!“

      Laetitia nickte ihrem Stiefsohn verständnisvoll zu, ihr Gefühl sagte aber, dass irgendetwas nicht stimmte. Deuten konnte sie das allerdings noch nicht. Aber auch wenn David nicht ihr leiblicher Sohn und längst erwachsen war, ihr mütterlicher Beschützerinstinkt war geweckt.

      Epilog

      Paris, Montag, 9. Oktober, 9.00 Uhr

      Raschid bog am Observatorium in den Boulevard Arago ein und ging raschen Schrittes die lange Mauer des Stadtgefängnisses entlang. Er trug einen braunen Anzug mit dezenter Krawatte und eine Aktentasche in der Hand. Damit sah er aus wie ein junger Anwalt auf dem Weg zu einem Gesprächstermin mit seinem Mandanten.

      Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, auch wenn er auf dem Weg ins Gefängnis war. Er wollte sich pünktlich zur Besuchszeit mit seinem Informanten treffen, schon gestern war er hier gewesen, jedoch erfolglos.

      Nach seiner Ankunft am Sonntagvormittag in Paris hatte er als Samir El Afaf das noble Hotel du Louvre bezogen und sich mit seiner neuen Identität vertraut gemacht. Er reiste als britischer Geschäftsmann arabischer Herkunft, eine nicht seltene Kombination und somit unauffällig genug, um unerkannt zu bleiben. Für Raschid jedoch eine neue und seltsame Erfahrung.

      Den ersten Kontakt hatte er mit einem Vertreter der arabischen Botschaft gehabt, er hatte ihm Grüße seiner Landsleute überbracht und ihm im Auftrag des Emirs mit einer Waffe versorgt, einer handlichen Caracal C aus Armeebeständen.

      Zur Besuchszeit am Nachmittag war er dann am Haupteingang des Gefängnisses erschienen, man hatte ihn allerdings mit dem freundlichen aber bestimmten Hinweis wieder weg geschickt, dass aufgrund aktueller Sicherheitsmaßnahmen ein Besuch an diesem Tag nicht möglich sei. Man war aber bereit einen Besuchstermin für neun Uhr am Montag zu reservieren.

      Den Nachmittag hatte Raschid größtenteils in seiner Hotelsuite mit Gedanken zu seinem Auftrag verbracht. Mit dem goldenen Amulett in der Hand hatte er lange schweigend im Sessel gesessen und nachgedacht. Dabei war sein Blick stets auf das Schmuckstück gerichtet gewesen, und er hatte immer wieder versucht, den Wahrheitsgehalt dieser unglaublich klingenden Geschichte abzuwägen. Noch immer war er nicht wirklich überzeugt, dass er der Richtige für diese Aufgabe war. Aber seine Familie, allen voran der Emir selbst, setzte großes Vertrauen in ihn. Also musste er diese