Heidi Dietzel

Mei Ruah möcht i'ham


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mit dem Stöbern gerade noch drei Tage in den zweiten Akt hineingekommen und ich kann Ihnen bloß sagen, ich möchte das nicht wieder erleben, und ich habe auch beim ›Theoderich‹ eine zweite Zugeherin genommen, dass wir nur ja schnell fertig geworden sind.«

      »Wie interessant!«, rief Frau Diestelkamp aus, »es wird einem alles so näher gebracht. Ich habe bis jetzt gar keine rechte Vorstellung gehabt, wie es wohl in Dichterfamilien ist, und nun verstehe ich manches.«

      »Sie müssen aber trotzdem sehr glücklich sein«, fügte Frau Höfler hinzu. »Als Gattin eines Dichters! Ich stelle mir das entzückend vor.«

      »Ich möchte mit niemand tauschen«, erwiderte Frau Mertens, »obschon manches vorkommt, was einem Sorgen macht. Denken Sie sich, wir haben fünfzehn Jahre lang romantisch gedichtet und jetzt geht das nicht mehr und wir müssen modern schreiben oder realistisch, wie man auch sagt. Das ist ein Schlag, kann ich Sie versichern! Mein Mann wollte noch immer nicht, aber was kann man gegen die Kritiker machen?«

       »Erlauben Sie mir die Bemerkung, gnädige Frau, dass ich da ganz auf Seite Ihres verehrten Gemahls stehe«, rief Herr Diestelkamp, »wir wollen gerade in unserer nüchternen Zeit die Romantik nicht missen und wir suchen bei unsern Dichtem die herrliche Quelle der . den . den Ritt in . ich wollte sagen, wir wollen immer noch einen Trunk aus der romantischen Quelle schlürfen.«

      »Es geht nicht«, sagte Frau Mertens mit einer Schärfe, die erraten ließ, dass man hier auf ein eheliches Streitthema gekommen war. »Es geht durchaus nicht. Das nächste Stück muss er modern schreiben. Ich will nicht, dass die Zeitungen noch einmal von veralteter Manier schreiben oder dass die Frau Nathusius die Nase rümpft, wenn sie mir begegnet, weil ihr Mann schon dreimal hochmodern gedichtet hat.«

      »Aber die romantische Muse Ihres Mannes wird sich dagegen sträuben«, sagte Direktor Höfler.

      »Sie hat sich gesträubt«, rief die streitbare Frau und blickte dabei mit einiger Strenge auf ihren Mann, der den endlich weinenden Rettich aß; »sie hat sich allerdings gesträubt, aber das ist jetzt vorbei. Ich muss es auch aushalten, und wenn es noch schlimmer wird bei den zweiten Akten.«

      »So geben also auch Sie den Ritt ins alte romantische Land auf?«, fragte Diestelkamp, der sich nun auf das vorher gesuchte Zitat besonnen hatte, mit starkem Pathos.

       »Tja …«, antwortete der Dichter.

      O Natur!

       Personen: Er – Sie – Ein Holzknecht. Ort: Im Gebirge.

      Er: Wie das hier schon ganz anders riecht, Lizzi! A-ah! Endlich aus der Stadt in die Natur geflohen!

      Sie: Himmlisch!

      Er: Stelle dir vor! Der Schnee in unseren Straßen, schwarz, schmutzig, nass. Und hier blinkt und glitzert er.

      Sie: Er ist direkt keusch, finde ich.

      Er: Man denkt an Weihnachten, Christabend, an irgendwas Poetisches.

      Sie: Karl, du Guter! Nein, wie bin ich dir dankbar, dass du mich aus dem schrecklichen Trubel in diesen Frieden gebracht hast!

      Er: Nicht wahr?

      Sie: Weißt du, als ganz kleines Mädchen bin ich auch einmal im Winter auf dem Lande gewesen. Bei Großmama. Da weiß ich noch, wie da auch die Bäume verschneit waren und so merkwürdig aussahen.

      Er: Du bekommst förmlich große Augen, wie du das sagst, Lizzi!

      Sie: Es muss die heimliche Sehnsucht nach der Natur sein, die in einem lebt. Trotz allem, weißt du, Karl?

      Er: Ja, ja. Trotz allem.

      Sie: Nein! Sieh mal dort die große Tanne! Wie ein Ungeheuer sieht so ein Zweig aus. Wie was Lebendiges.

       Er: Wie ein Märchen.

      Sie: Die Natur ist doch das einzig Wahre!

      Er: Man sollte hier immer leben!

      Sie: Das wäre herrlich! Ich ließe mir einen großen Pelz dazu machen; weißt du, grünen Samt, mit Zobel besetzt, und innen auch Zobel, oder Seal.

      Er: Das sollte man tun, hier leben.

      Sie: Oder Skunks, Karl, obwohl ich eigentlich Skunks nicht sehr liebe.

      Er: Das würde sich schon finden.

      Sie: Und weißt du, eine Pelzmütze sollte ich haben. Ich habe vorgestern bei Bachmann eine entzückende Mütze gesehen.

      Er: Dieser Friede ringsum!

      Sie: Ich glaube, sie war aus Otterfellen und hatte vorne eine Agraffe, in der eine Reiherfeder steckte.

      Er: Sieh dort, Lizzi, wie die Bergspitze noch von der Abendsonne beschienen ist.

      Sie: Wun–der–voll! Weißt du, man könnte statt Reiher auch eine andere Feder nehmen. Meinst du nicht?

      Er: Ja – ja. Ich könnte hier stundenlang in den Anblick versunken stehen.

      Sie: Und ich möchte am liebsten durch den Schnee waten. Wie ein Schulmädchen, und ganz rote Backen davon kriegen.

      Er: Und nasse Füße, Liebling!

      Sie (enttäuscht): Das ist wahr!

      Er: Man müsste eben andere Schuhe tragen. Und sich überhaupt daran gewöhnen. Oh! Hier muss ein Mensch gesund werden!

      Sie: Ich fühle mich jetzt schon ganz anders.

       Er: Ich meine körperlich und geistig gesund werden. A-ah! Diese Luft! Diese Luft!

      Sie: Wie die Sonne verglüht! Das sollte man jeden Abend haben.

      Er: Und sich von dem Zauber der Natur umfangen lassen.

      Sie: Ich möchte am liebsten gar nicht mehr weg.

      Er: Weißt du was? Wir bleiben einfach morgen noch hier.

      Sie: Ach ja – das wäre himmlisch! Aber es geht nicht, Schatz. Ich muss morgen zur Schneiderin und dann sollen wir bei Hofrats Besuch machen und abends ist der »Rosenkavalier« und…

      Er: Richtig, ja! Na, denn nich! Eigentlich ist es schade!

      Sie: Mir blutet ja das Herz, dass man sich von hier losreißen soll.

      Er: Mir auch. Diese Farben! Nein, diese Farben!

      Sie: Du, dort kommt ein Mann.

      Er: Er hat so was wie 'ne Säge umhängen. Das ist sicher 'n Holzfäller.

      Sie: Wie stilvoll er aussieht!

      Er (seufzend): Ach, wenn man auch so einer wäre! He, guter Mann!

      Holzknecht: Han?

      Er: Sie leben wohl immer hier heraußen?

      Sie: In der Natur?

      Er: Und wissen vielleicht gar nicht, wie beneidenswert Sie sind!

      Holzknecht: Am – – –! (Entfernt sich.)

      Sie: Wie? Was hat er gesagt?

       Er: Ach, so was … so was Bäuerliches, was die Leute hier oft sagen. Nun wollen wir aber umkehren. (Bleibt stehen und atmet tief auf.) Nein! Diese Natur!

      Käsebiers Italienreise

      Fabrikant Friedrich Wilhelm Käsebier aus Charlottenburg, seine Frau Mathilde und seine Tochter Lilly konnten endlich die längst ersehnte Reise nach dem sonnigen Süden antreten.

      Sie fuhren über München und Innsbruck nach Verona und wir wollen sie ihre tiefen Eindrücke von