Heidi Dietzel

Mei Ruah möcht i'ham


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Schon längst wollte ich dir schreiben, aber die Flut dieser Eindrücke strömte so mächtig über mich herein, dass ich wirklich zu gar nichts kam.

       Was soll ich dir schreiben? Wie soll ich es dir schildern, was ich im amfiteatro in Verona, vor dem Palazzo ducale in Venezia, vor dem herrlichen Colleoni empfand?!

       Es ist unsagbar und Worte sind zu schwach um all das wiederzugeben, was sich angesichts solcher Wunder in uns vollzieht! Darüber einmal mündlich und ich werde dir dann mein Herz ausschütten.

       Wir sind alle gesund und überglücklich.

       Fritz natürlich in seiner Art. Du kennst ja deinen Bruder und weißt, dass er nun mal von einer gewissen Erdenschwere ist und wie er als echter Berliner keine Bewunderung nie zu erkennen gibt, sondern hinter schnoddrigen Bemerkungen versteckt.

       Manchmal verletzt es einen sogar, aber man muss ihn eben nehmen, wie er ist. Ich bin überzeugt, dass er doch auch gegen die Sprache, welche all diese Herrlichkeiten reden, nicht taub ist. Wie geht es deinem Karl, oder Carlo? So werde ich ihn von jetzt ab nennen, denn ich werde mich nie mehr von dem Wohllaute dieser Sprache losreißen.

       Grüße ihn und deine Kleine. Täglich sagen wir, wie schade es ist, dass ihr nicht mit uns sein könnt.

       Saluta i tuoi cari! Addio con tutta l'anima!

       Deine dich liebende Schwägerin Mathilde.

       Gestern waren wir im Palazzo Vecchio, im Palazzo degli Uffizi und im Palazzo Pitti. Schon diese Namen!

       Und eine Menge von Gemälden! Wenn man sie nur zählen wollte, würde man schon ermüden, und erst, wenn man sich in sie versenkt!

       Addio carissima!

      Friedrich Wilhelm Käsebier an Herrn Rentier Adolf Krickhan, Charlottenburg, Kantstraße.

       Florenz, auch Firenze genannt, den 20. Februar.

       Oller Demelack!

       Deinen Brief habe ich hier im Hotel vorgefunden und es ist nur gut, dass ihn meine Lärmstange nicht in die Flossen kriegte, denn deine liebenswürdige Schilderung von mir und der kleinen Tirolerin war das Menschenmeechliche.

       Wer kann for de Liebe, Adolf?

       Und ich sage dir nur, du hättest deine Kulleroogen aufgerissen.

       In Venedig waren wir drei Tage und du kannst dir wohl vorstellen, wie miesepetrig mir war, immer neben der Ollen in Ekstase und immer Vortrag über schweigende Lagunen und tote Königin der Meere und was sich die Frauenzimmer so zusammenlesen.

       Ich sage bloß, was bietet mir als Mann von heute, der mitten im Leben steht und die Ellenbogen brauchen muss, so 'n Altertum?

       Alter Kese stinkt.

       Aber die Olle tat natürlich immer jerührt wie Appelmus und spielte mir Bildung vor.

       Da war auch so 'n Reiterdenkmal von Colleoni und du hättest mal hören sollen, was die Damenwelt da für einen Raptus kriegte oder wenigstens so tat, und die kleine Kröte fing mir zu himmeln an.

       Na, so blau! Ich sagte »Ferd is Ferd«, und ob es mal das linke Bein oder das rechte Bein hochhebt, das macht doch wirklich nicht den Unterschied, dass sie tun müssen, als wären sie von der Stadtbahn überjefahren.

       Na, da gab es wieder den Blick, als wenn sie Gott um Rechenschaft fragte, wie er so was wachsen lassen konnte.

       Tut mal nich so, sagte ich, ich sage bloß ehrlich meine Meinung und ihr spielt Theater und das Textbuch ist der Baedeker.

       Nu aber raus aus die Lagunen und rin ins Tschinquetschento!

       Du sollst mal Mathilden hören, wie sie Tschinquetschento sagt, so als wenn sie's erfunden und ganz alleine hätte, und auch wieder mit 'n Vorwurf gegen mich.

       Nu ja, ich sage doch nischt!

       Ich bin auf den Leim gekrochen und habe diese Reise in die gebildeten Länder gemacht und muss sie aushalten und bezahlen und ich schwöre dir, Adolf, einmal und nicht wieder!

       Hier ist nun ein ganzer Band Baedeker zu absolvieren und unter acht Tagen krieg ich die Olle nicht los, schon wegen die Briefe nicht, die sie schreiben muss, und weil man an ihrer Begeisterung zweifeln könnte, wenn sie zu kurz hier wäre, und so müssen wir eben unsere Zeit hier absitzen.

       Hier gibt's noch mehr olle Häuser und Monumente und Kirchen und Klamotten und Kinkerlitzken und Hurrjott, erst die Bilder!

       In den Restaurants sind wir nun schon ganz italienisch geworden und sie kommandiert die Ober herum, dass es ein Vergnügen is mit insalata verde und testina di vitello con salsa picante und tortellini al brodo, und sie sagt es so, als wenn sie mang die Renässanxe geboren wäre.

       Und täglich seufzen sie über mir, weil ich die verfluchten Sparghetti noch nicht wie 'n italienischer Lord um den Löffel wickeln kann und weil sie mir immer links und rechts aus der Futterluke bammeln, und denn helfe ich mir, wie's jeht.

       Jesus sprach zu seine Jünger, wer keen Löffel hat, esst mit de Finger.

       Was mit die holde Weiblichkeit los war, fragst du mich, kleiner Schäfer?

       Nischt. Und nischt is jut for de Dogen.

       Ich musste doch in Venedig Mondnacht mit Familie genießen und Stimmungen empfangen. Da hatte ich keine Gelegenheit, mir die Hexen näher zu betrachten, die einem mit ihren kohlschwarzen Augen das Herz versengen.

       Na, vielleicht können sie hier mal Renässanxe ohne Papa intus nehmen und denn zieh ich los und jebe meinem Herzen einen Stoß.

       Grüße die Brüder von

       euerm Fritze Käsebier.

      Frau Mathilde Käsebier an Frau Kommerzienrat Wilhelmine Liekefett in Neukölln.

       Firenze, 21 febbraio.

       My Darling!

       Nun sind wir schon den vierten Tag hier und ich kann mich nicht erholen vor Bewunderung über diese unsagbare Kunst und Kultur, welche hier einmal geherrscht hat.

       Man fragt sich doch unwillkürlich, wie es möglich war, dass im finstern Mittelalter doch auch eine gewisse Bildung vorhanden war. Ich denke es mir so, dass sie damals natürlich selten war und nicht allgemein, wie jetzt unter uns, und dass sie dann aber sehr stark bei einzelnen Leuten war und sie zu solch herrlichen Leistungen befähigte.

       Du siehst, Darling, man wird hier ganz von selbst auf Schritt und Tritt zum Nachdenken angeregt und man befasst sich hier mit Problemen, zu denen man daheim im Hasten und Treiben des gesellschaftlichen Lebens leider nur allzu selten kommt.

       Freilich haben wir ja bei Schulte oder Cassierer häufig Anregung und wir können sogar, was mir hier sehr fehlt, durch Aussprache mit bedeutenden Geistern oder bekannten Kunstkritikern unser eigenes Fühlen und Denken ergänzen, aber ich fühle doch hier, dass uns auch die Vergangenheit unsagbar vieles zu bieten vermag.

       Oft wünsche ich mir hier eine starke Hand, die mich durch die Renaissance hindurchleitet wie unsere Kritiker zu Hause durch die moderne Kunst, aber das ist nun mal ein unerfüllbarer Wunsch.

       Ja, ich finde sogar für mein inneres Erleben so gar keine gleich gestimmte Seele, denn Lilly, so sehr sie sich bemüht, ist eben doch zu jung und mein Mann