Heidi Dietzel

Mei Ruah möcht i'ham


Скачать книгу

das Leben zwei so widerstrebende Naturen zusammenführen konnte und wie ich meine Ideale in einer solchen nüchternen Umgebung unberührt bewahren konnte. Zu Hause fühlte ich das ja nicht so sehr, wo ich dich und einen Kreis von Gebildeten habe, aber hier befällt mich doch oft die schreckliche Gewissheit, dass ich nie, nie verstanden worden bin!!

       Doch ich will nicht klagen, sondern dankbar sein, dass ich wenigstens all dieses Schöne und Interessante in mich aufnehmen kann. Wir haben schon gleich in den ersten zwei Tagen die Gemäldesammlungen Uffizien, Pitti und Accademia und das Barcello und auch die wichtigsten Kirchen erledigt, aber ich sehe aus Baedeker, dass wir noch sehr viel zu absolvieren haben.

       Da ist es doch auch wieder eine Erholung, dass ich mit Lilly zum Five o'clock gehe, wo wir entzückende Musik hören und die elegante Welt sehen können.

       Denke dir nur, ein sehr schicker Herr hat sich uns vorgestellt, ein Conte Bonciani, welcher dem italienischen Uradel angehört, so etwas ganz Vornehmes, weißt du, wie bei uns der schlesische Adel, den man in der Hedwigskirche sieht.

       Er verwechselte mich mit einer Gräfin Schlieffen, die er in der deutschen Gesandtschaft kennen gelernt hat und der ich außerordentlich ähnlich sehe, wie er sagt. Er war Attaché in Wien und München und spricht sehr gut Deutsch, nur mit italienischem Akzent, was ganz entzückend ist.

       Er macht mir ein bisschen den Hof, aber ganz in den Grenzen eines Grandseigneur von der alten Schule, und hat so chevalereske Manieren, wie man sie eben doch nur bei so echten, alten Familien findet. Wenn er hier von einem Palazzo Strozzi oder so spricht und so ganz nonchalant sagt, dass er seinem Onkel gehört, fühlt man doch, welcher vornehmen Tradition man hier begegnet, und ich sagte ihm auch, wenn er je einmal nach Berlin kommt, muss er uns besuchen und ich gebe dann einen großen Abend.

       Morgen ist ein concours hippique in den Cascinen und Bonciani will mich und Lilly dorthin führen; Fritz wird uns nicht begleiten. Er hat hier ein Bierrestaurant gefunden und das, was er gemütlich nennt und er will sich in diesen Seligkeiten nicht stören lassen. Ich bin auch wirklich nicht unglücklich, wenn er wegbleibt, denn wenn wir voraussichtlich mit einigen ersten Familien von Florenz Bekanntschaft schließen – du verstehst mich.

       Aber nun addio, Darling! Addio! Tausend Grüße und Küsse

       von deinerdich liebenden Mathilde.

       Ich habe mir hier ein Kostüm bestellt, da wir nun doch öfter mit dem Conte die passeggiata in den Cascinen mitmachen und mit der first class bekannt werden sollen. Es ist ein französisches Jackenkostüm mit Hüftgürtel. Weißt du, futterloser Dreibahnenrock zu Sackrockfalten gelegt, die Jacke seidengefüttert, an den vorderen Rändern zusammenhängend mit dem Kragen, mit dem gleichen Stoff besetzt.

       Dazu ein Hütchen, Darling! Ein Gedicht! Schwarzen, gefalteten Samtkopf mit schwarzen Reihern. Er sieht fast so aus wie ein Samtbarett und man kann sich Michelangelo vorstellen, der, ein solches Barett keck aufgestülpt, durch die Straßen von Firenze wandelt.

       Der Conte findet das auch.

       Addio! Addio!

      Lilly Käsebier an Lotti Jürgens, Berlin NW, Schleswiger Ufer.

       Firenze, 23 febbraio.

       Liebste, süße Lotti!

       Endlich kann ich dir den versprochenen Brief schreiben, aber du glaubst ja gar nicht, wie wahnsinnig man hier in Anspruch genommen ist von allem Neuen, was man sieht und hört.

       Vormittags muss man sich bilden und in Begeisterung schwelgen, aber nach Tisch, Lotti! Lotti! Du ahnst es nicht.

       Nein, die Italiener sind wirklich süß!

       Du, die können einen ansehen mit ihren runden schwarzen Augen, dass einem ganz schummerig wird, und frech wie Oskar!

       Und Leutnants sieht man hier, Li-La-Lotti, weißt du, mit himmelblauen Breeches und breiten, amarantfarbenen Streifen und kurzen, ganz, ganz engen Uniformröcken. Ich finde sie einfach süß.

       Der grässliche Professor Hänisch, den Papa hier in einer Pilsnerbierhalle getroffen hat, sagt, die italienischen Offiziere hätten nicht den wuchtigen, kriegerischen Ernst wie die preußischen, aber ich bin überzeugt, dass sie viel, viel besser flirten können.

       Ach, Süßing, warum spreche ich nicht Italienisch?

       Da sieht man doch erst, wie gut es ist, wenn man die Sprache eines Landes kennt, und ich habe mir auch fest vorgenommen, dass ich zu Hause italienische Stunden nehme. Und dann reisen wir aber auch ganz gewiss mitsammen hierher, Li-La-Lotti, und ich mache dir den Cicerone und übersetze dir, was so ein Gentiluomo – Gott, wie das klingt! – uns ins Ohr flüstert.

       Du!!!

       Denke dir, wir haben einen echten Conte kennen gelernt bei Donnay, einen wahnsinnig schicken Attaché, der in Wien bei Hof war und sehr gut Deutsch spricht! Conte Bonciani. Er hat sich uns beim Five o'clock vorgestellt und wir fuhren gestern mit ihm in einer Carozza zum Rennen.

       Mama ist ganz begeistert von ihm, weil er zur Crème de la crème gehört, und er hätte uns auch den besten Familien vorgestellt, aber Mama wollte nicht, weil sie ihr Kostüm noch nicht bekommen hatte, und da zeigte er uns nur die Strozzi, Ricci und Aldobrandini usw., mit denen er doch meistens verwandt ist.

       Ich finde ihn todschick, aber er flirtet auch kein bisschen mit mir und macht nur Mama respektvoll den Hof.

       Ich muss aber jetzt schließen, Süßing. Mama ruft mir schon ungeduldig, weil wir zum Five o'clock gehen.

       Tanti saluti e baci (Küsse!!) von deiner

       Lilly.

       Grüße auch Krügers vielmals und Mäuschen und Jenny und den verrückten Max und alle, alle Bekannte und sage ihnen, es ist noch schöner, als man sich das ausmalt.

       Du!! – Hast du Moissi nicht mehr gesehen? Ach erzähle doch, bitte! bitte! Wie war es denn in der Philharmonie? In Venedig haben wir immer von ihm geschwärmt und ich habe ihn mir vorgestellt im Romeokostüm in einer Gondel!

       Adieu! Adieu! Mama ruft schon wieder.

       Du! Etwas muss ich dir noch rasch erzählen. Man legt doch seine Visitenkarten auf das Grab von Romeo und Julia und ich habe auf ein Kärtchen »Moissi« geschrieben und habe es auf den Sarg der Liebenden gelegt. Was sagst du??

       Addio, carissimia!!

       Du! Von dem jungen Silberstein habe ich was erfahren!! Du auch? Bitte, bitte, schreib mir! Ja??

       Friedrich Wilhelm Käsebier an Herrn Rentier Adolf Krickhan, Charlottenburg, Kantstraße.

       Florenz, 24. Februar.

       Olle Meppelnese!

       Uff! Mir jeht de Puste aus. Kinderkens, habt Ihr 'ne Ahnung, was ein Mensch für seine Bildung tun muss? Ihr habt sie nich!

       Ihr sitzt bei Mutter Böhme und spielt eine Ehrenrunde nach der andern und jießt immer noch 'ne Nullweiße uff de Lampe und – ich! Heiliger Bimbam!

       Ich muss uffziehn in den Uffizien, ich muss mit – i – in Palazzo Pitti – ich muss – o weh o! ins Museo!

       Aber ihr Keseköppe kennt ja nich mal die Namen, und von dem, was es ist, habt ihr noch nich 'ne Ahnung jejessen!

       Stell dir mal vor eenen Korridor – vom Brandenburger Tor – ich bin heute poetisch, was, Adolfken? – also vom Brandenburger Tor bis zum Schloss,