Heidi Dietzel

Mei Ruah möcht i'ham


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bis Brandenburger Tor. Das sind die Uffizien. Und pass mal Acht, ein Zimmer am andern und hinterm Zimmer wieder 'n Zimmer und daneben 'n Zimmer und allens voll Bilder und Jemälde und Jemälde und Bilder, und nu setz dich mal in Trab neben meiner Mathilde und schese mal durch Saal Nummer 1 bis 99 und denn kajole von 99 bis 222, immer mit 'n Lötkolben im Baedeker!

       Madonna mit 'n Kanarienvogel, Madonna mit dem Zeisich, Madonna mit was weiß ich und Lippo Lippi und Lippino Lippi und Botticelli und noch neunhunderneunundneunzig Tschelli und Tschello und Knaatsch und Kuddel und 'n steifes Jenick und de Hühnerkieke – siehste, Junge, das ist Kunst und muss jenossen werden.

       Hurrjott, wo sie nur alle die Bilder herhaben! Wir Berliner haben doch auch mächtig ville Maler, die en orntliches Ende wegschmieren, aber ganze Stadtteile mit verkleckster Leinewand, halt mal 'n Hut uf – ick will ausspucken.

       Un Mathilde!!

       Sie hat 'n runden Flunsch gekriegt mit lauter italienische Namens, und wenn sie so 'n Happenpappen mit Tschelli und Tschello hat, denn kaut sie 'n paar Stunden dran und en Augenaufschlag hat sie sich angewöhnt von wegen meinem Mangel an Kultur, mit dem kann sie sich für Jeld sehen lassen.

       Nee, Junge, nu hab ich genug vons Tschinquetschento.

       Ich habe der Damenwelt erklärt, dass ich nicht mehr mitspiele, und meinetwegen können sie die Baedekerkur so lange mitmachen, wie se wollen, mich kriegen sie an die Lippo und Lippi nicht mehr ran.

       Von die vielen Heilijen is mir schwach jeworden und ich werde mir jetzt mal ordentlich Pilsner in de Jacke schwenken.

       Menschenskind, was sagst du?

       Begegne ich nicht vorgestern dem Oberlehrer Hänisch, der hier auch noch was zulernen soll, und führt er mich nicht in die allergemütlichste Pilsnerbierstube?

       Stahlmann in Florenz!

       Nu glaube ich wieder, dass ich in Europa bin, und Bismarckheringe und Rollmops und 'n großes Pils, da fordere ich das Jahrhundert in die Schranken und Mathilden ihr fünfzehntes ooch.

       Nee, das is merkwürdig, Adolfken, hier ist jeder Schluck Bier eine vaterländische Festfeier und es singt in einem wie die Wacht am Rhein und Deutschland, Deutschland über alles, wenn man erst wieder mal das richtige Getränke hat.

       Hänisch ist ganz der richtige Mann für so was und det kannste glauben, es werden uns nich bloß de Dogen nass vor Vaterlandsliebe.

       Mathilde hat die Hoffnung aufgegeben, dass ich mir noch mal die Beene in Leib stehen werde vor ihre Baedekerbekanntschaften, und sie lässt mir auch alle Tage an ihrem Mitleid über meine Unbildung riechen. Aber ich glaube, der Tschinquetschento stoßt ihr selbst 'n bisschen sauer uff und sie begibt sich mit ihrem Wissensdurst mehr in die Ruhe.

       Sie hat's nun wieder mit Eleganz und Gegenwart und schlabbert Tee mit Musikbegleitung und vorgestern ist sie mit Lilly zum Rennen gefahren.

       Sie quasselt jetzt viel von Legationen und Gesandten und erste Florentiner Familien, weil sie janz was Vornehmes kennen gelernt hat, so 'n Windbeutel, der mal Attaché in Wien gewesen ist, sagt er.

       Ich habe auch schon die Ehre jenossen und ich muss sagen, der Kerl mit seinem gefärbten Schnurrbart sieht aus wie 'n Mausfallenhändler mit gepumpter Kledage und Jeld is bei dem det Wenigste. Der richtig gehende Nassauer.

       Er hat die große Klappe und is ein Herz und eine Seele mit allens, was adelig ist.

       Ich trau dem Kerl nicht über den Weg, aber die Damenwelt verliert den ganzen Glauben an mir, wenn ich davon anfange.

       Na, lange bleiben wir ja nich mehr und übermorjen oder in drei Tagen fahren wir nach Rom, wo es, wie Hänisch sagt, auch Pilsnerhallen gibt.

       Auf die Weise ertrage ich noch 'n paar Wochen Italien, aber hernach, Hurrjott, gibt's eine dolle Skatsitzung.

       Grüß die Brüder

       von euerm Rennässanxmenschen

      Fritze Käsebier.

      Telegramm.

      Frau M. Käsebier an Frau Auguste Krause, Berlin NW, Lessingstr.

       Florenz, 24. Febr., 10 h vorm.

       Absendet sofort eingeschrieben meinen Schmuck nach hier. Brief unterwegs.

      Mathilde

      Frau M. Käsebier an Frau Auguste Krause, Berlin NW, Lessingstr.

       Firenze, 24 febbraio.

       Dearest Auguste!

       In aller Eile möchte ich dir auch brieflich mitteilen, dass und warum ich dich um sofortige Sendung meines Schmuckes ersuchen musste. Am 27 febbraio ist eine Gesellschaft beim Principe Orsini und ich soll durch Conte Bonciani dort eingeführt werden!

       Welch ein Glück, dass ich wenigstens eine Gesellschaftstoilette mitgenommen habe! Du hast hoffentlich den Schmuck sofort abgeschickt, damit er noch rechtzeitig eintrifft, denn Bonciani sagt, dass es florentinische Sitte ist, bei so einer Gesellschaft Schmuck zu tragen, und dass die Crème de la crème von Firenze an diesem Abend im höchsten Glanze erscheinen wird. Es ist die denkbar größte Ausnahme, wenn forestieri – Ausländer – zu solch intimem Abend eingeladen werden, und nur dem kolossalen Einfluss des Conte ist es gelungen, diese hohe Ehre für mich zu erreichen. Bonciani sagt, dass die großen Familien der Colonna und Orsini viel, viel exklusiver sind als die deutschen Fürstenhöfe und dass es viel leichter ist, in der Wiener Hofburg Eingang zu finden als bei der altissima nobiltà hierzulande.

       Verzeih, dass ich dir die Mühe machte, aber du verstehst doch, wie viel mir daran liegt, bei diesem Abend repräsentativ zu erscheinen!

       Viele, viele Grüße an dich und alle Lieben von

       eurer felicissima Mathilde.

      Frau Mathilde Käsebier an Frau Kommerzienrat Wilhelmine Liekefett in Neukölln.

       Firenze, 25 febbraio.

       Sweet Darling!

       Heute schreibe ich dir, so beseligt und glücklich wie noch nie. Denke dir nur, Bonciani hat es durchgesetzt, dass ich zur Abendgesellschaft beim Principe Orsini eingeladen wurde, eine Ehre, nach der die vornehmsten Mitglieder der deutschen Kolonie vergeblich schmachten!

       Ach! Wie vollkommen wäre erst mein Glück, wenn ich mit dir an der Seite unseres Gentiluomo in den hohen Saal eintreten dürfte! Ich habe meine absinthfarbene Charmeuse mit Perlstickerei mitgenommen. Du kennst ja das Kleid und kannst dir denken, wie froh ich bin, dass ich diese Eingebung hatte, und meine Schwägerin wird mir auch meinen Schmuck schicken, den ich ihr zum Aufheben gab. Ich wollte ihn ja unbedingt mitnehmen, aber Fritz widersprach so heftig, dass ich nachgab. Nun muss ich ihn nachkommen lassen. Darling, ich kann dir gar nicht beschreiben, wie ich mich freue, dass ich durch eine Fügung des Himmels Eingang in diese exklusivsten Kreise gefunden habe.

       Wir bleiben nun auf jeden Fall noch länger hier, obwohl Fritz sehr drängt, dass wir so bald als möglich über Rom und Neapel nach Hause fahren; aber ich lasse mir unter keinen Umständen diese wundervolle Gelegenheit rauben, mit der altissima nobiltà Verbindungen anzuknüpfen, die doch nur ganz, ganz wenige Menschenkinder finden.

       Mit den Sehenswürdigkeiten bin ich ohnehin so ziemlich fertig und ich kann mich vollkommen dem gesellschaftlichen Leben hier widmen und Bonciani sagt, dass eine Einladung bei Orsini mir die Tore aller Palazzi öffnet und dass ich mich darauf gefasst machen muss, die begehrteste Persönlichkeit zu werden. Es sei nur schade, sagt er, dass die Saison bereits