Heidi Dietzel

Mei Ruah möcht i'ham


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etwas vor sich hinmurmelte.

      »Mich hättn S' schon noch a Zeit lang drunt lassn können. Es hätt ma gar net pressiert«, wiederholte dieser und seine griesgrämige Miene wollte sich nicht aufhellen.

      »Aber, Martin!«, rief der Apostel, »du bist der Erste, der an dieser Stelle nicht vor Freude jauchzt.«

      »Mit'n Jauchzn hab i's überhaupt net und i waar froh, wenn i drunt mein' Grüabign hätt.«

      Petrus wandte sich lächelnd an die Engel, die neben ihm saßen. »Seht da, ein Münchner, der sich erst an den Himmel gewöhnen muss!« Und ernster sagte er zu Angermayer: »Nun geh und freue dich und bedenke, dass manches in deinem armseligen Leben Strafe verdient hätte. Aber es ist dir Mitleid erwiesen worden.«

      Der Sekretär merkte am Ton, dass der Heilige als Vorgesetzter gesprochen hatte, und er schwieg.

       Ein lebhafter Jüngling mit hüpfendem Gang, der genauso aussah wie einer aus der Schwabinger Stefan-George-Gemeinde, fasste ihn bei der Hand, indem er in singendem Tone sprach: »Komm, seltsamer Geist, ich will dich führen.«

      In dem Postsekretär regte sich wohl sogleich die grimmige Abneigung gegen die Art seines Begleiters, aber er war zu niedergedrückt um die rechten Worte zu finden und er schritt griesgrämig und schweigsam neben dem Engel einher.

      Der wurde nun gesprächig und erklärte dem Neuling die Grundidee des paradiesischen Lebens.

      »Du musst wissen«, sagte er, »dass hier alles auf unendliche Fröhlichkeit gestimmt ist. In den obersten Regionen, wohin wir ja nicht gelangen, befinden sich die erhabenen Geister, welche in fortlaufenden Gesprächen ihrer unbeschreiblichen Freude Ausdruck verleihen. Die Heiligen befinden sich in Verzückung, die Engel musizieren und du hörst ja die erhabenen Klänge des Konzertes, wir andern aber, zu denen du nun auch gehörst, bilden die Heerschar der Seligen und wir haben die Aufgabe, nach unsern bescheidenen Kräften den Eindruck des höchsten Glückes hervorzubringen. Zu diesem Zwecke erhält jeder eine Harfe. – Ich führe dich jetzt zu unserm Obersten, dem Engel Asrael, welcher sie dir verabreichen wird.«

      »Was tua denn i mit a Harpfen?«, unterbrach ihn Angermayer sehr unwirsch.

      »Du musst frohlocken«, sagte der Begleiter.

      »M–hm, ja! Is scho recht! Weil i gar so guat aufglegt bin, und überhaupts – i ko gar net Harfn spieln…«

      »Du musst nur in die Saiten greifen – siehst du, so…«

       Der lebhafte Jüngling nahm sein Instrument, das an einem rosaroten Band über seine Schulter hing, und klimperte ein wenig.

      Dabei hüpfte er im Takt abwechselnd einige Male auf dem rechten und linken Fuße nach vorne und sang mit näselnder Stimme: »H–a–a–lä–ä–lu–u–jäh … Halalala – ha–lälälä–u–u–ha–ha!...«

      Er hielt inne und blickte den Sekretär lächelnd an.

      Der machte ein Gesicht, als wenn er saures Bier getrunken hätte.

      »Wia hoaßt ma dös?«

      »Das ist das Frohlocken der Heerscharen«, antwortete der Jüngling.

      »Und Sie glaub'n«, sagte Angermayer und ein bitterer Hohn spielte um seine Mundwinkel, »Sie glaub'n, dass i bei so was mittua? I? Dös könna S' Eahna ja denkn, dass i umeinand hupf wiar'a spinneter Hanswurscht...«

      »Deine Sprache ist rau«, erwiderte der Jüngling, »und dein Antlitz zeigt weder Ruhe noch Glückseligkeit, aber bald wird Harmonie dein Wesen verklären…«

      »Die Sprüch' mag i«, antwortete der erbitterte Postsekretär und nach einer Weile fügte er hinzu: »Sie, passen S' auf, was sind denn Sie früher gwesn?«

      »Was ich . . .?«

      »Ja, was Sie bei Lebzeitn gwen san?«

      »Ach so, als ich noch auf Erden wandelte?«

      Und als Angermayer nickte, überflog ein seliges Lächeln der Erinnerung die Züge des lang gelockten Jünglings und er flüsterte mehr als er sprach: »Ich war Lehrer für rhythmische Gymnastik und harmonische Exterikultur.«

       »Was is dös?«, brummte sein Begleiter, »dös versteh i net.«

      »Ich lehrte die Jugend sich rhythmisch bewegen und…«

      »Jetzt!«, schrie der Sekretär, »i hab ma's do glei denkt! A Schlawiner, a Tanzmoasta! Und von Eahna soll i was lerna, frohlockn oder so an Schmarrn? Jetzt habn S' Zeit, dass S' Eahana verziahgn, sunst nimm i Eahna d' Harpfen und schlag Eahna umeinand damit…«

      Der Jüngling entfloh mit einem Schreckensruf und ließ Angermayer allein zurück, mitten in einer mit Lilien bestandenen Wiese, auf die er sich nun hinsetzte, voll innerlichen Zornes über das Schicksal, das einen königlichen Sekretär dazu brachte, nackend im Grünen zu weilen.

      Er starrte grimmig vor sich hin und überdachte die Möglichkeiten, von hier zu entrinnen. Da sich ihm keine zeigen wollte und da er sich immer mehr darüber klar wurde, dass seine Versetzung in diese Gegend eine definitive wäre, bestärkte er sich in dem Entschluss, jede Zumutung abzulehnen, die mit seinem Charakter, seinen Neigungen und vor allem mit seiner Beamteneigenschaft nicht in Einklang….

      Er wurde in seinem Gedankengang unterbrochen.

      Zwei riesige Engel ergriffen ihn, jeder bei einem Arm, und entführten ihn so schnell und gewaltsam, dass seine Füße den Boden kaum mehr berührten.

       Aber seltsam! Angermayer empfand gegen diese Begleiter weit weniger Widerwillen als gegen jenen sanften Jüngling, und die Gestalten, die Gesichter, die Manieren dieser ungefügen Geister muteten ihm beinahe vertraut an, so dass er trotz der rasenden Schnelligkeit, mit der er vorwärts getrieben wurde, in höflichem Ton zu fragen versuchte:

      »Sie entschuldign . . .«

      »Halt 's Mau!«, schrie der Engel zur Linken.

      »Jeggerl! A Landsmann!«, rief der Angermayer erfreut und machte einen Versuch, stehen zu bleiben, aber er wurde mit unwiderstehlicher Gewalt fortgerissen und so keuchte er atemlos: »Geh, sagn S' mir doch, wo S' her san?«

      »Wennst as schon wissn willst«, brüllte der Engel zur Rechten, »mir warn Klosterhausknecht' in Andechs…«

      »Jessas, Andechs!«, jauchzte der Sekretär und wunderkühle Nachmittage hinter den Maßkrügen des Bräustüberls fielen ihm ein. Er schnalzte unwillkürlich mit der Zunge.

      »Und an Backsteiner und an Radi!«, setzte er die Reihe der seligen Erinnerungen fort.

      Mit wie wenig kann ein Mensch doch glücklich sein und zu was brauchte man ein solches Paradies, wenn man es auf Erden hatte!

      Sein Herz fühlte sich hingezogen zu diesen groben Geistern.

      »Was tuts denn mit mir, Leuteln?«, fragte er beinahe zärtlich.

      »Wir geb'n dir nacha scho d' Leuteln!«, sagte der Engel zur Linken.

      »Außischmeißn tean ma di«, rief der Engel zur Rechten.

       Und kaum waren ihm die Worte entfahren, so fühlte sich Angermaier von einem heftigen Wurf einige Stufen abwärts geschleudert mit dem Kopf in gefrorenen Schnee fahren und tausend Sterne flimmerten vor seinen Augen. Ein Tor fiel donnernd hinter ihm zu.

      Er erwachte von dem Fall und der kühlen Luft, die um ihn strich. Er rieb sich die Augen und sah an sich hinunter mit entzücktem Erstaunen, denn er war bekleidet und er sah um sich und erkannte den lieben alten Rathausturm, dessen beleuchtete Uhr die dritte Morgenstunde zeigte.

      Da merkte er froh, dass er im Bräuhaus eingeschlafen war und alles nur geträumt hatte, bis auf den Hinauswurf.

       Der war erlebte Wirklichkeit.

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