Michaela Santowski

Ohne dich


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ist ihm wohl gar nicht erst in den Sinn gekommen.“

      „Tut mir leid, dir das jetzt sagen zu müssen, aber bist du schon mal auf den Gedanken gekommen, dass er einfach nur nett zu dir sein wollte?“

      „Du solltest erst mal den Rest der Story abwarten.“

      „Es geht noch weiter?“ Neugierig blickte Sven sie an. „Ich denke, du bist nicht mit den beiden essen gegangen?“

      „Nein, bin ich nicht. Aber ich hatte ja noch den Vormittag in Chicago.“

      „Sag bloß, ihr habt euch tatsächlich noch mal getroffen.“ Sven angelte nach einer Serviette und wischte sich die Tomatensauce vom Mund.

      Wieder nickte Bea und erzählte ihm von der Stadtführung. Sie verschwieg ihm auch nicht die Andeutung, die Patrick im Sears Tower gemacht hatte und auch nicht den Abschied.

      Nachdem sie geendet hatte, blickte Sven sie an. „OK, das klingt wirklich nicht nach einfach nur nett sein.“

      „Aber was genau soll ich jetzt davon halten?“ Verzweifelt schlug sie mit ihrer Hand aufs Sofa, was Lucky mit einem wütenden Fauchen kommentierte.

      „Schwere Frage.“ Sven verscheuchte Lucky mit einer raschen Handbewegung. „Wie ich schon sagte, scheint er ein ehrlicher Mensch zu sein. Und wenn wir das mal voraussetzen, dann hat er nicht gelogen, als er sagte, dass er dich faszinierend findet. Es kann im Leben durchaus mal vorkommen, dass man, trotz dem man eine Beziehung hat, einen anderen Menschen anziehend findet. Und manchmal kommt es auch vor, dass man die bestehende Beziehung löst und sich auf eine neue einlässt.“

      „Ach, Sven. Ich würde dir so gerne glauben.“ Bea schaute ihn mit Tränen in den Augen an.

      „Mensch, Bea. Dich hat es ja wirklich erwischt.“ Er nahm sie in den Arm. „Ab heute glaube ich an Liebe auf den ersten Blick. Wenn sogar eine so vernünftige und pragmatisch denkende Person wie du wegen eines Mannes, den du zweimal in deinem Leben gesehen hast, so völlig aus dem Häuschen ist, dann muss da was dran sein.“

      Nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatte, sagte Sven zu ihr: „Gehen wir das ganze mal ganz nüchtern an. Er hat sich deine Telefonnummer geben lassen. Also wird er auch vorhaben, dich anzurufen. Und darauf musst du jetzt wohl oder übel erst mal warten.“

      „Ich weiß. Aber was, wenn er nicht anruft? Und was, wenn er anruft? Was, wenn er genau jetzt anruft und ich bei dir bin? Dann erreicht er mich ja gar nicht!“ rief sie entsetzt aus.

      „Du verwirrst mich. Soll er nun anrufen oder nicht?“

      „Ich weiß auch nicht genau.“ Bea fing schon wieder an zu weinen.

      „Ich glaube, ich hole jetzt erst mal etwas Kräftigeres her. Rotwein alleine scheint nicht mehr zu reichen.“

      Als die zwei dann um vier Uhr morgens ins Bett wankten, war Bea zwar kein bisschen schlauer als am Abend zuvor, aber sie fühlte sich besser. Reden half manchmal doch.

      Zuhause

      Das gute Gefühl war allerdings am nächsten Morgen wie weggeblasen.

      „Oh Gott, Sven. Was war das denn für ein Schnaps? Ich habe so einen Kater das nicht mal Kopfschmerztabletten helfen werden. Und irgendwie habe ich das Gefühl als hätte ich eine Wolldecke im Mund.“

      „Dann bin ich ja erleichtert, dass es dir auch nicht besser geht. Allerdings kann ich dir wenigstens die Schuld daran geben. Möchtest du Brötchen zum Frühstück?“

      Bea gab Würggeräusche von sich.

      „Aber Kaffee nimmst du doch?“

      „Ungefähr fünf Liter hätte ich gerne.“

      „Gut. Ich koche Kaffee und du fütterst Lucky.“

      Bea zeigte ihm einen Vogel. „Von wegen. Oder glaubst du ich bücke mich freiwillig, um an sein Schälchen zu kommen? Ich koche Kaffee und du kümmerst dich um deinen verfressenen Kater.“

      Sven murmelte irgendetwas vor sich hin, das sie nicht verstand und holte das Katzenfutter raus.

      „Ich muss ihm dringend beibringen, sich selber zu füttern.“

      „Hast du Aspirin im Haus?“ fragte Bea.

      „Ich glaube nicht“, antwortete Sven, während er sich mühevoll nach Luckys Schälchen bückte.

      Bea ging aufs Telefon zu.

      „Wen willst du denn jetzt anrufen?“

      „Den Notarzt, damit der mit Aspirin vorbeikommt.“

      „Nicht, schon gut. Ich habe noch welches. Es liegt nur ganz unten im Schrank.“

      „Sven! Wo ist denn da die Logik ein Kopfschmerzmittel ganz unten im Schrank aufzubewahren, wenn man sich bei Kopfschmerzen nicht bücken kann?“

      Sven sparte sich einen Kommentar und holte die Tabletten hervor, während Bea Kaffee kochte.

      Ungefähr eine Stunde später ging es den beiden zumindest etwas besser.

      „Meinst du, du bist schon in der Lage die Wohnung zu verlassen und mit mir was essen zu gehen?“ fragte Sven.

      „Ich denke schon. Die Tabletten haben anscheinend doch ein wenig geholfen.“

      „Gut. Da es bereits 15 Uhr ist, bleibt nur die Pizzeria an der Ecke. Die hat durchgehend geöffnet.“

      Bea nickte.

      Gegen Abend, als Bea fahren wollte, bedankte sie sich noch mal bei Sven, dass er für sie dagewesen war, obwohl er doch eigentlich ins Kino hatte gehen wollen. Sven, der bei Bea immer auf alles gefasst war, winkte ab. Bis auf die Kopfschmerzen hatte er die zwei Tage genossen, auch wenn ihm Beas Kummer sehr leid tat.

      Bea hupte noch mal zum Abschied und reihte sich dann in den Verkehr ein.

      „Ah, Moment. Ich glaube sie kommt eben nach Hause“, hörte Bea Susannes Stimme als sie die Tür aufschloss. Es war bereits 21.30 Uhr, sodass auch Susi wieder zuhause war.

      „Bea. Telefon.“

      Bea verdrehte genervt die Augen. Sie war noch nicht mal ganz in der Wohnung. „Sag, ich rufe zurück. Ich muss erst mal ankommen.“

      „Patrick, sie ruft dich zurück.“

      In dem Moment hörten Susi und Tanja, die ebenfalls im Wohnzimmer war, einen Knall, der von dem Koffer herrührte, den Bea fallen ließ. Eine Zehntelsekunde später riss sie Susanne den Hörer aus der Hand.

      „Hallo?“ rief sie atemlos in den Hörer.

      „Hallo, Beatrix. Schön, dass ich dich doch noch erreiche“, hörte sie seine ruhige Stimme durchs Telefon.

      Susanne und Tanja schauten sich ratlos an.

      „Ich habe nämlich um 16 Uhr einen Termin und du hättest mich gar nicht zurückrufen können“, erklärte Patrick.

      „Du rufst aus Chicago an?“ Bea biss sich auf die Zunge. Was für eine blöde Frage. Wo sollte er denn sonst sein?!

      Susanne flüsterte Tanja fragend zu: „Chicago?“ Diese zuckte die Schultern.

      „Ja. Ich wollte nur hören, ob du einen angenehmen Rückflug hattest?“

      „Es war viel zu tun. Die Maschine war ausgebucht. Aber das ist angenehmer als nur rumzusitzen.“

      „Ich hoffe, du hattest nicht wieder einen so netten Passagier wie mich an Bord?“

      „Doch. Hatte ich. Deswegen komme ich auch erst jetzt nach Hause. Ich habe ihm noch Frankfurt bei Nacht gezeigt“, sagte sie lachend. „Nein, im Ernst: noch so einen charmanten Fluggast kann es doch gar nicht geben.“

      Susanne und Tanja starrten Beatrix mittlerweile unverhohlen an.

      „Dann